# taz.de -- Skulptur empört CDU: Nackte Kanzlerin tanzt mit Schröder | |
> Peter Lenk hat wieder zugeschlagen: Seine neue Plastik mit der Kanzlerin | |
> empört den Generalsekretär der Landes-CDU. Doch die Touristen strömen zum | |
> "Gruppensexrelief". | |
Bild: Die neue Touristenattraktion am Bodensee. | |
"Porno-Kunst" sei das, empören sich die Kritiker. Doch seit der Bildhauer | |
Peter Lenk vergangene Woche sein neues Triptychon am Rathaus enthüllt hat, | |
pilgern täglich Hunderte von Neugierigen nach Bodman-Ludwigshafen. Der | |
Bodensee hat eine neue Touristenattraktion. | |
Bürgermeister Matthias Weckbach (parteilos) hat keine ruhige Minute mehr. | |
Touristen wollen wissen, ob Deutschlands Politiker hier wirklich nackt | |
Ringelpiez mit Anfassen tanzen. "Gruppensexrelief" soll Lenk sein Werk | |
nennen. Zeitungen fragen, ob die Kunst von Steuergeldern bezahlt wurde. | |
Fernsehsender wollen den Bürgermeister vor dem Wandbild filmen. | |
Die CDU in Baden-Württemberg ist empört. "Eine Sauerei" seien die nackten | |
Gestalten, so Thomas Strobl, Schäuble-Schwiegersohn und Generalsekretär der | |
Landes-CDU. "Billige Effekthascherei", grantelt der kunstpolitische | |
Sprecher Christoph Palmer. Nur der Sprecher der Landesregierung gibt kühl | |
zu Protokoll, das Werk sei keine Stellungnahme wert. Dabei spielt | |
Baden-Württembergs Ministerpräsident eine sichtbare Rolle in Lenks neuestem | |
Aufreger. | |
Wer sich für Peter Lenk interessiert, lebt gefährlich. Das musste nun auch | |
Günther Oettinger erfahren. 2004 hatte er sich noch köstlich amüsiert, als | |
Erwin Teufel dran war: Der damalige Landesvater als geklonter Soldat der | |
Reaktion in Lenks Revolutionsdenkmal von Schopfheim - da hat Oettinger | |
gleich eine Teufel-Handpuppe beim Künstler bestellt. Spaß muss schließlich | |
sein. | |
Nun ist Oettinger Ministerpräsident und selbst Zielscheibe des Spotts: als | |
grinsender Beau mit markanter Hakennase, der dem NS-Marinerichter Hans | |
Filbinger heimlich die Hand reicht. "Ich schätze die | |
baden-württembergischen Ministerpräsidenten sehr", sagt Peter Lenk und | |
schaut ganz unschuldig: "Sie eignen sich gut für Satire." | |
Als Lenks Großherzog-Ludwig-Denkmal in Bodman-Ludwigshafen enthüllt wurde, | |
hat sich der Künstler - wie immer bei offiziellen Anlässen - in der zweiten | |
Reihe versteckt und es seiner Frau überlassen, bei den Honoratioren zu | |
stehen. Der Zündler vom Bodensee beobachtet lieber und belauscht die ersten | |
Reaktionen der Menschen auf seine bildhauerischen Provokationen. Und | |
schließlich hat Bettina Lenk, wie auch Tochter Miriam, ein Jahr lang | |
mitgearbeitet an diesem Triptychon, das nun das Zollhaus hinter dem | |
Ludwigshafener Rathaus verziert. Peter Lenk bleibt gerne unerkannt. "Keine | |
Fotos, bitte." | |
Mancher Schabernack wäre sonst nicht möglich. Etwa auf dem Schiff zu | |
stehen, während seine heiß umkämpfte Imperia, eine 18 Tonnen schwere, | |
schwerbusige Kurtisane, im Konstanzer Hafen enthüllt wird. Dort kabbelte er | |
sich mit älteren Damen, die mit ihrem Schirm die Sicht versperrten. "Darf | |
ich auch mal schauen?" - "Sie müssen halt warten, junger Mann." - Na gut, | |
