# taz.de -- Anschlag in Ägypten: Tödliche Schüsse nach der Messe | |
> Bei einem Anschlag auf ein koptisches Weihnachtsfest in Ägypten sind | |
> sieben Menschen gestorben. Die Gewaltausbrüche zwischen den | |
> konfessionellen Gruppen nehmen zu. | |
Bild: Nach dem Anschlag auf ein koptisches Weihnachtsfest in Nag Hamadi in Ägy… | |
KAIRO taz | Die Mitternachtsmesse zum orthodoxen Weihnachtsfest ist für die | |
koptischen Christen im südägyptischen Nag Hamadi blutig zu Ende gegangen. | |
Als sie den Gottesdienst verließen, wurden sie von drei Unbekannten in der | |
Nacht zu Donnerstag aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug mit automatischen | |
Waffen beschossen. Mindestens sieben Menschen kamen dabei ums Leben, sechs | |
Gottesdienstbesucher und ein muslimischer Wachmann. | |
Am Morgen danach kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, als | |
ungefähr 2.000 aufgebrachte Kopten vor dem Leichenschauhaus begannen, | |
Krankenwagen anzuzünden. Die Behörden weigerten sich, die Leichen | |
freizugeben, mit dem Argument, dass eine Beerdigung Anlass zu größeren | |
Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen bieten könnte. Die | |
Polizei vertrieb die Protestierer, viele davon Verwandte der Toten, mit | |
Tränengas. | |
Laut einer Erklärung des Innenministeriums in Kairo soll es sich bei dem | |
Anschlag nach der Weihnachtsmesse um eine Racheaktion für ein Verbrechen | |
handeln, bei dem im November ein 21-jähriger Christ ein 12-jähriges | |
muslimisches Mädchen vergewaltigt haben soll. Augenzeugen sollen einen der | |
Attentäter inzwischen identifiziert haben. | |
Bischoff Kirollos, der der Diözese in Nag Hamadi, 600 Kilometer südlich von | |
Kairo und eine Autostunde südlich von Luxor, vorsteht, hatte kurz vor dem | |
Attentat die Kirche verlassen. "Ich habe gerade jemandem in einem | |
Hauseingang die Hand geschüttelt, als ich die Gewehrschüsse hörte", erzählt | |
er. Dann sah er die Leichen auf der Straße. | |
Mehrere Kopten hatten zuvor Todesdrohungen erhalten. "Wir werden euch nicht | |
in Ruhe feiern lassen", lauteten einige der Drohungen. Auch der Bischoff | |
selbst soll eine SMS erhalten haben mit der Botschaft "Jetzt bist du dran." | |
Nag Hamadi war nach dem Vergewaltigungsfall im November bereits in die | |
ägyptischen Schlagzeilen geraten, als muslimische Gangs nach der Verhaftung | |
des mutmaßlichen koptischen Vergewaltigers zahlreiche christliche Läden | |
verwüsteten und niederbrannten. Unter den Christen des Ortes ist dieser Tag | |
seitdem als "schwarzer Samstag" bekannt. Die Polizei, die erst spät zum | |
Einsatz kam, nahm damals 75 Menschen beider Konfessionsgruppen fest. Doch | |
Kopten vor Ort beschweren sich, dass die Sicherheitskräfte sich in dem | |
Konflikt nicht neutral verhalten hätten. | |
"Die Angreifer kamen damals am helllichten Tag", erzählt der Messdiener | |
Bassudschi Gergis Demian gegenüber der ägyptischen Tageszeitung al-Masri | |
al-Yum. Er hätte sich mit anderen Mitgliedern seiner Familie mit Steinen | |
gewehrt, weil sie befürchteten, die Gangs könnten die Töchter der Familie | |
verschleppen. Die Polizei sei erst nach den Unruhen angekommen und habe | |
sowohl einige der mutmaßlichen muslimischen Angreifer als auch Mitglieder | |
seiner Familie festgenommen. Die meisten Muslime seien aufgrund guter | |
persönlicher Beziehungen zu den lokalen Behörden nach wenigen Tagen | |
freigelassen worden. Die Christen blieben wesentlich länger in Haft. Er | |
habe nichts mit dem mutmaßlichen Vergewaltiger zu tun und sei auch nicht | |
mit ihm verwandt, betont Demian. "Wir Christen fühlen uns hier seitdem | |
unsicher und erwarten, dass es jederzeit zu neuen Gewaltausbrüchen kommen | |
könnte", prophezeite Demian wenige Tage vor dem jetzigen | |
Weihnachtsattentat. | |
Kopten machen schätzungsweise ungefähr zehn Prozent der mehrheitlich | |
muslimischen Bevölkerung von Ägypten aus. Die Christen im Land am Nil | |
beschweren sich mit der wachsenden Islamisierung der Gesellschaft immer | |
wieder über Schikanen und Diskriminierung. Gewaltausbrüche zwischen den | |
konfessionellen Gruppen sind eher die Ausnahme, nehmen aber in den letzten | |
Jahren zu. | |
"Wir haben hier mit diesen willkürlichen Morden mit einer neuen Qualität zu | |
tun. Eine rote Linie ist überschritten", warnt der koptische | |
Sozialwissenschaftler und Experte für muslimisch-koptische Beziehungen, | |
Samir Murqus, im Gespräch mit der taz. Alltägliche Konflikte würden immer | |
mehr in einem religiösen Kontext gesehen. "Wenn sich zwei Bürger streiten, | |
dann ist das normal. Wenn aber einer Muslim und der andere Christ ist, dann | |
erhält dieser Streit sofort den Charakter einer konfessionellen | |
Auseinandersetzung", beschreibt er den Trend. Das schlimmste ist, sagt er: | |
"Alle sehen zu und niemand steuert dieser alarmierenden Entwicklung | |
entgegen." | |
7 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
Karim El-Gawhary | |
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