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# taz.de -- Gerichtshof stärkt unverheiratete Väter: Sorgerecht ist Menschenr…
> Der Europäische Gerichtshof stärkt die Rechte unverheirateter Väter. Das
> hat Folgen für die deutsche Politik. Aber welche?
Bild: Himmlisches Urteil? Mehr Recht für unverheiratete Väter.
Nichteheliche Mütter verlieren eine wichtige Vetoposition. Bisher konnten
sie ganz allein entscheiden, ob sie mit dem Vater ihres nichtehelichen
Kindes ein gemeinsames Sorgerecht ausüben wollen. Diese einseitig starke
Stellung der Mütter verstößt aber gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention. Dies entschied jetzt der Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Die derzeitige deutsche Rechtslage
diskriminiere nichteheliche Väter.
Geklagt hatte der Kölner Musiker Horst Zaunegger. Er ist Vater einer
nichtehelichen Tochter, die heute 14 Jahre alt ist. Mit der Mutter lebte er
fünf Jahre zusammen. Das Paar trennte sich drei Jahre nach der Geburt der
Tochter, die Mutter zog in eine andere Wohnung in demselben Haus. Zwei Tage
die Woche lebte die Tochter beim Vater, an den Wochentagen und in den
Urlauben wechselten sich die Eltern ab.
Anders als viele nichteheliche Väter hatte Zaunegger also kein Problem,
Umgang mit seinem Kind zu haben. Er wollte jedoch ein gleichberechtigter
Vater mit voller Verantwortung sein. "Die Kindsmutter hatte in allen
Diskussionen mit mir immer eine Machtposition, weil sie das alleinige
Sorgerecht hatte und ein gemeinsames Sorgerecht ablehnte", so Zaunegger zur
taz.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Paragraf 1624a BGB) hat bei unehelichen
Kindern zunächst die Mutter das alleinige Sorgerecht. Das heißt, sie kann
entscheiden, wo das Kind lebt, welche Schulart es besucht, ob eine wichtige
Operation durchzuführen ist. Nur wenn nicht verheiratete Eltern gemeinsam
eine "Sorgeerklärung" abgeben, können sie die elterliche Sorge gemeinsam
ausüben. Deshalb kann der Vater das Sorgerecht bisher nicht gegen den
Willen der Mutter erlangen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Rechtslage 2003 für
grundgesetzkonform erklärt. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass
eine nichteheliche Mutter sich dem Wunsch des Vaters nur dann verweigert,
"wenn sie dafür schwerwiegende Gründe hat, die von der Wahrung des
Kindeswohls getragen werden". Dass sie die Vetomacht "als Machtposition
gegenüber dem Vater missbraucht", habe der Bundestag nicht unterstellen
müssen.
Anders entschied nun der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte, der
von den 47 Staaten des Europarats getragen wird. Ein gemeinsames Sorgerecht
gegen den Willen der Mutter stehe dem Kindeswohl nicht grundsätzlich
entgegen. Dies zeige sich schon daran, dass auch bei geschiedenen Eltern im
Streitfall ein Gericht entscheide, ob die gemeinsame Sorge bestehen bleibt.
Es sei daher "unverhältnismäßig", dass bei nichtehelichen Eltern eine
gerichtliche Klärung des Sorgerechts generell ausgeschlossen sei.
Diese Entscheidung betrifft nicht nur den Einzelfall Horst Zaunegger.
Vielmehr muss der deutsche Gesetzgeber nun das deutsche Recht ändern. Eine
Frist setzte der Straßburger Gerichtshof freilich nicht.
Auf jeden Fall muss nichtehelichen Vätern bald eine gerichtliche
Möglichkeit zur Klärung des Sorgerechts gegeben werden. Das hatten die
Grünen voriges Jahr bereits erfolglos im Bundestag beantragt. Weitergehend
könnte das gemeinsame Sorgerecht auch bei nichtehelichen Eltern zum
Regelfall erklärt werden, zumindest wenn sie zusammenleben.
