# taz.de -- Pro und Contra Diekmann-Plastik: Wie viel Schwanz muss sein? | |
> Ein Wandfries von Peter Lenk an der Fassade der taz in Berlin | |
> polarisiert. Muss die Plastik eines nackten Kai Diekmann mit meterlangem | |
> Penis an der Wand hängen? | |
Bild: Unter zwei prallen Hoden das Tagwerk beginnen: Fassade der taz mit Kai-Di… | |
Ja, sie muss: | |
Die Kunstfreiheit hat Grenzen, aber die sind weit. Kunst, auch die | |
politische, darf die Menschenwürde nicht verletzen. Sie sollte klug sein | |
und klar in der Aussage. Auch gut sollte sie sein, aber schon das ist bei | |
moderner Kunst Geschmackssache. Innerhalb dieser weiten Grenzen darf Kunst, | |
wie Satire, alles. | |
Das neue Kunstwerk von Peter Lenk am taz-Gebäude verletzt nicht die | |
Menschenwürde, es ist klug, klar in der Aussage - und es ist meiner Ansicht | |
nach gute Kunst (aber das ist Geschmackssache). Warum also sich darüber | |
aufregen? Kunstfreiheit beweist sich im Konkreten. | |
Lenk hat, unübersehbar, einen Hang zum Derben. Aber dieses Derbe weist | |
immer über sich hinaus und hat meist eine politische Aussage. Ein Beispiel | |
dafür ist etwa die kichernde, nackte Merkel („Ludwigs Erbe“) in | |
Ludwigshafen. Lenk macht sich mit Hilfe von Nacktheit lustig über (hohle) | |
Autoritäten. Das ist politisch und durchaus ein vornehme Aufgabe von Kunst. | |
Lenks drastisches Spiel mit Kai Diekmann thematisiert dessen einschlägige | |
Geschichte mit der taz. Der Bild-Chefredakteur hat, als medienpolitisch | |
Mächtiger, in der Regel wehrlose Menschen in ekelhafter, meist | |
sexualisierter Weise in ihrer intimsten Verletzlichkeit Jahre lang für | |
billige Schlagzeilen missbraucht, ihre Menschenwürde verletzt. Deshalb | |
stand in der taz ein Text, der ihn angriff, derb, aber so hart wie nötig. | |
Lenk greift in seinem Kunstwerk diesen Konflikt auf und erinnert daran, | |
dass „Genosse“ Diekmann sich seit Ende des jahrelangen Verfahrens trotz | |
Anbiedereien an die taz in Sachen sexualisierter und menschenverachtender | |
Schlagzeile um keinen Deut gebessert hat. Das ist politisch. Und das ist | |
Kunst. | |
Übrigens: Phalli und deftige Bilder von Sexualität gehören zur Kunst seit | |
ungefähr 5.000 Jahren. Der Macho Picasso zeigte sie, aber auch Damen wie | |
Herlinde Koelbl. Selbst der Auferstandene wurde in der Renaissance schon | |
mit einem Ständer dargestellt - als Hinweis auf seine Vitalität und volle | |
Leiblichkeit. Prüder als fromme Renaissance-Künstler sollten wir nicht | |
sein. PHILIPP GESSLER | |
Nein, muss sie nicht: | |
Geht es nach dem Künstler Peter Lenk, dann soll ich mein Fahrrad jetzt für | |
zwei Jahre jeden Morgen unter einem sechs Meter langen Pimmel abschließen. | |
Unter zwei recht prallen Hodensäcken also mein Tagwerk beginnen. Was für | |
eine klägliche Provokation. Wie öde. Und sie wird auch nicht dadurch | |
unterhaltsamer, dass Bild-Chef Kai Diekmann als Eigentümer dieses | |
Körperauswuchses auszumachen ist. | |
Ich habe schlicht keine Lust auf diese aufgeblasene Spießigkeit, die sich | |
um den ewig traurigen Männermachtkampf dreht: Wer nun hat den Längeren? | |
Mann, diese Diskussionen sind mindestens von vorgestern, Tabubrüche kommen | |
nicht mehr in Schwanzform daher. Es gibt Bild und es gibt die taz. Und wir | |
kämpfen mit Esprit und nicht um Zentimeter. | |
Die taz versucht täglich, mit seriösem, unabhängigem Journalismus die | |
Agitationen des Boulevard zu konterkarieren. Gerade auch, indem wir uns um | |
andere Themen kümmern als Sex, Potenz und Totschlag. Das verstehen wir | |
unter Pressefreiheit. | |
Warum also im Jahr 2009 Kai Diekmann und seiner Gemächtigkeit einen solch | |
prominenten Platz einräumen? | |
Die einzige Erklärung ist, dass der Kunstschaffende offensichtlich ein | |
tiefes Männerproblem mit dem Kunstgegenstand teilt: Wer hat denn jetzt den | |
Längeren? Mein Problem ist das nicht, und auch die taz hat keinen Grund, | |
sich das auf ihre Hauswand aufdrücken zu lassen. | |
Die taz kommuniziert nicht nur über das gedruckte Wort mit ihren | |
LeserInnen, sondern transportiert Botschaften auch über ihre Hauswand. | |
Deshalb geht es auch nicht um die Freiheit der Kunst, sondern um die | |
Gewichtung von Themen. Und bitte: Kai Diekmans Erektionsprobleme sind | |
publizistisch von sehr nachgeordneter Relevanz. | |
Ob peinlich oder prüde, das ist nicht das Thema beim Streit um diese | |
taz-spezifische Weihnachtsdeko. Die Frage ist, warum die taz ihre so hübsch | |
zentral gelegene Hauswand einer so plumpen Retro-Auseinandersetzung zur | |
Verfügung stellen sollte? Deshalb: Wieder einpacken. INES POHL | |
17 Nov 2009 | |
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