# taz.de -- Eltern im Sorgerechtsstreit: "Sie enthält mir die Kinder vor" | |
> Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unverheiratete Väter | |
> in Deutschland gestärkt. Zwei Protokolle alltäglicher | |
> Sorgerechts-Auseinandersetzungen. | |
Bild: Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wurden… | |
Der Zahlvater | |
Einmal stand ich* mit Zelt und Schlafsäcken vor der Wohnungstür meiner | |
Kinder, wir wollten campen fahren. Mit der Mutter war das lange vereinbart, | |
aber dann sagte sie plötzlich: "Ich möchte nicht, dass du mit den Kindern | |
verreist." Ein Schock: Schon wieder enthält sie mir die Kinder vor. | |
Eigentlich darf sie das nicht, das deutsche Umgangsrecht sieht vor, dass | |
ich meine Kinder jedes zweite Wochenende sehen und auch mit ihnen in den | |
Urlaub fahren darf. Aber oft genug erfindet meine Exfreundin Gründe, warum | |
es gerade nicht geht. | |
Über ein gemeinsames Sorgerecht, das mir mehr Rechte als das Umgangsrecht | |
einräumt, brauche ich mir keine Illusionen zu machen. Ich werde es nie | |
bekommen. Die Mutter meiner Kinder und ich waren nie verheiratet. Ich habe | |
sie immer darum gebeten, das gemeinsame Sorgerecht zu beantragen, aber sie | |
hat abgelehnt. Ich vermute, um mir eins auszuwischen. | |
Als unehelicher Vater habe ich fast nichts zu melden, wenn es um meine | |
Tochter (10) und um meinen Sohn (5) geht. Ich kann höchstens mal das | |
Zeugnis sehen, aber ich kann nicht mitbestimmen, ob sie zum Schwimmen gehen | |
oder zum Reiten. Dadurch fühle ich mich benachteiligt. | |
Nach der Trennung habe ich alles getan, um jederzeit für sie da zu sein: | |
Ich habe mir in Chemnitz eine Wohnung um die Ecke gesucht, als Lehrer kann | |
ich mich gut auf den Alltagsrhythmus der Kinder einstellen, ich lade sogar | |
meine neue Freundin aus, wenn die Kinder zu Besuch sind. | |
Manchmal frage ich mich, warum ich das alles mitmache und warum ich | |
überhaupt noch zahle. Aber dann versuche ich mir klarzumachen, dass das | |
eine mit dem anderen nichts zu tun hat: Das Geld ist für meine Kinder. Den | |
Rest muss ich mit ihrer Mutter aushandeln. | |
Die kooperative Mutter | |
Ich habe meinem Exfreund Stefan* das Sorgerecht für Moritz nicht wirklich | |
freiwillig gegeben. Er rastete aus, als ich von meinem neuen Freund | |
schwanger war und mit ihm aus Stuttgart aufs Land zog. Ich hatte ein | |
schlechtes Gewissen, weil ich eine neue Familie gründete - und er hatte | |
doch nur noch Moritz. | |
Er wollte dann von allem genau die Hälfte, die Hälfte der Zeit, die Hälfte | |
des Kindes. Moritz ging sogar in zwei Kitas. Aber man kann ein Kind nicht | |
teilen wie ein Brötchen. Er wurde in unserem Dorf nicht richtig heimisch, | |
weil er an den Wochenenden nie da war. Er weinte, wenn er sonntags abends | |
wieder kam. Da wir nun aber ein gemeinsames Sorgerecht hatten, war klar: | |
Ich muss das jetzt mit Stefan durchstehen, kann mich nicht davonstehlen. Er | |
hätte sonst einen Krieg entfachen können: Veto bei der Schulwahl, die | |
Ferien torpedieren. In dieser Zeit habe ich mich oft dafür verflucht, dass | |
ich ihm das Sorgerecht gegeben habe. | |
Jetzt sehe ich das anders. Wir haben mit AnwältInnen eine Besuchsregelung | |
vor Gericht ausgefochten. Dort wurde uns erst mal so richtig klargemacht, | |
dass es nur um Moritz geht. Nicht Stefan oder ich haben ein Anrecht auf das | |
Kind, sondern das Kind hat ein Anrecht auf uns. Der Richter hat dann | |
beschlossen, dass Moritz einen Lebensmittelpunkt braucht. Der lag bei mir. | |
Stefan bekam großzügige Umgangsregelungen, mit denen auch Moritz besser | |
zurechtkam. | |
Die gemeinsame Sorge war letztlich gut für uns. Ob man das verallgemeinern | |
kann? Paare können mit oder ohne Sorgerecht furchtbare Kämpfe auf dem | |
Rücken ihrer Kinder ausfechten. Also mein Plädoyer: gemeinsame Sorge, aber | |
dann gleich mit Mediator. Sonst wird das nämlich nix. | |
*Namen geändert | |
4 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
Heide Oestreich | |
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