# taz.de -- Verbraucherschützer warnen: Plastikflaschen machen weiblich | |
> Eine neue Studie zeigt, dass Mineralwasser aus PET-Flaschen Stoffe | |
> enthält, die wie Östrogene wirken. Die könnten die männliche | |
> Fruchtbarkeit schädigen, warnen Experten. | |
Bild: Machen PET-Flaschen Männer unfruchtbar? PET-Gegner und Industrie streite… | |
Verbraucher sollten wegen möglicher Gesundheitsrisiken auf Mineralwasser in | |
Flaschen aus dem Kunststoff PET verzichten. Diesen Rat geben Umwelt- und | |
Verbraucherschützer nach einer Studie der Universität Frankfurt am Main zum | |
beliebtesten alkoholfreien Getränk der Deutschen. "Die Wissenschaftler | |
haben Schadstoffe gefunden, die wie das weibliche Sexualhormon Östrogen | |
wirken", sagt die Chemieexpertin des Bundes für Umwelt- und Naturschutz | |
(BUND), Patricia Cameron. "Auch wenn das Ausmaß der gesundheitlichen | |
Gefährdung unklar ist, sollten Verbraucher vorsorglich Trinkwasser aus der | |
Leitung oder aus Mehrweg-Glasflaschen bevorzugen." Derweil sollten die | |
Behörden die vermuteten Gefahren mit weiteren Untersuchungen aufklären. | |
Auch der Vizegeschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch, | |
Matthias Wolfschmidt, empfiehlt den Konsumenten: "Kauft Glasflaschen!" | |
Beide Aktivisten fordern, hormonell wirksame Stoffe in | |
Lebensmittelverpackungen zu verbieten. Cameron nennt zum Beispiel bestimmte | |
Weichmacher, die Kunststoffe geschmeidig machen. | |
Die Warnungen betreffen den größten Teil des Mineralwassers, von dem jeder | |
Mensch in Deutschland im Schnitt 138 Liter pro Kopf trinkt. Denn dem | |
Verband Deutscher Mineralbrunnen nach wurden vergangenes Jahr 71 Prozent in | |
Flaschen aus PET verkauft. Schon weil die meisten PET-Flaschen nur einmal | |
verwendet werden, sind sie Umweltschützern ein Dorn im Auge. Und wenn sie | |
recycelt würden, dann nicht so oft wie Glasflaschen. Die Kunstoffindustrie | |
dagegen preist PET-Flaschen wegen ihres geringeren Transportgewichts als | |
umweltfreundlich. | |
Aber die Flaschen könnten auch die Gesundheit gefährden, argumentieren | |
PET-Gegner nun mithilfe der Studie des Frankfurter Biologen Martin Wagner. | |
"Wir konnten zeigen, dass die Östrogen-Belastung in Wasser aus PET-Flaschen | |
etwa doppelt so hoch ist wie in Wasser aus Glasflaschen." Als Beleg führt | |
er unter anderem einen Versuch an, bei dem Schnecken in den | |
Plastikbehältern rund 40 bis 120 Prozent mehr Embryos als in einem | |
Laborglas produzierten. Diese Ergebnisse könnten laut Wagner den lang | |
gehegten Verdacht verstärken, Weichmacher oder Katalysatoren der Verpackung | |
laugten ins Wasser aus. | |
Über Risiken für die Gesundheit schweigen sich die Forscher aus, denn noch | |
wüssten sie nichts über Aufnahme und Abbau dieser "Umwelthormone" in den | |
menschlichen Körper. "Aber ein gewichtiger Teil der Wissenschaft glaubt, | |
dass zum Beispiel der Rückgang der männlichen Fruchtbarkeit mit | |
Umwelthormonen zu tun hat", berichtet Wagner. Auch Krebs und | |
Entwicklungsstörungen bei Embryonen wurden mit diesen Stoffen in Verbindung | |
gebracht. Doch diese Ergebnisse sind in der Fachwelt umstritten. | |
Den großen Mineralwasser-Abfüllern reicht das aber noch nicht, um auf | |
PET-Flaschen zu verzichten. Das ergab eine taz-Umfrage bei Marktführern in | |
Deutschland, Danone, Nestlé und Coca-Cola. "Es ist unklar, wie die Wirkung | |
auf den Menschen ist", sagt zum Beispiel Sprecher Marcus Wanke von | |
Coca-Cola. "Das Problem kann auch in der unterschiedlichen Abfüllung des | |
Wassers liegen", ergänzt Geschäftsführer Rüdiger Baunemann vom Verband der | |
Kunststofferzeugenden Industrie. | |
Unterstützung bekommt die Branche vom Bundesinstitut für Risikobewertung, | |
das Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) unterstellt ist. Sprecher | |
Jürgen Kundke: "Ja, es muss geprüft werden, was da passiert. Aber jetzt | |
nach dem PET-Verbot zu schreien, das gibt die Studie nicht her." Der | |
Schneckenversuch sei keine international anerkannte wissenschaftliche | |
Methode. Weichmacher könnten nicht verantwortlich sein, weil PET ohne diese | |
Chemikalien hergestellt werde. | |
"Das stimmt ja offensichtlich nicht", kontert BUND-Expertin Cameron. Sie | |
zitiert vier Studien, in denen Weichmacher in PET nachgewiesen wurden. Und | |
der Schneckentest habe sich in der Vergangenheit als zuverlässig erwiesen, | |
sagt sie. | |
19 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
Jost Maurin | |
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Hormone | |
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