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# taz.de -- Kommentar Iran: Die Revolution frisst ihre Enkel
> Die Nachgeborenen laufen der iranischen Revolution in Scharen davon. Die
> Reaktionen der angeschlagenen Machthaber lassen Schlimmstes für
> Verschwundete und Verhaftete befürchten.
Bild: Auf den Protesten, einen Tag vor seiner Verhaftung am 16. Juni: M. Ali Ab…
In diesen Tagen füllen sich im Iran die Gefängnisse. In den Kellern des
Innenministeriums oder im Evin-Gefängnis werden die zu Tausenden
Verhafteten gefoltert. Dort wurden schon zu Zeiten des Schahs die Menschen
zu Tode gequält. Nur in viel geringerer Zahl als nach 1979 unter der
islamistischen Diktatur.
Die Medien des Regimes sprechen nun von 645 Verhafteten. Man weiß, was das
zu bedeuten hat. In den Achtzigerjahren wurden zehntausende Oppositionelle
im Iran ermordet. Als Vorwand dienten zumeist nationalistische
Verschwörungstheorien, die die Islamische Republik nach 1979
zusammenhielten. Deren Strahlkraft ist heute erloschen - Bush ist weg,
Saddam ist weg, die Wirtschaft liegt danieder -, der Bruderkampf ist von
daher schon seit längerem eröffnet. Mussawi, Chatami und die iranischen
Massen fühlen sich weniger von Israel und Barack Obama bedroht oder
hintergangen als von den eigenen religiös-politischen Machthabern.
Teheran gleicht in diesen Tagen einer belagerten Stadt. Die vom Land und
aus den Vorstädten zusammengekarrten Basidschi, die paramilitärischen
Garden, rekrutieren sich in der Masse aus einfachen, jungen Männern. Diesen
steht symbolisch unübersehbar eine Vielzahl junger, städtischer Frauen
gegenüber. Sie sind das sichtbarste Zeichen der Zeitenwende im Iran. Auch
wenn die Islamisten sie noch einmal von der Straßen prügeln, ihre Zeit wird
kommen. Der Revolution laufen die Nachgeborenen in Scharen davon.
Die panische Willkür und terroristische Grausamkeit, mit der die
angeschlagenen Machthaber jetzt reagieren, lassen auf Schlimmstes für die
jetzt Verschwundenen und Verhafteten schließen. Vor Mord und Folter sind
auch Prominente nicht gefeit. Die vorübergehende Verhaftung der Tochter von
Haschemi Rafsandschani war eine deutliche Warnung. An die Moral von Leuten
wie Ahmadinedschad oder Ali Chamenei zu appellieren, ist da wenig
vielversprechend. Sie sind es gewohnt, sich gewaltsam durchzusetzen. Es ist
in ihren Augen ohnehin das Blut Minderwertiger, Ungläubiger, das fließt.
Sie denken feudalistisch und stehen nun mit dem Rücken zur Wand.
Wer soll dieses Regime stoppen? Wie werden die anderen Geistlichen und die
hinter Mussawi stehenden oppositionellen Machteliten nun reagieren? Werden
sie sich mit der Bewegung und den Opfern weiterhin solidarisieren? Oder
fürchten sie doch nichts mehr als den Weg aus der Islamischen Republik und
die Transformation zu rechtsstaatlichen Verhältnissen?
Noch haben die Kräfte um Chamenei die organisierten und bewaffneten
Repressionskräfte hinter sich. Und sie setzen rücksichtslos auf Terror, um
die Opposition abzuwehren. Im In- und Ausland soll man gerade so viel davon
erfahren, dass man weiß, dass blutige Tage angebrochen sind. Möglichst
anonym und ohne Gesichter. Schauen wir genau hin und lassen wir sie damit
nicht durchkommen.
24 Jun 2009
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
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