# taz.de -- Erlass des Innenministeriums: Vorerst keine Sperrlisten | |
> Das Innenministerium ordnet per Erlass an, keine Sperrlisten für | |
> Kinderpornoseiten zu erstellen. Das Bundeskriminalamt soll jetzt andere | |
> Staaten zum Löschen der Seiten auffordern. | |
Bild: Das "Stopp-Schild" will inzwischen niemand mehr. | |
FREIBURG taz | Am Dienstag tritt das Gesetz über Internetsperren in Kraft. | |
Doch bis auf Weiteres wird das Bundeskriminalamt (BKA) keine Sperrlisten | |
erstellen. Dies hat das Bundesinnenministerium jetzt per Erlass angeordnet. | |
Stattdessen sollen die Staaten, aus denen Kinderporno-Webseiten stammen, | |
systematisch zur Löschung der Seiten aufgefordert werden. | |
Das Gesetz war der Aufreger des letzten Jahres. Nach einer Kampagne der | |
damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) verabschiedete der | |
Bundestag im Juni das "Zugangserschwerungsgesetz". Das Gesetz sieht vor, | |
dass das Bundeskriminalamt (BKA) täglich eine Liste der zu sperrenden | |
kinderpornografischen Seiten erstellt und die Internetprovider die Sperrung | |
für ihre Kunden binnen sechs Stunden umsetzen. Wer als Internetnutzer auf | |
eine Seite stößt, sollte nur ein Stoppzeichen mit Erläuterungen sehen. | |
Dann passierte lange nichts. Bis Oktober prüfte die EU-Kommission das | |
Gesetz auf Wettbewerbsprobleme. Seitdem untersuchte es Bundespräsident | |
Horst Köhler auf offensichtliche Verfassungsmängel. Letzte Woche | |
unterzeichnete er schließlich. | |
An diesem Montag wird das Gesetz nun im Bundesgesetzblatt verkündet, einen | |
Tag später tritt es in Kraft. Eigentlich müsste das BKA jetzt also täglich | |
Sperrlisten erstellen. Doch in der Bundespolitik hat sich der Wind längst | |
gedreht. Schon im Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU und FDP vereinbart, das | |
Gesetz zunächst ein Jahr lang nicht anzuwenden. Erfolg hatte damit eine | |
breite Protestbewegung, die die Einrichtung einer vielfältig verwendbaren | |
Zensurinfrastruktur befürchtete. | |
Im Erlass des Innenministeriums heißt es nun eindeutig, es seien "weder | |
Sperrlisten zu erstellen noch Sperrlisten an die Internetserviceprovider zu | |
übermitteln". Auch die Sperrverträge, die das BKA - auf Druck Ursula von | |
der Leyens - bereits im vorigen April mit den Internetfirmen | |
unterzeichnete, sollen nicht angewandt, sondern gekündigt werden. Der | |
Erlass wurde von den Sperrgegnern des AK Zensur am Wochenende in einem | |
"ressortabgestimmten" finalen Entwurf veröffentlicht. | |
Laut Erlass ist ab sofort das Löschen von Kinderporno-Webseiten an der | |
Quelle als "erfolgversprechende" Maßnahme mit Vorrang anzusehen. Da das BKA | |
im Ausland keine Hoheitsgewalt hat, soll zwar nur der jeweilige Staat | |
benachrichtigt werden, verbunden aber "mit nachdrücklicher Bitte um | |
Löschung des entsprechenden Inhalts und um entsprechende Rückmeldung". Wenn | |
ein Staat die "Bitten" des BKA zu oft ignoriert, sollen das Auswärtige Amt | |
und das Justizministerium zusätzlichen Druck machen. Außerdem sollen laut | |
Erlass auch die Beschwerdestellen der Internetwirtschaft eingeschaltet | |
werden, damit diese ihre Kontakte ebenfalls für eine Löschung der | |
Kinderpornoseiten nutzen. Die Erfahrungen der nächsten Zeit sollen in die | |
von der Bundesregierung jüngst angekündigte Initiative für ein Löschgesetz | |
einfließen. | |
Besonders interessant dabei: Monatlich soll das BKA berichten, wie viele | |
Seiten es in welche Länder gemeldet hat und was daraus wurde. Dabei dürfte | |
endlich bekannt werden, ob es überhaupt eine nennenswerte Zahl von | |
Kinderpornoseiten im frei zugänglichen Internet gibt. Kritiker hatten immer | |
erklärt, dass solche Inhalte vor allem in geschlossenen Nutzergruppen | |
getauscht werden. - Der AK Zensur fordert weiter die Aufhebung des | |
Zugangserschwerungsgesetzes. "Eine Dienstanweisung an das BKA kann das | |
Ministerium jederzeit rückgängig machen, heimlich, still und leise", so | |
AK-Sprecher Alvar Freude. Am Donnerstag wird der Bundestag über | |
entsprechende Gesetzentwürfe von Linken, Grünen und SPD beraten. | |
Zufällig befasst sich am Montag der Petitionsausschuss des Bundestags mit | |
der Onlineeingabe von rund 134.000 Zensurgegnern aus dem letzten Jahr. | |
22 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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