# taz.de -- Besuch in der umstrittenen Disko: Eine ruhige Nacht im Jeton | |
> Vor einer Woche schlugen rechtsextreme Gäste des Jeton in | |
> Berlin-Friedrichshain einen Mann fast tot. Nun ist der Laden nahezu leer. | |
Bild: Polizei und Demonstranten am Samstag vor der Diskothek Jeton | |
„Sicherheitskontrollen?“, Ronny Berkahn steht achselzuckend im Eingang | |
seiner Diskothek. „Sie sehen ja selbst, was hier los ist.“ Nichts ist los. | |
Es ist Freitgnacht, die beste Zeit für Clubs. Doch ins Jeton an der | |
Frankfurter Allee will um Mitternacht niemand rein. Gerade kamen zwei | |
breitschultrige Typen raus. Polizisten, die die Lage gecheckt haben. | |
„Das war doch klar, nach der ganzen schlechten Presse“, sagt Berkahn. Vor | |
einer Woche hatten vier Rechtsextreme einen 22-jährigen Linken fast | |
totgetreten. Die Schläger waren Gäste des Jeton, sagt die Polizei. | |
Dienstagnacht hatten dann rund 200 Linke das Jeton mit Steinen angegriffen. | |
Im Viertel gilt die Disko seit langem als Anlaufpunkt für Rechte. | |
Der Türsteher ist ein Zwei-Meter-Typ. Er trägt schwarzes Shirt, schwarze | |
Hose, Glatze. „Klar, dass wir unseren Ruf nicht loswerden, wenn niemand | |
über das hier schreibt“, sagt er und kramt den Spielplan eines | |
Fußballturniers „gegen Rassismus“ raus. Das „Team Jeton“ trifft dort u… | |
anderem auf das „Team Angola“ und auf die „Iron Devils United“, eine | |
multinationale Freizeitmannschaft von FC-Union-Berlin-Fans, die ihren | |
Sommercup am 25. Juli zum siebten Mal veranstaltet. Das Jeton ist einer der | |
Sponsoren, nebem dem Bündnis für Demokratie und Toleranz. „Für Betreiber | |
und Belegschaft des Jeton lege ich mein Hand ins Feuer“, sagt Stephan | |
Stiller, der Organisator des Sommercups, „das sind definitiv keine Nazis“. | |
Über die Besucher der Disko könne er nichts sagen. | |
Der dritte Stock des Jeton ist mangels Nachfrage in dieser Nacht | |
geschlossen. Die Chillout-Area im zweiten Stock ist offen, aber leer. Nur | |
im ersten Stock, dem Mainfloor, sitzen zwölf Besucher. Zwei sind von der | |
Presse. Die Tanzfläche wird ab und an zugenebelt. Ein Laser zuckt. Der DJ | |
spielt Discomucke. Bei Michael Jackosn verlassen die letzten Unermüdlichen | |
die Tanzfläche. | |
„Schlechte Presse? Ich hab gar nichts mitbekommen“, sagt mit ein Gast mit | |
badischem Akzent. Frisur und Schnurrbart erinnern ein wenig an den | |
verstorbenen Queen-Sänger Freddie Mercury. Er komme aus Freiburg und sei | |
vor drei Monaten zuletzt hier gewesen. Ihm habe im Jeton immer gefallen. | |
„Aber deswegen bin ich doch kein Rechter“, wiederholt er mehrmals. | |
„Freigetränke Party“ heißt das verlockende Konzept. Für 13 Euro Eintritt | |
gibt es bis 4 Uhr früh Bier, Sekt und Mixgetränke bis zum Abwinken. Eine | |
Fünfergruppe junger Männer trinkt Wodka mit O-Saft. Gern auch auf Ex. | |
„Sieht so ein Nazi aus?“, fragt ein Typ mit Basecap und schiebt seinen | |
Kumpel vor. Hätte der Thor-Steinar-Klamotten an, wäre die Antwort | |
einfacher. Er trägt ein weißes Shirt über dem muskulösen Körper, strenge | |
Gesichtszüge, raspelkurzes Haar, trübe Augen. „Was heißt schon Nazi? Der | |
erste Nazi war ein Neger!“ sagt der Shirt-Träger. Der Basecap-Typ schiebt | |
ihn mit einem Griff ins Gesicht zu Seite: „Der ist besoffen. Der redet nur | |
Quatsch.“ | |
## „Klar, gibt's hier Nazis“ | |
Klar gebe es auch Nazis unter den Besuchern, sagt der Basecap-Typ später. | |
Vielleicht fünf Prozent der Gäste in normalen Nächten. Aber auch | |
„Ausländer“. Die meisten Besucher aber seien „einfache BFC-Hools“. Der | |
Fußballclub BFC Dynamo hat wegen seiner rechtslastigen Fans einen | |
schlechten Ruf. „Aber hier drin passiert nichts“, versichert der | |
Basecap-Typ. „Nicht einmal mir, dabei bin ich Union-Fan“, sagt er und zeigt | |
das „Eisern Union“-Shirt unter seinem Pulli. Er selbst habe vor ein paar | |
Jahren drei Monate in U-Haft gesessen, „als Linker“, wegen eines | |
Flaschenwurfs bei einer Walpurgisnacht. „Du glaubst mir nicht. Aber wenn du | |
nochmal kommst, bring ich meinen Haftbefehl mit.“ | |
Eine Nacht später ist der Andrang vorm Jeton deutlich größer. Hinter den | |
drei Polizei-Wagen, die seit der Demo am frühen Abend dort parken, hat sich | |
eine kleine Warteschlange gebildet. „Mit Springerstiefel lass ich niemanden | |
rein“, sagt der Türsteher. Aber er könne nicht auf jedes T-Shirt achten. | |
Dass Gäste auf der Tanzfläche den Hitlergruß gezeigt haben, wie Bilder im | |
Internet beweisen, verneint er. Aber er habe schon mal Nazis | |
rausgeschmissen, weil sie „so Sachen“ gemacht hätten. „Wenn ich wüsste, | |
dass die so einen Scheiß machen, wie letzten Sonntag, würde ich denen sogar | |
auf die Straße nachrennen“, versichert der Türsteher. „Aber woher soll ich | |
das wissen?“ | |
20 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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