# taz.de -- Weltwirtschaftsforum: Das Ende von Davos | |
> Das Elite-Treffen steckt in einer tiefen Krise. Sein Niedergang könnte | |
> das Ende der bisherigen finanzkapitalistischen Strukturen markieren. Und | |
> China hat sein eigenes Davos. | |
Bild: US-Präsident Barack Obama glänzt demonstrativ durch Abwesenheit. | |
Eigentlich wollten die 2.500 exklusiv ausgewählten Banker, | |
Regierungsvertreter und Top-Manager nur mal tief durchatmen. Für ein paar | |
Tage in den Schweizer Alpen frische Luft tanken und bei Rotwein und | |
Kaviarhäppchen entspannt über bessere Zeiten reden - die Zeit nach der | |
Finanzkrise. Denn die vergangenen zwei Jahre waren für sie wirklich nicht | |
leicht. Doch auch in Davos geht es in diesen Tagen alles andere als | |
entspannt zu. | |
Ausgerechnet zum 40. Geburtstag ist die Stimmung auf dem | |
Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos so mies wie noch nie. "Wir sind nicht | |
im Jahr eins nach der Krise, sondern noch im dritten Krisenjahr", warnt | |
Bundesbankchef Axel Weber. Die Business Week verkündet angesichts der | |
schlechten Stimmung bereits den Tod des "Davos Man". Und WEF-Gründer und | |
Hauptveranstalter Klaus Schwab redet offiziell zwar von "neu denken, neu | |
gestalten und neu schaffen" und plädiert dafür, "den Zustand der Welt" zu | |
verbessern. | |
Doch was nach Aufbruch und Zuversicht klingen soll, wirkt eher wie eine | |
Durchhalteparole, um die lähmende Ratlosigkeit der Wirtschaftselite | |
angesichts des von ihr verursachten Desasters auf den Weltfinanzmärkten zu | |
kaschieren. In einem Interview mit dem Handelsblatt gibt Schwab denn auch | |
zu: "Wir sollten uns fragen, ob wir nicht zum Nullpunkt zurückkehren | |
müssen, um unsere globalen Probleme völlig neu zu überdenken." | |
Markiert das 40. Treffen den Anfang vom Ende von Davos? Einst als "European | |
Management Forum" von dem deutschen Wirtschaftswissenschaftler Klaus Schwab | |
gegründet, hat sich das WEF vor allem seit dem Mauerfall zum Inbegriff der | |
neoliberalen Globalisierung entwickelt. Schwabs Vorstellung: Die ganze Welt | |
in einem Dorf sollte bildlich gesprochen zumindest einmal im Jahr | |
Wirklichkeit werden. | |
Und es sollte keineswegs nur um ökonomische Absprachen gehen. Wozu | |
diplomatisch hochkomplizierte Gipfeltreffen abhalten, wenn sich die großen | |
politischen Konflikte dieser Welt auch nett bei einem Glas Wein am Kamin im | |
lauschen Winterwetteridyll entschärfen lassen? Dabei ging es ihm nicht nur | |
darum, Regierungsvertreter miteinander klönen zu lassen, sondern auch | |
Wirtschaftsbosse, Banker und vielleicht auch den einen oder anderen | |
Musiker, Hollywood-Schauspieler und NGO-Vertreter - all das gehörte zum | |
Konzept von Davos. | |
Gut gemeint, nun aber doch gescheitert. Denn im Jahre zwei nach der | |
Lehman-Pleite hat sich vor allem die globalisierte Wirtschaftselite, die | |
jenseits von Staat und Institutionen Reichtum und eine bessere Welt für | |
alle versprach, gründlich blamiert. | |
Top-Banker trauen sich zwar wieder aufs Parkett, nachdem viele von ihnen im | |
vergangenen Jahr im Zuge der allgemeinen Wut auf Banker- und | |
Hedgefonds-Manager auch dem Elitetreffen lieber fernblieben. Doch längst | |
findet die Abstimmung mit den Füßen statt. US-Präsident Barack Obama glänzt | |
demonstrativ durch Abwesenheit, Kanzlerin Angela Merkel ebenso. Der | |
türkische Ministerpräsident Erdogan hat bereits im vergangenen Jahr nach | |
dem Eklat auf einer Podiumsdiskussion mit dem israelischen Präsidenten | |
Schimon Peres geschworen, nie wieder einen Fuß nach Davos zu setzen. | |
Vor allem aber die "Global Player" von morgen und derzeitigen Zugkräfte der | |
Weltwirtschaft bleiben dem Schweizer Luftkurort fern. Indische, | |
brasilianische, türkische und ostasiatische Delegationen sind in Davos rar. | |
Und die Chinesen haben seit kurzem ohnehin ein eigenes Treffen: das Boao | |
Asienforum auf der Tropeninsel Hainan. Entscheidungen von Bedeutung - wie | |
etwa die Bewertung des Renminbi - verkündet der chinesische Präsident | |
künftig dort. | |
Immerhin hat WEF-Chef Schwab den Bedeutungsverlust seines Babys erkannt. Er | |
will den Frauenanteil von derzeit 15 Prozent erhöhen, mehr Akteure der | |
Zivilgesellschaft einbinden, Vertreter der Schwellenländer noch dezidierter | |
einladen und die Zahl der Unternehmer senken. | |
Ob das genügt? Nicht nur viele Teilnehmer werden sich spätestens nach | |
dieser Woche fragen: Wozu 15.000 Euro Teilnehmergebühr zahlen für ein | |
Treffen von einst weltpolitischem Format, wenn die entscheidenden | |
Weltakteure gar nicht mehr anwesend sind? | |
Ein kleiner Trost für den Davos-Man bleibt: Auch die Macher der | |
Gegenveranstaltung, des Weltsozialforums in Porto Alegre, haben Probleme. | |
Jedoch nicht so sehr aufgrund einer Legitimationskrise. Angesichts immer | |
weiter steigender Teilnehmerzahlen wissen sie nicht, wie sie logistisch das | |
nächste Treffen abhalten sollen. | |
28 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Weltwirtschaftsforum in Davos: Ökonomen watschen Sarkozy ab | |
Beim Weltwirtschaftsforum stößt die Forderung, die Währungspolitik besser | |
zu koordinieren, auf Kritik. Sie halten ein zweites Bretton Woods schlicht | |
für unrealistisch. | |
Public-Eye-Award in Davos: Schmähpreis für Hoffmann-La Roche | |
Der diesjährige Schmähpreis geht an den Pharmakonzern Hoffmann-La Roche, | |
dem Medikamententests mit Organen von Hingerichteten in China vorgeworfen | |
werden. | |
Trittin zum Weltwirtschaftsforum: "Die Herren sind unbelehrbar" | |
Laut Jürgen Trittin behindert das Weltwirtschaftsforum den notwendigen | |
Aufbau globaler Regulierungsmechanismen. In der rot-grünen | |
Finanzmarktpolitik räumt er Fehler ein. | |
Weltwirtschaftsforum in Davos: Das Ende der Selbstgefälligkeit | |
Am Mittwoch beginnt das Weltwirtschaftsforum in Davos. Man kehrt den | |
Finanzkrisen-Schutthaufen auf. Zumindest rhetorisch rückt eine Tobin-Steuer | |
in den Bereich des Möglichen. | |
Ökonom über Weltwirtschaftsforum: "Die Regulierung kommt zu kurz" | |
Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff warnt vor der nächsten Krise. Er sagt, den | |
Menschen werde Ordnung nur vorgegaukelt. |