# taz.de -- Verdi-Expertin über Flatrate-Bordelle: "Ein ziemlich normaler Lade… | |
> Mit den Angriffen auf die Pussy-Clubs wird die Stimmung angeheizt, um das | |
> Prostitutionsgesetz anzugreifen, vermutet Emilja Mitrovic, | |
> Verdi-Prostitutionsexpertin. | |
Bild: Emilija Mitrovic: "Das erinnert schon an die Razzien vor der WM, als es a… | |
taz: Frau Mitrovic, "Alles ist möglich, Analsex inclusive. So lange, so oft | |
und wie du willst". So wirbt der Pussy Club in Stuttgart-Fellbach um | |
Kunden. Ist das in Ordnung? | |
Emilija Mitrovic: Solche Art von Werbung ist widerlich, frauenfeindlich, | |
sexistisch. Ein Fall für den Werberat. | |
Sie suggeriert, dass die Frauen, die dort arbeiten, kein Mitspracherecht | |
mehr bei den Praktiken haben. | |
So kann das nicht gemeint sein. Es bedeutet, dass im Club sämtliche | |
Praktiken angeboten werden, aber sicherlich nicht von allen Frauen. | |
Natürlich kann die einzelne Frau dann immer noch einzelne Praktiken | |
ablehnen. Natürlich kann keine Frau und kein Mann gezwungen werden, | |
bestimmte sexuelle Dienstleistungen auszuüben. Das steht explizit so im | |
Prostitutionsgesetz. | |
Ist die Werbung dann nicht eine Kundentäuschung? | |
In der Regel wissen die Kunden auch, dass das eine überzogene Werbung ist. | |
Es ist alles möglich heißt nicht, dass alle alles anbieten. | |
Der Landesfrauenrat in Baden-Württemberg sagt: So eine Flatrate ist | |
gleichbedeutend mit Vergewaltigung. Hat der Verband da etwas | |
missverstanden? | |
Ich denke, dass der Landesfrauenrat etwas zu schnell reagiert hat. Es | |
scheint auch eine Art Doppelmoral durch, wenn der Rat fordert, dass die | |
Würde der Prostituierten im Prostitutionsgesetz besonders geschützt werden | |
solle. Der Schutz der Menschenwürde steht bei uns im Grundgesetz. Warum | |
brauchen Prostituierte einen besonderen Schutz? Hier werden Sondergesetze | |
gefordert für eine Gruppe, die nicht der Norm entspricht. Das ist immer | |
gefährlich. | |
Die Betreiberin des Pussy-Clubs und ihre Mitarbeiterinnen wehren sich. Sie | |
sagen, die Arbeitsbedingungen in ihrem Club seien besser als anderswo. | |
Stimmt das? | |
Das kann ich nicht beurteilen, ich war nicht dort. Aber generell höre ich | |
oft Klagen, dass es etwa in FKK-Clubs, aus denen die Frauen wohl zum Teil | |
kamen, schlechter ist: Dort muss man die ganze Arbeitszeit nackt sein, das | |
empfinden viele als wenig angenehm. | |
Nun wurden Razzien wegen einer angeblichen Veruntreuung von Sozialabgaben | |
durchgeführt. Wie werten Sie das? | |
Naja. Da die Frauen angeben, sie seien Subunternehmerinnen mit | |
zweimonatigen Honorarverträgen, können sie ja eigentlich nicht angestellt | |
sein. Da würden schon mal keine Sozialabgaben anfallen, die dann auch nicht | |
unterschlagen werden können. Das ist extrem widersprüchlich. | |
Nun wurden zwei Pussy-Clubs geschlossen, allerdings aus Hygiene-Gründen. | |
Ja, aber ob man für Hygiene-Kontrollen eine bundesweite Razzia mit 700 | |
Beamten gebraucht hätte, das ist doch ein bisschen fraglich. Für solche | |
Kontrollen ist eigentlich das Ordnungamt zuständig. Mir scheint der | |
Pussy-Club ein für das Rotlicht-Milieu ziemlich normaler Laden zu sein. | |
Stefanie Klee vom Bundesverband sexuelle Dienstleistungen vermutet, die | |
Razzien seien politisch motiviert. Die CDU brauche etwas Dampf für den | |
Wahlkampf. | |
Der Zeitpunkt dieser Razzien ist schon sehr merkwürdig. Kurz zuvor hatte es | |
noch geheißen, die Polizei habe diese Clubs mehrfach überprüft und nichts | |
gefunden. Nun heißt es, die Razzien seien lange geplant und vorbereitet | |
gewesen. Das erinnert schon an die Razzien vor der WM, als es auch galt, | |
polizeiliche Präsenz zu zeigen. Das Ergebnis war dann sehr mager. Der | |
Verdacht liegt nahe, dass nun erneut die Stimmung erst künstlich aufgeheizt | |
wird, damit man nun das Prostitutionsgesetz angreifen kann. Dass | |
Frauenorganisationen dabei mitmachen, finde ich sehr schade. | |
29 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
Heide Oestreich | |
## TAGS | |
Verdi | |
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