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# taz.de -- Kriminologe Christian Pfeiffer zu linker Gewalt: "Brennende Autos h…
> Hinter den Anschlägen auf Pkws vermutet Christian Pfeiffer, Direktor des
> Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, vor allem ganz
> normale Brandstifter. Politisch könnten sie nichts bewegen
Bild: "Jede neue Tat bedeutet eine Luststeigerung": Der Kriminologe Christian P…
taz: Herr Pfeiffer, haben Sie ein Auto?
Christian Pfeiffer: Ja. Ich besitze einen neun Jahre alten Audi A4.
Wie würden Sie es finden, wenn den Audi jemand anzündet?
Ich wäre tief betroffen. Ich liebe dieses uralte Auto mit all seinen
Runzeln und Schrammen. Deshalb lasse ich die Lackschäden auch bewusst nicht
reparieren. Außerdem würde ich eine finanzielle Einbuße erleiden, weil man
von der Versicherung kein vergleichbares Auto erstattet bekommt.
In Berlin werden sei geraumer Zeit Brandanschläge auf Autos verübt. Zum
Teil handelt es sich um sogenannte Nobelkarossen und Firmenwagen, zum Teil
sind ganz normale Durchschnittswagen betroffen. Halten Sie es für
politisch, Autos aus Protest gegen die Verhältnisse anzuzünden?
In Hamburg gibt es ein ähnliches Phänomen. In meinen Augen ist das null
politisch. Es ist nur eine Befriedigung der politischen Ohnmacht und sonst
gar nichts. Leute, die auf so etwas verfallen, haben nicht begriffen, wie
Politik heutzutage beeinflusst wird.
Merkwürdigerweise gibt es kaum Bekennerschreiben zu den Brandanschlägen.
Bekennerschreiben sind für Täter immer ein Risiko. Egal wie man es macht -
immer sind darin Hinweise enthalten. Aber ich bezweifle, dass das alles
linksextreme, politische motivierte Täter sind. Bei den Nobelkarossen mag
das teilweise so sein. Aber bei den Otto-Normalverbraucher-Autos kann ich
mir das nicht vorstellen. Für einen Linken wäre es hirnrissig, das Auto
eines Arbeitslosen anzuzünden und zu hoffen, dass daraus irgendein
revolutionäres Potenzial erwächst.
Was ist Ihre Vermutung?
Ich vermute, dass es sich um ganz normale Brandstifter handelt. Vielleicht
hat sich der ein oder andere durch die Taten der sogenannten politischen
Akteure anstacheln lassen.
Was kennzeichnet einen normalen Brandstifter?
Brandstifter sind meistens Serientäter. Jede neue Tat bedeutet eine
Luststeigerung. Macht ausüben. Manche haben sogar ein Hochgefühl,
vergleichbar einem Orgasmus, wenn sie aus sicherer Entfernung den Anblick
der Flammen und die Aufregung genießen. Dieses Tatütata, wenn Polizei und
Feuerwehr kommen und sich überall die Fenster öffnen.
Was für einen sozialen Hintergrund haben solche Leute?
In der Regel handelt es sich um Menschen, die in ihrem Leben nicht allzu
erfolgreich sind; die kompensieren müssen, dass sie im Alltag eher
ohnmächtig und isoliert sind. Primär sind das gescheiterte, schwache
Menschen, die über das Feuererlebnis die Lebensintensität spüren wollen,
die ihnen abhandengekommen ist, oder die sie nie erlebt haben.
Und wie verhält es sich bei den politischen Brandstiftern?
Die hängen ein politisches Mäntelchen darüber. Letztlich sind das doch auch
Leute, die ihre Ohnmacht kultivieren, die die kleinen Machterlebnisse
brauchen, weil ihnen nichts Besseres einfällt.
Von Teilen der linken Szene wird das reihenweise Abfackeln von Autos als
zulässiger Protest gegen die Gentrifizierung verteidigt.
Leute, die politisch motiviert einen Porsche anzünden, mögen die Illusion
haben, sie würden damit die Reichen verunsichern. Aber nicht ernsthaft. Der
neue Porsche ist sofort bestellt - vollkaskoversichert. Die Einzigen, die
dadurch beglückt werden, sind die Taxifahrer, weil das Opfer eine Weile
keinen fahrbaren Untersatz hat.
Auf einem linksradikalen Forum im Internet findet sich der Slogan: Ein
brennendes Auto eine Straftat - 100 brennende Autos eine politische Aktion.
Das sind dumme Sprüche. Tatsächlich wird durch das Anzünden der Autos im
konstruktiven Sinne überhaupt nichts bewegt. Erzeugt wird in der
Bevölkerung ein Klima der Verunsicherung, das eher den Rechten Zulauf
bringt, nicht denen, die linksradikal vor sich hin träumen.
Warum gerade den Rechten?
Die Bevölkerung ist durch die brennenden Autos verunsichert. Eine derartige
Verunsicherung führt bei vielen Menschen zu einem starken Verlagen nach
Sicherheit und Ordnung. Das hilft traditionell den Rechten.
Was raten Sie der Berliner Polizei?
Was die Brandanschläge auf die Nobelkarossen betrifft, wäre
Standardmethode, einen V-Mann in diese Szene einzuschleusen.
Die linksradikale Szene ist ziemlich abgeschottet.
Das ist schwierig, aber nicht erfolglos. Es gibt V-Leute auch gegenwärtig
schon in der linken Szene. Die sperren ihre Ohren auf, erfahren aber bisher
offenbar nichts.
Und wie sollte man versuchen, den normalen Brandstiftern beizukommen?
Man kann nicht an jeder Straßenecke einen Zivilbeamten postieren. Aber man
kann die Bevölkerung zur aktiven Wachsamkeit und Kooperation auffordern.
Oftmals ist es der berühmte Kommissar Zufall, der hier den Durchbruch
schafft. Die Berichterstattung feuert zusätzlich an. Die Presse sollte
versuchen, die Opfer in den Vordergrund zu stellen: die berufstätige,
alleinerziehende Mutter, die ihre Kinder mit den öffentlichen
Verkehrsmitteln in den Kindergarten bringen muss, weil ihr Kleinwagen
ausgebrannt ist. Die Medien sollten aus den Tätern keine Helden machen.
Jede Schlagzeile erhöht den Männerstolz.
Wollen Sie damit sagen, die Brandstifter sind alle Männer?
Vorsätzliche Brandstifter sind in der Regel ungebundene junge Männer im
Alter zwischen 16 und 30 Jahren. Nur 11 Prozent der von der Polizei
registrierten Tatverdächtigen sind Frauen, und die sind dann oft nur
Mitläuferinnen - zum Schmierestehen zum Beispiel. Frauen verarbeiten
Ohnmachtsgefühle, Selbstwertkrisen und Niederlagen eher konstruktiver als
Männer und seltener durch nach außen gerichtete Aggression.
14 Nov 2009
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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