ich weiß ja eh, was drunter ist." | |
Lenk mag solche absurden Dialoge. Mag es, wenn ihm die Leute sein eigenes | |
Kunstwerk erklären oder auf den "abartigen Künstler" schimpfen. Dann macht | |
er gerne mit. Er hat sogar schon mal eine Unterschriftenliste gegen sich | |
selbst unterschrieben. Mit vollem Namen. | |
An diesem Mittwoch ist der 61-Jährige auf dem Weg zu dem Zelt in Bodman, wo | |
das Ludwigshafener Denkmal abholbereit steht. Die Touristen steuern | |
zielsicher und doch unsicher auf den dürren Mann mit dem imposanten | |
Schnurrbart zu, der einen störrischen Hund an der Leine hinter sich her | |
zieht. "Entschuldigung, wir suchen den Bildhauer Lenk", fragen sie | |
schüchtern. "Der wohnt da die Straße runter und an der Telefonzelle hoch", | |
sagt Peter Lenk und weist die Richtung, "dort, wo Sie die vielen Figuren | |
sehen." Die Kunstinteressierten bedanken sich artig und der Künstler bleibt | |
ungestört. | |
Flunkern hilft. So landet Peter Lenk manchen Überraschungscoup. "Nicht | |
lange reden, machen", lautet sein Motto. Der Illustrator Tomi Ungerer ist | |
daran gescheitert. Er wollte ein Toilettenhäuschen mit einem nackten | |
Hintern auf dem Dach bauen. Daraus ist nichts geworden, die Leute waren | |
entsetzt. "Wenn das erst gestanden wäre, dann hätte sich keiner mehr | |
darüber aufgeregt", sagt Lenk. Ihm kann das nicht passieren. | |
Zehn Meter lang ist seine neueste künstlerische Bestandsaufnahme der | |
Gesellschaft, offiziell ein Denkmal zu Ehren Herzog Ludwigs, der | |
Ludwigshafen seinen Namen gegeben hat. Nackt sieht man da Angela Merkel, | |
Gerhard Schröder, Hans Eichel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle in | |
heiterer Stimmung: "Die haben Spaß am Koalieren, Konsumieren und | |
Kopulieren", so der Künstler. Darunter badet Ex-EnBW-Chef Utz Claassen wie | |
Dagobert Duck in Goldtalern, gemeinsam mit anderen Wirtschaftsgrößen wie | |
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, einem schwörenden Daimler-Chef Dieter | |
Zetsche und mit VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch. Die kritisierte | |
Managerriege vereint mit dem alten Adel. | |
Eine Kritik an der immer weiter auseinanderdriftenden Gesellschaft ist auch | |
das neueste Werk Lenks. Es spaltet die Betrachter in begeisterte Fans und | |
erbitterte Gegner. Seit Peter Lenk den Lehrerberuf an den Nagel gehängt | |
hat, provoziert er mit seiner Kunst. Ob er nun 1985 in Berlin die | |
"Mauerkieker" aufstellt, die als Lenin, Kaiser Wilhelm und Herr Jedermann | |
vom Checkpoint Charly nach drüben linsten (Motto: "Wenn Vopos lachen, | |
schießen sie nicht") oder mit der vollbusigen Imperia im Konstanzer Hafen | |
Kirche und Stadtverwaltung gegen sich aufbringt: Bei Peter Lenk bleibt | |
keiner kalt. | |
Entweder man mag ihn, diesen Bürgerschreck und modernen Till Eulenspiegel | |
und hintersinnigen Lügenbaron. Oder man hasst ihn als Ästhet des | |
Hässlichen, als fiesen Provokateur, als einen, der keine Autoritäten | |
anerkennt und keine Regeln. Nun sitzt das Enfant terrible im Garten seines | |
Hauses in Bodman. Das Handy zieht die Hose einseitig nach unten, weshalb | |
