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# taz.de -- Katastrophale Wohnverhältnisse: "Nicht handlungsfähig"
> Obwohl ihre Häuser am Sacksdamm völlig marode sind, wollen die Bewohner
> nicht ausziehen. Die Behörde kann an den Eigentümer nur appellieren: Sie
> hat gegen die Bremische keinerlei Handhabe
Bild: Ein Leben fast wie auf einer Parzelle: Häuser am Sacksdamm
Die einen nennen es eine "Idylle". Sie wohnen am Sebaldsbrücker Sacksdamm.
Die anderen, dort als Sozialarbeiter tätig, sprechen von "katastrophalen
Verhältnissen". Die Fußböden sind marode, die Wände rissig, der Geruch
muffig. Das ist der Schimmel - und da hilft auch kein Heizen: Viele jener
gut 50 "Schlichtbauten" aus der Zeit vor dem letzten Krieg haben weder eine
ordentliche Heizung noch Warmwasser, und wenn es mittlerweile ein Bad gibt,
dann haben die BewohnerInnen es selbst eingebaut. Das heißt aber nicht,
dass sie ausziehen möchten. Genau das aber will jetzt das Sozialressort,
das sie dort einst untergebracht hat. Und doch wird erstmal alles bleiben,
wie es ist - weil der Eigentümer der Häuser, die Bremische Gesellschaft für
Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau es so will.
Gut drei Dutzend Menschen leben in der Sacksdamm-Siedlung, und mancher wäre
obdachlos, hätte das Sozialressort ihn nicht irgendwann dort eingewiesen.
Es sind Menschen, die "wohl immer am sozialen Rand stehen werden", wie
Martin Breuling sagt, der selbst seit zwei Jahren hier wohnt.
Sozialarbeiter Joachim Thölken nennt das zumeist arbeitsloses Klientel
"hochgradig problembehaftet". Einige bekamen jetzt Post vom Amt - ihnen
wurde nahe gelegt, sich nach einer neuen Bleibe umzusehen. Eine zehnköpfige
Familie bekam zudem eine Sechs-Zimmer-Wohnung "Hinter den Ellern" in
Hemelingen offeriert. Sie haben es abgelehnt. Die Bewohner schwärmen vom
sozialen Zusammenhalt, vom "Luxus", ein Haus im Grünen zu bewohnen, einem
Schrebergarten gleich, und doch mitten in der Stadt. 30 Quadratmeter plus
Garten kosten keine 100 Euro. "Hier will keiner ausziehen", sagt Breuling,
Sprecher einer Anwohnerinnenitiative.
Und er muss es auch nicht, sagt die Sprecherin des Sozialressorts Petra
Kodré. Denn die Behörde hat "keinerlei Handhabe" gegen die Bremische. Die
Häuser sind nämlich nicht marode genug, um von Amts wegen als
"gesundheitsgefährdend" eingestuft zu werden. Und die Gespräche zwischen
Sozialstaatsrat Joachim Schuster (SPD) und der Bremischen sind kürzlich
mehr oder minder gescheitert. "Wir werden keinesfalls in die
Gebäudesubstanz investieren", sagt Thorsten Prietz, von der Bremischen.
Zugleich zeigt er sich "ein wenig verwundert" über die Initiative der
Behörde: Schließlich habe sie den Zustand der Siedlung "jahrelang halbwegs
für gut befunden". Zwar würden die Gesellschafter der Bremischen derzeit
"prüfen", was mit dem Quartier geschehen solle, so Prietz. Doch das könne
"Wochen oder Monate" dauern. Eine Auskunft, die man schon im vergangenen
Sommer bekam.
Die "Gesellschafter", das ist die Vitus-Gruppe mit Sitz in Mönchengladbach,
ein Zusammenschluss von fünf Unternehmen mit zusammen über 30.000
Immobilien. Bis 2004 gehörten sie dem Bremerhavener Milliardär Karl
Ehlerding, später fielen sie dem US-Kapitalfonds Blackstone zu. Kodré nennt
die vor Jahren privatisierte Bremische "nicht handlungsfähig". Eine gute
Zusammenarbeit, wie man sie mit der Gewoba pflege, "kann es mit der
Bremischen gar nicht geben". Sie habe ja niemanden, der vor Ort entscheiden
dürfe. Am Sacksdamm habe sich nie jemand blicken lassen. Dafür waren
SPD-Politiker da. Und haben darüber geschimpft, dass sich die Bremische
"dreist aus der Verantwortung zieht". Zwar hat die Waller
Beschäftigungsgesellschaft schon vergangenes Jahr Kaufinteresse bekundet.
Doch die Bremische lehnte ab.
16 Mar 2009
## AUTOREN
Jan Zier
Jan Zier
## TAGS
Sozialer Wohnungsbau
Wohnungsleerstand
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