| # taz.de -- Großbritanniens Rolle im Irakkrieg: Die leisen Zweifel des Mister … | |
| > Der Untersuchungsausschuss zur britischen Beteiligung an der | |
| > Irak-Invasion tritt in die entscheidende Phase. Jetzt wurde Tony Blairs | |
| > damaliger Außenminister vernommen. | |
| Bild: Viele "juristische Fallstricke": Britische Soldaten 2007 im Irak. | |
| Er hätte den Irakkrieg verhindern können, sagte der britische | |
| Justizminister Jack Straw am Donnerstag: "Meine Unterstützung für eine | |
| militärische Aktion war entscheidend. Hätte ich sie verweigert, wäre die | |
| britische Teilnahme an der Militäraktion nicht möglich gewesen. Es hätte | |
| dafür keine Mehrheit im Kabinett oder im Unterhaus gegeben." | |
| Straw ist der erste noch amtierende Minister, der vor dem | |
| Irak-Untersuchungsausschuss in London ausgesagt hat. Der Ausschuss soll den | |
| Entscheidungsprozess unter die Lupe nehmen, der zur britischen Beteiligung | |
| am Irakkrieg führte. Es sei kein Gericht, das über Schuld und Unschuld zu | |
| befinden habe, betonte John Chilcot, der Leiter der Untersuchung. | |
| Als die Invasion des Irak im März 2003 begann, war Straw Außenminister. "Es | |
| war die schwerste Entscheidung meines ganzen Lebens, die Militäraktion | |
| gegen den Irak zu unterstützen", sagte er, aber er bereue sie nicht. Die | |
| Regierung habe nach bestem Wissen gehandelt. Er sei davon überzeugt | |
| gewesen, dass vom Regime von Saddam Hussein eine große Bedrohung ausgehe, | |
| sagte Straw. Später seien ihm Zweifel gekommen: "Weil wir keine | |
| Massenvernichtungswaffen fanden, habe ich viel darüber nachgedacht, ob wir | |
| anders hätten handeln können oder müssen. Aber damals wussten wir nicht, | |
| was wir heute wissen." | |
| Er bedaure lediglich, dass die Regierung in ihrem umstrittenen Irak-Dossier | |
| nicht deutlich gemacht habe, dass sich die Behauptung, die irakischen | |
| Waffen könnten binnen 45 Minuten einsatzbereit sein, nicht auf Raketen | |
| bezog. Die These sei in das Dossier aufgenommen worden, um ihm etwas | |
| "Lokalkolorit" zu verleihen, hatte David Ormond, der damalige | |
| Sicherheitskoordinator der Regierung, vorige Woche vor dem Ausschuss | |
| gesagt. Die Art, wie dieses Dossier zusammengestellt wurde, um den Krieg zu | |
| begründen, sei ein großer Fehler gewesen: Man hätte nicht zulassen dürfen, | |
| dass der damalige Premierminister Tony Blair in seinem Vorwort schrieb, der | |
| Irak verfüge zweifellos über Massenvernichtungswaffen, sagte Ormond. | |
| Diese These hatte auch Straw damals öffentlich vertreten. Privat hatte er | |
| jedoch Zweifel. Aus Dokumenten geht hervor, dass er Blair zur Vorsicht | |
| mahnte, da es keine Mehrheit unter den Labour-Abgeordneten für eine | |
| militärische Aktion gab. Es lauerten viele "juristische Fallstricke": So | |
| sei Regimewechsel keine Rechtfertigung für den Krieg. Die Beweise gegen den | |
| Irak seien dünner als gegen Libyen, Nordkorea oder den Iran, schrieb Straw | |
| im Juli 2002. Noch zwei Tage vor der Invasion riet er Blair, nach | |
| Alternativen zu suchen. | |
| Blairs damaliger Berater Alistair Campbell sagte vorige Woche vor dem | |
| Ausschuss, er stehe "hinter jedem Wort in dem Dossier". Großbritannien | |
| solle stolz auf seine Rolle beim Sturz Saddam Husseins sein. Der | |
| Untersuchungsausschuss legte Campbell einen Brief von Blairs Berater in | |
| außenpolitischen Fragen, David Manning, vor. Darin versicherte er der | |
| Regierung in Washington ein Jahr vor der Invasion, Blair werde nicht von | |
| seiner Unterstützung für einen Regimewechsel im Irak abrücken. Man müsse | |
| aber "mit einer Presse, einem Parlament und einer öffentlichen Meinung | |
| umgehen, die völlig anders als in den USA" seien. | |
| Campbell versuchte, das zu relativieren: "Blair sagte, dass der Irak | |
| entwaffnet werden müsse. Wir würden unser Bestes tun, um das auf | |
| diplomatischem Weg zu erreichen, ohne dass ein Schuss abgefeuert werden | |
| müsste. Doch wenn es darauf ankomme und der diplomatische Weg scheitern | |
| sollte, fühle sich Großbritannien verpflichtet, an einer militärischen | |
| Aktion teilzunehmen." Der damalige Verteidigungsminister Geoff Hoon, der am | |
| Dienstag vor dem Untersuchungsausschuss stand, sagte ebenfalls, | |
| Großbritannien habe bis kurz vor dem Einmarsch auf eine diplomatische | |
| Lösung gehofft. | |
| Da der Regierung in London aber schon im Sommer 2002 klar war, dass die USA | |
| es "ernst meinten", habe er Blair im Oktober zu einer Entscheidung geraten, | |
| um der Armee Zeit zur Vorbereitung zu geben. Doch Premierminister Gordon | |
| Brown, der damals Schatzkanzler war, habe das Budget gekürzt, so dass den | |
| Truppen die dringend benötigten Hubschrauber fehlten, sagte Hoon, der | |
| Anfang des Monats einen Putschversuch gegen Brown unternommen hat. | |
| Brown erklärte sich vorgestern bereit, noch vor den britischen | |
| Parlamentswahlen, die spätestens im Juni stattfinden müssen, vor dem | |
| Ausschuss auszusagen. Doch zunächst ist Blair am kommenden Freitag dran. | |
| Die 80 Plätze im Zuschauerraum wurden unter mehr als 3.000 Interessierten | |
| verlost. Außerdem werden Angehörige von 28 gefallenen Soldaten an der | |
| Anhörung teilnehmen. | |
| 22 Jan 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
| ## TAGS | |
| Irakkrieg | |
| Folter | |
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