die hinteren Hosenträger als Ausgleich auf der rechten Seite festgeschnallt | |
sind. | |
Der Mann hält sich nicht mit Äußerlichkeiten auf. Entspannt sitzt er da, | |
obwohl dauernd das Telefon klingelt. Zentauren recken sich neben einem | |
Apfelbaum zehn Meter hoch in die Höhe, im Teich räkeln sich wollüstig Zeus | |
und Alkmene, eine Mini-Imperia steht stolz neben dem Holzschuppen, der Esel | |
von Biberach klebt an der Wand als Relief: Der Künstler lebt mit seinen | |
Figuren. Und jede von ihnen hat eine Geschichte, die alle aus ihm | |
herausschäumen wie überkochende Milch. | |
Lenk kann einen schwindlig reden. Ob er die beleidigte Reaktion des | |
Schriftstellers Martin Walser auf sein Denkmal zitiert ("Da bin ich | |
unverzeihlich") oder den Pfullendorfer Pfarrer, der den Künstler - völlig | |
unchristlich - am liebsten mit einem Mühlstein um den Hals im Bodensee | |
versenkt hätte. Vielleicht noch eine kleine Kabaretteinlage zu einer | |
Gemeinderatssitzung gefällig? Bitte sehr. "Herr Lenk, Sie sind nicht nur | |
Bildhauer, Sie sind auch ein Fuchs." - "Besser als ein Schaf." - Gelächter. | |
So kriegt er die Menschen meistens. Mit diesem respektlosen, überbordenden | |
Humor. | |
Peter Lenk lacht gerne und laut und viel, ein Hofnarr ohne Hof. Still | |
sitzen kann er dabei nicht. Dauernd schleppt der Gastgeber Ordner an wie | |
andere Kekse: Erboste Leserbriefe, Zeitungsartikel, Briefe stapeln sich auf | |
dem Holztisch im Garten, Lob und Kritik. Lachen hilft. Besonders gegen | |
wüste Beschimpfungen, die manchmal in offenen Hass münden. Auch | |
Morddrohungen flatterten ihm schon ins Haus. Darüber kann er sich nur | |
wundern: "Ich bin doch kein Provokateur", sagt er treuherzig, "für die | |
Skandale sind doch andere verantwortlich." | |
Die Aufregung legt sich übrigens meist im Lauf der Jahre. Heute ziert die | |
Imperia, 1993 aufgestellt und für viele das größte Lenksche Ärgernis, | |
bereits Stadtführer und gilt als Wahrzeichen von Konstanz. Und spätestens | |
seit EU-Chefdiplomat Javier Solana den Konstanzer Bürgermeister zu dieser | |
flotten Statue beglückwünschte, ist der Bürgerschreck Lenk rehabilitiert. | |
Er sei nur Kunsthandwerker, mokieren sich viele über die gegenständlichen, | |
burlesken Figuren, die eher Karikaturen als Kunst seien. Dann stimmt der | |
Mann, der an der Stuttgarter Kunstakademie studiert hat, zu und zitiert | |
einen Freund, der sich beklagt hatte, weil Lenk im vergangenen Jahr seinen | |
60. Geburtstag nicht groß gefeiert hat: "Kein Koks, kein Fest, seit 37 | |
Jahren mit der gleichen Frau verheiratet, du bist doch kein Künstler." | |
Übrigens: Das 35.000 Euro teure Wandbild gehört nicht der Gemeinde | |
Ludwigshafen. Den Mittelteil haben Kunstfreunde mit Spenden finanziert. Nur | |
1.500 Euro zahlte die Gemeinde, und zwar aus dem Topf, in den Falschparker | |
einzahlen. Nach einer Probezeit von zwei Jahren können sich die | |
Ludwigshafener Bürger entscheiden, ob sie auch die zwei Seitenflügel kaufen | |
wollen. "Aber selbstverständlich", darauf besteht der Künstler, "nur mit | |
Steuergeldern." | |
18 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Susanne Stiefel | |
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