# taz.de -- Betreiber Karsten Schölermann zum Clubsterben: "Ruinierte Existenz… | |
> Die Clubs unter der Sternbrücke müssen schließen. Ein Gespräch mit | |
> Karsten Schölermann über die kulturelle Passion der Betreiber und die | |
> Förderpolitik der Stadt. | |
Bild: Hat es längst hinter sich: Der legendäre Star-Club wurde 1986 abgerisse… | |
taz: Herr Schölermann, vermutlich machen jetzt mit dem Waagenbau, der | |
Astra-Stube und dem Fundbureau drei wichtige Clubs zu. Was bedeutet das für | |
Hamburg? | |
Karsten Schölermann: Erstmal steht Hamburg noch vergleichsweise gut da. Die | |
mittlere Fluktuation, also der Zyklus, in dem ein Club öffnet und wieder | |
schließt, ist hier mit sieben Jahren nicht ganz so dramatisch wie in Berlin | |
oder München. Ansonsten ist das Stichwort "Clubs machen zu" ein | |
begleitendes Merkmal der hiesigen Clublandschaft und das ungefähr seit 25 | |
Jahren. | |
Was sagen die Kulturpolitiker dazu: | |
Meistens nur: "Das ist halt so." Was wir natürlich überhaupt nicht so | |
sehen. Wir weisen darauf hin, dass am Ende immer ruinierte Existenzen | |
dastehen, Menschen, die ihr Privatkapital verloren haben, oder mit extrem | |
hohen Schulden als Steuerflüchtlinge aus dem Land gejagt werden. | |
Was muss sich ändern? | |
Fast alles. Zuerst die Einschätzung unserer Tätigkeit, etwa dass man uns | |
als Diskothekenbetreiber sieht, die sich die Taschen voll stopfen, Drogen | |
nehmen und schlechte Kaufleute sind. Musikclubs sind aber keine | |
kommerziellen Betriebe, es sind Kulturbetriebe - die bislang nur | |
funktionieren, weil es Menschen gibt, bei den die kulturelle Passion den | |
Sieg über die Selbsterhaltung davon trägt. Es ist strukturell unmöglich, | |
mit Musikclubs Geld zu verdienen. Es gibt sie nur, weil es Selbstausbeutung | |
gibt. | |
Wie kommt das? | |
Wir leiden unter Strukturlasten, die kein anderes Kulturgewerbe hat. | |
Quellensteuer, Abgaben an die Künstlersozialkasse oder die Gema-Gebühren: | |
Wir werden in einem Tarif eingeordnet, der für Tanzmusik in Hotelfoyers | |
geschaffen wurde. Wir machen aber keine Unterhaltung, wir machen | |
Präsentation. Wir halten Kulturressourcen vor. Wir bilden Nachwuchs aus, | |
auch den der Gema und werden dafür bestraft. | |
Nun hat sich Schwarz-Grün eine neue Förderpolitik auf die Fahnen | |
geschrieben. | |
Ja, nachdem wir uns den Grünen an den Hals geschmissen haben. Das war eine | |
Verzweiflungstat der Clubs, die jetzt Früchte tragen könnte… | |
…mit dem Gema-Livemusikfonds, der den Clubs die Gebühren erstatten soll. | |
Das Modell ersetzt die abstrusen Clubprämien für das angeblich beste | |
Programm, die in den letzten Jahren die Musiklandschaft mehr zerstört als | |
unterstützt haben. Es ist aber nur ein erster Schritt. | |
Jetzt gründet die Kulturbehörde gerade eine "Kreativagentur", die unter | |
anderem Immobilien vermitteln will. | |
Das halte ich für den falschen Ansatz. Gäbe es einen militanten | |
Bestandsschutz, wäre das Problem der Ausweichimmobilie hinfällig. Jetzt zum | |
Beispiel: Wieso kommt die Bahn nicht auf die Idee, zwei, drei Millionen | |
mehr auszugeben und eine Konstruktion zu finden, die die Clubs an der | |
Sternbrücke erhält? Wieso kann die Bahn überhaupt darüber nachdenken, | |
Stützpfeiler durch die Clubs zu bauen? | |
Weil ihr die Immobilien gehören. | |
Und? Jede Spinatwachtel ist per Naturschutz geschützt, warum kulturelle | |
Räume nicht? Sind sie es nicht wert? Ich dachte, es habe sich langsam | |
herumgesprochen, dass an diesen Stellen junge Leute davon abgehalten | |
werden, Vattenfall-Autos anzuzünden. | |
20 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Maximilian Probst | |
Maximilian Probst | |
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Clubszene | |
Hamburg | |
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