# taz.de -- Weltwirtschaftsforum in Davos: Das Ende der Selbstgefälligkeit | |
> Am Mittwoch beginnt das Weltwirtschaftsforum in Davos. Man kehrt den | |
> Finanzkrisen-Schutthaufen auf. Zumindest rhetorisch rückt eine | |
> Tobin-Steuer in den Bereich des Möglichen. | |
Bild: Schutthaufen: In Davos wird auch über Fehler der letzten Jahre zu sprech… | |
So ist das Weltwirtschaftsforum in Davos. Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
fliegt am Freitagnachmittag mit dem Helikopter mal eben auf 1.600 Meter | |
Höhe, hastet in das Konferenzzentrum des verschneiten Schweizer | |
Bergstädtchens und hält eine sagenumwobende Rede. Angesichts der | |
Finanzkrise fordert sie die "weltweite soziale Marktwirtschaft" und einen | |
"Weltwirtschaftsrat" als Koordinationsgremium für den Weltmarkt. Hunderte | |
Manager und Politiker stecken die Köpfe zusammen: Gewagte Ideen! | |
Freundlicher Applaus. | |
Das war vor einem Jahr. Und was ist jetzt, da am Mittwoch das nächste World | |
Economic Forum (WEF) in Davos beginnt? | |
Von Merkels Weltwirtschaftsrat redet niemand mehr. Die Idee hat nicht | |
verfangen. Macht aber nichts. Gerade deshalb reisen wieder tausende | |
Spitzenmanager und Dutzende Regierungschefs in die Graubündener Alpen. In | |
Davos wird immer viel philosophiert, das ist der Sinn bei diesem | |
informellen Weltgipfel der Elite. Manchmal überdauert auch etwas: Kofi | |
Annan, damaliger UN-Generalsekretär, warb 1999 für die Gründung des Global | |
Compact, eines Zusammenschlusses ethisch handelnder Konzerne. Den gibt es | |
jetzt tatsächlich. | |
Der Realisierungsgrad eines dritten großen Davoser Plans, der irgendwo | |
zwischen Merkel und Annan liegt, ist in diesem Jahr aber höher denn je. Es | |
geht um eine internationale Steuer für die Finanzmärkte. Frankreichs | |
konservativer Präsident Jacques Chirac stellte die globalisierungskritische | |
Idee der Tobinsteuer beim WEF 2005 groß heraus. Sein damaliger Vorschlag | |
lautete, die Einnahmen zu verwenden, um die weltweite Armut zu verringern. | |
2010 ist eine Steuer dieser Art wieder im Gespräch, mit anderem Zweck: Es | |
geht darum, die Verursacher der Finanzkrise an den Kosten der Bankenrettung | |
zu beteiligen. Diese Idee steht auf der Tagesordnung der mächtigsten | |
Wirtschaftsnationen (G-20-Gruppe) ganz oben – zumindest theoretisch. Auch | |
in Davos wird sie gefordert, abgewogen und kritisiert werden. | |
Was der internationale Prozess am Ende bringt, ist offen. Mehrere Varianten | |
sind im Gespräch. So hat sich Wirtschaftsprofessorin Beatrice Weder di | |
Mauro, die als eine der Wirtschaftsweisen die Bundesregierung berät, | |
kürzlich für die sogenannte Pigou-Steuer ausgesprochen. Benannt ist sie | |
nach dem französischen Ökonomen Arthur Cecil Pigou (1877-1959). Mit ihr | |
würden die Staaten den Gewinn der Banken zusätzlich besteuern – im | |
Verhältnis zum Risiko, das ihre Geschäfte für den Finanzmarkt bedeuten. | |
Einerseits soll diese Abgabe als Steuerung dienen und die Banken dazu | |
bewegen, vorsichtiger zu wirtschaften, da das Risiko für sie teurer wird. | |
Andererseits soll das Geld in einen Fonds fließen, mit dem die Banken für | |
die Kosten der nächsten Krise vorsorgen. Weder de Mauro spricht von einer | |
Größenordnung von einem oder zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was im | |
Falle Deutschlands bis zu 50 Milliarden Euro ausmachen würde. | |
In Bezug auf die Finanzmärkte ist das Konzept relativ neu. So stellen sich | |
einige Fragen. "Wie will man das systemische Risiko messen?", fragt Weder | |
di Mauros Sachverständigenkollege Peter Bofinger, "da bekommen Sie tausend | |
Probleme." Außerdem fällt auf, dass 50 Milliarden Euro zwar eine Stange | |
Geld sind, aber nicht annähernd an die Kosten der Krise heranreichen - | |
allein die Verschuldung des Bundeshaushaltes soll 2010 über 80 Milliarden | |
Euro betragen, und das ist nur die Spitze des Eisberges. | |
Ein gewisses Missverhältnis zwischen den Kosten der Krise, die global in | |
die Billionen gehen, und den möglichen Einnahmen besteht auch bei anderen | |
Vorschlägen. Sowohl die britische Steuer auf Bonuszahlungen für Banker als | |
auch US-Präsident Obamas Sonderabgabe für Großbanken würden nur einen | |
Bruchteil der Krisenkosten decken. | |
Günstiger sieht die Rechnung jedoch bei der Finanztransaktionssteuer aus, | |
deren Chancen der Internationale Währungsfonds auf Geheiß der G 20 | |
gegenwärtig prüft. Banken und Investoren müssten dann eine Umsatzsteuer von | |
beispielsweise 0,01 Prozent auf jedes Geschäft zahlen. | |
Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) hat berechnet, | |
dass dadurch pro Jahr mehrere hundert Milliarden Euro hereinkommen könnten | |
– nach etwa zehn Jahren würde der globale Finanzsektor die Kosten der Krise | |
in etwa zurückerstattet haben, unter einer Voraussetzung: Die wichtigen | |
Bankenzentren müssten mitmachen. Ob die USA sich damit anfreunden können, | |
ist zurzeit aber sehr fraglich. | |
Trotz aller Beschränkungen hat die Krise aber auch beim Steuerthema einen | |
gewissen Wandel hervorgerufen. Während neue Steuern für Banken früher als | |
Ideen linker Spinner abgetan wurden, sind sie inzwischen hoffähig. Das ist | |
auch dem Programm des diesjährigen Weltwirtschaftsforums anzumerken, sein | |
Motto lautet: "Rethink, Redesign, Rebuild" (Überdenken, Umgestalten, | |
Erneuern). | |
Richard Samans, einer der Mitorganisatoren des WEF, bringt es auf diesen | |
Punkt: "Wir stellen einen Wandel im Denken fest. Viele meinen, wir seien | |
mit den wirtschaftlichen und politischen Risiken vor der Krise zu | |
selbstgefällig umgegangen." | |
26 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Weltwirtschaftsforum in Davos: Ökonomen watschen Sarkozy ab | |
Beim Weltwirtschaftsforum stößt die Forderung, die Währungspolitik besser | |
zu koordinieren, auf Kritik. Sie halten ein zweites Bretton Woods schlicht | |
für unrealistisch. | |
Weltwirtschaftsforum: Das Ende von Davos | |
Das Elite-Treffen steckt in einer tiefen Krise. Sein Niedergang könnte das | |
Ende der bisherigen finanzkapitalistischen Strukturen markieren. Und China | |
hat sein eigenes Davos. | |
Ökonom über Weltwirtschaftsforum: "Die Regulierung kommt zu kurz" | |
Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff warnt vor der nächsten Krise. Er sagt, den | |
Menschen werde Ordnung nur vorgegaukelt. |