# taz.de -- Ökonom über Weltwirtschaftsforum: "Die Regulierung kommt zu kurz" | |
> Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff warnt vor der nächsten Krise. Er sagt, den | |
> Menschen werde Ordnung nur vorgegaukelt. | |
Bild: "Wenn es so weitergeht, stecken wir in einigen Jahren wieder im Schlamass… | |
taz: Herr Rogoff, Sie bestreiten beim Weltwirtschaftsforum eine | |
Veranstaltung über die "nächste globale Krise". Sind sich die Manager und | |
Spitzenpolitiker der Gefahr bewusst, dass nach der Finanzkrise der Jahre | |
2008/2009 bald die nächste drohen könnte? | |
Kenneth Rogoff: Ich befürchte, dass sich mittlerweile eher eine | |
verhängnisvolle Erleichterung durchsetzt. Viele sind einfach froh, dass es | |
nicht zur großen Depression gekommen ist und die Märkte allmählich wieder | |
Kraft schöpfen. Ich habe die Sorge, dass die Politiker auch hier in Davos | |
über die Gefahr einer neuen Krise und einen besseren regulatorischen Rahmen | |
reden, diesen Problemen in Wirklichkeit aber zu wenig Beachtung schenken. | |
Sie fürchten, dass eine neue Spekulationsblase entstehen könnte. Wieso? | |
Wir haben es mit einem fatalen Mechanismus zu tun. Um die Wirtschaft zu | |
unterstützten und die Banken zu retten, hat die US-Notenbank Fed die Zinsen | |
nahe null gesenkt. Es herrscht eine Schwemme billigen Geldes. Dieses | |
finanziert eine Rallye auf den Aktienmärkten. Investoren tauschen zudem | |
Milliarden US-Dollar gegen Währungen wie den chinesischen Renminbi oder den | |
brasilianischen Real ein, um von den dort höheren Zinsen zu profitieren. | |
Diese Kapitalströme sind spekulationsgetrieben. Sie können sehr schnell die | |
Richtung ändern und einen Zusammenbruch auslösen. Leider unternehmen die | |
Regierungen und Zentralbanken heute viel zu wenig, um diesen Mechanismus zu | |
durchbrechen. | |
Um sich gegen den Zustrom zu großer Mengen spekulativen Kapitals zu wehren, | |
haben Brasilien und andere Länder Begrenzungen für Investoren eingeführt. | |
Halten Sie es für gerechtfertigt, den freien Markt einzuschränken, um das | |
Entstehen einer neuen Blase zu verhindern? | |
Brasilien erhebt eine zusätzliche Steuer auf Kapitalimporte. Solche | |
Kapitalverkehrskontrollen können für Schwellenländer ein sehr vernünftiges | |
Mittel sein, um sich gegen massive Geldimporte zu schützen. Die Gefahr | |
besteht ja darin, dass die zufließenden Milliarden die Preise von | |
Immobilien und Wertpapieren in die Höhe treiben. Ändern sich die | |
Bedingungen, ziehen die Investoren ihr Geld aber auch sehr schnell wieder | |
ab, was zum Zusammenbruch des künstlichen Booms, Firmeninsolvenzen und | |
Arbeitslosigkeit führen kann. | |
Unternehmen die G-20-Staaten und der internationale Währungsfonds genug, um | |
sich gegen neue Fehlentwicklungen zu wappnen? | |
Nein, die Regulierung der Finanzmärkte kommt entgegen den offiziellen | |
Ankündigungen zu kurz. Die vorherrschende Strategie besteht eher darin, den | |
Leuten vorzugaukeln, alles sei wieder in Ordnung. Aber das stimmt nicht. | |
Bisher haben wir nur eine massive, teure Intervention der Regierungen | |
erlebt, um den Zusammenbruch wichtiger Banken zu verhindern. Der neue | |
legislative Rahmen, der die nächste Krise unwahrscheinlicher machen könnte, | |
fehlt aber noch. Wenn es so weitergeht, stecken wir in einigen Jahren | |
wieder im Schlamassel. | |
Welche Maßnahmen müssten die G-20-Staaten ergreifen? | |
Notwendig wären beispielsweise viel strengere Anforderungen an das | |
Eigenkapital, das die Banken zur Sicherheit zurücklegen müssen. Das | |
augenblickliche gültige Basel-II-Abkommen, das diese Fragen regelt, ist ein | |
Witz. Und auch die gegenwärtige Fortentwicklung reicht bei weitem noch | |
nicht aus. Die Banken sollen nur verpflichtet werden, für risikoreiche | |
Geschäfte einige wenige Prozent eigenen Geldes in Reserve zu halten. Das | |
allerdings hält sie nicht davon ab, mit leichten Änderungen weiterzumachen | |
wie bisher. | |
INTERVIEW: HANNES KOCH | |
26 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Deutsche Bank betroffen: Banken krachen schon wieder | |
Nach dem Markt für Eigenheime gerät der für Bürogebäude und | |
Einkaufspassagen ins Schlingern. Das bringt Finanzinstitute in die | |
Bredouille - auch die Deutsche Bank. | |
Weltwirtschaftsforum in Davos: Ökonomen watschen Sarkozy ab | |
Beim Weltwirtschaftsforum stößt die Forderung, die Währungspolitik besser | |
zu koordinieren, auf Kritik. Sie halten ein zweites Bretton Woods schlicht | |
für unrealistisch. | |
Weltwirtschaftsforum: Das Ende von Davos | |
Das Elite-Treffen steckt in einer tiefen Krise. Sein Niedergang könnte das | |
Ende der bisherigen finanzkapitalistischen Strukturen markieren. Und China | |
hat sein eigenes Davos. | |
Weltwirtschaftsforum in Davos: Das Ende der Selbstgefälligkeit | |
Am Mittwoch beginnt das Weltwirtschaftsforum in Davos. Man kehrt den | |
Finanzkrisen-Schutthaufen auf. Zumindest rhetorisch rückt eine Tobin-Steuer | |
in den Bereich des Möglichen. |