Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Christen Ägypten: Blutrache im Namen der Religion
> Wenn zwei sich in Ägypten streiten, kann man nur hoffen, dass es sich
> nicht auf der einen Seite um einen Muslim und auf der anderen um einen
> Christen handelt.
Es war ein brutaler Anschlag gegen die Christen in Ägypten und das auch
noch an ihrem orthodoxen Weihnachtstag. Unbekannte schossen im südlichen
Oberägypten eine Gruppe Kopten nieder, als sie gerade die Mitternachtsmesse
verließen.
Es handelt sich nicht, wie im manchen Kreisen in Europa gerne kolportiert,
um einen Akt der Christenverfolgung in einem arabischen Land. Dennoch ist
der Fall für die Gesellschaft des bevölkerungsreichsten arabischen Landes
mehr als alarmierend: Die Täter wollten offensichtlich einen Fall rächen,
bei dem ein Christ mutmaßlich ein 12jähriges muslimisches Mädchen
vergewaltigt haben soll.
Nun ist im konservativen, von Familienclans bestimmten Oberägypten das
System der Blutrache – jenseits der staatlichen Gerichtsbarkeit – durchaus
noch üblich. Doch eigentlich funktioniert das nach dem Prinzip, dass die
Familie des Opfers jemanden aus der Familie des Täters zur blutigen
Rechenschaft zieht.
Derartiges geschieht immer dann, wenn die Kontrolle des Staates und das
Vertrauen in dessen Justiz gering und die Macht der Clans groß ist. Eine
neue Qualität bekommt dieses System, wenn, wie im hiesigen Fall, eine ganze
Religionsgemeinschaft eines Dorfes zum Ziel der Rache wird.
Dieser Vorfall der konfessionellen Vendetta ist nur der Gipfel des
Eisberges: Denn wenn zwei sich in Ägypten streiten, kann man nur hoffen,
dass es sich nicht auf der einen Seite um einen Muslim und auf der anderen
um einen Christen handelt.
Ansonsten ist die Eskalation – beispielsweise von einem Hader über ein
Stück Land zu einem ausgewachsenen Religionskonflikt – vorgezeichnet. Der
Islamisierungstrend der ägyptischen Gesellschaft und die Kopten, die sich
infolge dieser Entwicklung in ihr konfessionelles Schneckenhaus
zurückgezogen haben, führt mehr und mehr zu einem "Wir-und-Die-Denken".
Und die Regierung unter Präsident Hosni Mubarak, die eigentlich dieser
Krise entgegensteuern sollte – die hat sich aus der Führung der
Gesellschaft zurückgezogen und sieht zu, wie die ägyptische Gesellschaft
langsam auseinanderfällt. So könnte buchstäblich eines Tages ein Streit um
einen überfahrenen Ochsen dazu führen, dass über Nacht am Nil irakische
Zustände Einzug halten.
7 Jan 2010
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kopten in Ägypten: Fremd im eigenen Land
Beispiel Naga Hamadi: Das Klima zwischen Christen und Muslimen in Ägypten
hat sich in den vergangenen Jahren verschlechtert.
Anschlag in Ägypten: Tödliche Schüsse nach der Messe
Bei einem Anschlag auf ein koptisches Weihnachtsfest in Ägypten sind sieben
Menschen gestorben. Die Gewaltausbrüche zwischen den konfessionellen
Gruppen nehmen zu.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.