# taz.de -- wirtschaftsentwicklung in bremen-nord: Wollkämmerei out- was nun? | |
> Nach 125 Jahren wird die Wollproduktion in Blumenthal eingestellt. Was | |
> aus dem Gelände mit seinen Industriebauten wird, weiß niemand. Der Streit | |
> geht auch um die beiden Müllverbrennungsanlagen | |
Bild: Alte Backstein-Industriebauten machen den Charme des historischen Geländ… | |
Bei der Bremer Wollkämmerei (BWK) in Blumenthal werden noch | |
Ausrüstungsaufträge abgewickelt, aber es ist absehbar, "dass der Name BWK | |
Ende des Jahres hier verschwindet", sagt der Sprecher der BWK, Thomas | |
Bolte. Die Wollproduktion wurde schon Ende Februar eingestellt. Was wird | |
aus dem Gelände, aus dem Heizkraftwerk, was aus Chemie-Verbrennungsanlage | |
EFA? | |
Wenn es nach der "Unabhängigen Bürgerbewegung Blumenthal" geht, dann ist | |
die Sache klar: Die Verbrennungsanlagen müssen stillgelegt werden, sind die | |
doch nur für die BWK eingerichtet worden. "Dioxin" werde da freigesetzt, | |
die Normen zum Gesundheitsschutz fordern nur, dass die Schornsteine höher | |
gebaut werden, sagt Hartmut Schurr bitter. Es stinkt nach Aromastoffen, | |
wenn die Abwasser der chemischen Industrie verbrannt werden. Das | |
Firmengelände mit seinen historischen Bauten sei dabei wertvoll wie das | |
"Nordwolle"-Gelände in Delmenhorst: Die Bürgerinitiative kann sich hier | |
moderne Dienstleistungsunternehmen vorstellen, die das historische Ambiente | |
zu schätzen wissen und die Nähe zur Weser. Das insgesamt 40 Hektar große | |
Gelände direkt neben Wätjens Park werde geradezu entwertet durch die | |
Sondermüll-Verbrennungsanlagen. | |
In diesen Tagen soll eine "Lenkungsgruppe" erstmals zusammentreten, sagt | |
der Leiter des Bauamtes Bremen-Nord, Christof Steuer. Stadtplanung. | |
Wirtschaftsressort und Umweltressort wollen da ihre Vorstellungen | |
koordinieren. Die sind aber derzeit noch sehr vage. In Blumenthal stehen | |
die Unternehmen, die investieren wollen und brachliegende Flächen brauchen, | |
noch weniger Schlange als in Bremen-Stadt. Und da ist derzeit schon viel | |
Luft. "Es wird sehr lange dauern", schätzt Steuer und setzt darauf, das | |
"Blickfeld zu erweitern", die anderen Probleme in Blumenthal gleich mit zu | |
diskutieren. | |
Schon die Grundfrage, ob das Gelände - derzeit ohne Bebauungsplan - als | |
"Gewerbegebiet" oder als "Industriegebiet" ausgewiesen werden müsse, ist | |
derzeit offen und das heißt: umstritten. In Blumenthal gibt es 110.000 | |
Einwohner und 16.000 Arbeitsplätze, rechnet Bolte von der BWK vor - was der | |
Stadtteil brauche, sei ein Industrieunternehmen, das Arbeitsplätze schaffe. | |
Die BWK-Gesellschafter haben einen Makler eingeschaltet, um die 17 Hektar, | |
die noch im Besitz der australischen Mutter sind, an den Mann zu bringen. | |
Klar, das weiß auch Bolte: "Einfach wird es nicht". | |
Wenn ein Großer käme, könnte die Stadt kaum "Nein" sagen. Auch deswegen | |
haben die Stadtplaner Zeit: Erst wenn sich Ende des Jahres abzeichnet, dass | |
keiner kommt, der das Gelände industriell nutzen will, sind neue Ideen | |
gefragt. | |
Klaus Möhle, grüner Bürgerschaftsabgeordneter, denkt da schon weiter. "Die | |
Genehmigung der Verbrennungsanlagen hing doch an dem Betrieb der BWK", sagt | |
er. Also müssten die "Dreckschleudern" da weg. Der Wirkungsgrad eines | |
Heizkraftwerkes, das keine Heizwärme mehr verkaufen kann, sei eh schlecht. | |
Bremen hat für das Überleben der BWK nicht nur die | |
Sondermüll-Verbrennungsanlagen genehmigt, sondern der BWK vor Jahren auch | |
mehr als die Hälfte ihrer ungenutzten Flächen abgekauft - 15 Millionen Euro | |
konnten so in die Kasse der BWK geschleust werden. Eine "Investition" kann | |
man den Ankauf des Geländes nicht nennen - bis heute gibt es keine Idee, | |
welches Gewerbe man dorthin locken könnte. Auch im Industriepark | |
"Klöckner-West", zur Rettung des Stahlwerkes von dessen Eigentümern | |
angekauft, gibt es noch auf Vorrat erschlossene Gewerbeflächen satt. Zudem | |
locken Bremens Wirtschaftsförderer derzeit jeden, der vorbeikommt, in das | |
Überseehafen-Gebiet. "Einfach mal zehn Jahre abwarten" wäre also nicht die | |
schlechteste Lösung für das BWK-Gelände, sagt Klaus Möhle. Und wegen der | |
Verbrennungsanlagen, der "Eindampf- und Feuerungsanlage" (EFA) für flüssige | |
heizwertreiche Abfälle wie das Wollwaschwasser und das BWK-Heizkraftwerk, | |
das "Sekundärbrennstoffe" aus dem Müll im Landkreis Diepholz verbrennt, | |
laufe sowieso noch das Klageverfahren vor dem Oberlandesgericht. | |
Achim Behrend, Technischer Leiter der Abfallwirtschaft (AWG) Bassum, sieht | |
das natürlich anders. In Bassum werden brennwertreiche Stoffe aus dem | |
Hausmüll aussortiert, also Holz, Papier, auch Plastikfolien, das sei | |
wertvoller Brennstoff, der Steinkohle ersetzt in Blumenthal, sagt Behrend. | |
Die Luft sei sauberer geworden über Blumenthal, seitdem dort der Müll | |
verbrannt wird. 7,5 Millionen Euro hat die AWG in Blumenthal investiert, | |
die andere Hälfte kam von der BWK und das Heizkraftwerk sei genau auf die | |
Kapazität, die in Bassum anfalle, ausgerichtet. Den Brennstoff könne man | |
auch anderweitig verkaufen, etwa an das Mittelkalorik-Kraftwerk der SWB, | |
aber dafür gebe es keinen Grund - "wir haben eine unbefristete | |
Genehmigung". Für die Ökonomie der Anlage bei der BWK habe es zudem immer | |
einen "Plan B" gegeben - für den Fall, dass keine Heizwärme für die | |
Wollproduktion verkauft werden könne. Nur: Zu welchem Preis die | |
australische Elders-Gruppe ihren Anteil an der Brewa verkauft, ist offen. | |
Mit dem Umweltressort laufen derzeit Verhandlungen über den Ankauf von | |
Fernwärme - dafür müsste eine 2,5 Kilometer lange Dampfdruckleitung gelegt | |
werden. | |
Auch für die Chemiefaser-Produktion, die auf dem von der Stadt gekauften | |
Gelände stattfindet, suchen die australischen Gesellschafter noch einen | |
Käufer. | |
14 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
## TAGS | |
Bremen | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
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