Von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist aber
keine weitreichende Initiative zu erwarten. Sie hielt die unangreifbare
Vetoposition der Mütter für richtig. Davon wolle sie nur abweichen, wenn
sie vom Bundesverfassungsgericht oder vom Straßburger Gerichtshof dazu
gezwungen werde, sagte sie voriges Jahr bei einer Veranstaltung in Berlin,
als sie noch nicht Ministerin war.
Jetzt erklärte das Justizministerium, dass man zunächst eine
wissenschaftliche Untersuchung zur Situation nichtehelicher Elternpaare
abwarten wolle, die "leider erst Ende 2010" vorliegen wird. "Angesichts der
Bandbreite von rechtspolitischen Möglichkeiten wird das
Bundesjustizministerium die Debatte über gesetzgeberische Änderungen jetzt
sorgfältig und mit Hochdruck führen." Familienministerin Kristina Köhler
wollte sich gestern dazu erst mal nicht nicht äußern.
Bis zur Änderung des deutschen Rechts haben nichteheliche Väter keine
Chance, ein gemeinsames Sorgerecht zu erzwingen. In dramatischen Fällen -
wenn etwa die Mutter mit dem Kind in einen anderen Erdteil ziehen will -
kann der Vater das Familiengericht anrufen, aber auf einer anderen
Rechtsgrundlage (Paragraf 1666 BGB). Das Gericht muss dann prüfen, ob der
drohende Verlust des Kontakts zum Vater das Kindeswohl gefährdet.
Auch Horst Zaunegger wird trotz seines Erfolgs in Karlsruhe deshalb
zunächst kein gemeinsames Sorgerecht erhalten. Nicht einmal Schadenersatz
ist ihm zugesprochen worden. Er ist mit dem Urteil, das die deutsche
Rechtslage nachhaltig verändern wird, dennoch "absolut zufrieden".
Nicht ganz zufrieden mit dem Urteil ist der Verein Väteraufbruch für
Kinder: "Wir wollen keine Frickellösung", sagte Vorstandsmitglied Rainer
Sonnenberger zur taz. "Wir wollen eine Lösung wie in Frankreich: Sobald ein
Vater die Vaterschaft anerkennt, hat er auch das Sorgerecht."
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, der mehr Frauen als Männer
vertritt, sieht das anders: "Das Urteil ist weise", so Edith Schwab,
Bundesvorsitzende des Verbands. Es sehe eben ausdrücklich vor, dass die
Sorge zunächst bei der Mutter bleibt. Gerade aus Frankreich kenne sie
erschreckende Beispiele von Vätern, die ihre Vaterschaft nur zur Schikane
der alleinerziehenden Mütter missbrauchten. "Anders als bei ehelich
geborenen Kindern ist die Bandbreite der Beziehung zum Vater bei
unehelichen Kindern eben sehr groß. Es könnte nach französischem Recht
sogar der Vergewaltiger irgendwann vor der Tür stehen und über sein Kind
bestimmen wollen", so Schwab.
Angelika Nake, Familienrechtsexpertin vom Juristinnenbund, kennt schwierige
Fälle gemeinsamer Sorge und findet: "Das Urteil verliert das Kindeswohl
etwas aus dem Blick". Aus ihrer Praxis zitiert sie den Fall eines Vaters,
der verbieten ließ, dass der von der Mutter gewünschte Vorname in die
Geburtsurkunde eingetragen wird. Ein anderer Vater wollte nicht, dass sein
Kind in die teurere Kita mit Bioessen geht. "Sie müssen dann jedes Mal
Gerichte bemühen, und das tut dem Kindeswohl garantiert nicht gut", so
Nake.
3 Dec 2009
## AUTOREN
H. Oestreich
C. Rath
## TAGS
Lesben
Väterrecht
Familie
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