# taz.de -- Cohn-Bendit über Saarland-Grüne: "Der Ulrich ist ein Mafioso" | |
> Nach dem Entscheid für Koalitionsgespräche mit CDU und FDP kritisiert der | |
> grüne EU-Abgeordnete Cohn-Bendit den grünen Saarland-Chef scharf. Eine | |
> Minderheitenregierung wäre besser gewesen. | |
Bild: "Das Saarland ist inhaltlich irrelevant" | |
taz: Wie beurteilen Sie die Entscheidung der Grünen im Saarland für | |
Jamaika? | |
Daniel Cohn-Bendit: Man darf die Saarland-Geschichte nicht überschätzen, | |
sie wurde letztlich von sehr speziellen Personen entschieden. Saarlands | |
Grünen-Chef Hubert Ulrich halte ich seit langem für eine zweifelhafte | |
Persönlichkeit. Er ist ein Mafioso. | |
Wie bitte? | |
Er hat die Partei auf sich zugeschnitten. Wenn die Hälfte der | |
Parteimitglieder aus dem Kreisverband des Landesvorsitzenden kommt, ist das | |
ein Problem. Das erinnert doch an Sizilien. Ich halte auch das Argument | |
gegen Rot-Rot-Grün, durch Lafontaines Rückkehr drohe ein | |
Schattenministerpräsident, für vorgeschoben. Natürlich hatte sich Ulrich | |
schon vor der Nachricht, dass Lafontaine den Fraktionsvorsitz im Bund | |
abgibt, für Jamaika entschieden. | |
Was hätten sie statt Jamaika tun müssen? | |
Die Grünen sind im Saarland nicht stark genug für die Regierung, sie | |
stellen im Parlament nur drei Abgeordnete. Sobald sie den Koalitionsvertrag | |
unterschrieben haben, werden sie nicht mehr existent sein. Besser wäre | |
gewesen, eine Minderheitsregierung aus CDU und FDP oder SPD und Linken zu | |
stützen. Dann wären die Grünen jahrelang ein machtpolitischer Faktor | |
geblieben, keine Entscheidung hätte ohne sie getroffen werden können. | |
Das heißt, die erste Jamaika-Koalition Deutschlands hat keinerlei | |
Signalwirkung? | |
Richtig. Das Saarland ist das Saarland ist das Saarland. | |
Wirklich? Die Grünen positionieren sich als Scharnierpartei in der Mitte, | |
die sowohl mit Schwarz-Gelb als auch mit Rot-Rot funktionstüchtig ist. | |
Mag sein. Die Realität ist immer ein Signal, zugegeben. Aber das Saarland | |
ist inhaltlich irrelevant. Das wichtige Ereignis ist die Landtagswahl | |
Nordrhein-Westfalen, hier kommt es darauf an, eine gesellschaftliche | |
Position gegen das Schwarz-Gelb-Modell aufzubauen. | |
Die Linken können jetzt in NRW plakatieren: Wer grün wählt, wird sich | |
schwarz ärgern. Kommt nicht zu einer Polarisierung zwischen Grünen und | |
Linken? | |
Ja, das könnte die Linke tun. Aber Debatten auf der Wahlkampfebene führen | |
nicht weiter. Sie garantieren, dass Schwarz-Gelb der Sieger für lange Zeit | |
bleibt. Grüne und Linke haben eine historische politische Verantwortung, | |
sie müssen die Diskussion rationalisieren. Und sich fragen: Was können wir, | |
jede Partei für sich, einbringen, wenn es gilt, Ökologisierung und soziale | |
Frage zusammenzudenken? | |
Durch eine 5-Parteien-Landschaft und die stetige Abfolge von Landtagswahlen | |
ergibt sich doch eher eine Dauertaktiererei. | |
Das ist in der Tat eine Gefahr. Doch ich bin fest davon überzeugt: Es wird | |
nicht reichen, in den letzten Monaten vor der nächsten Wahl zu rufen, bäh, | |
Schwarz-Gelb hat alles falsch gemacht. Stattdessen müssen gerade Grüne und | |
Linke ab sofort einen alternativen Entwurf aufbauen, weil Schwarz-Gelb bei | |
den entscheidenden Fragen die falschen Antworten gibt. Dieser Dringlichkeit | |
muss sich Taktiererei unterwerfen. | |
In NRW wird der linke grüne Landesverband im Zweifel vor allem der SPD | |
Stimmen rauben. Wie soll da eine rot-rot-grüne Mehrheit gewonnen werden? | |
Die Sozialdemokraten haben das Bundesland zu lange als ihr Eigentum | |
betrachtet. Die SPD muss sich bewusst machen, dass sie die Stärkste der | |
Drei sein wird. Aber sie muss aufhören zu glauben, sie sei eine | |
40-Prozent-Partei. Jede der drei Parteien bringt bestimmte Inhalte ein, und | |
über diese sollte es im Vorfeld der Wahl eine breite gesellschaftliche | |
Debatte geben, an der Gewerkschaften, Umweltverbände, Bürgerinitiativen und | |
Migrantenorganisationen beteiligt sind. Dann wird die alternative Mehrheit | |
zwar nicht selbstverständlich, aber eine reale Option. | |
12 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
Ulrich Schulte | |
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