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# taz.de -- Chinesischer Dissident: Flugverbot für Querdenker
> Der Schriftsteller Liao Yiwu darf erneut nicht für eine Lesung nach
> Deutschland ausreisen. Polizisten holten ihn aus dem Flugzeug. Ihre
> Begründung: Das sei von oben gekommen.
Bild: Seit vielen Jahren dürfen Yiwus Werke nicht mehr in China veröffentlich…
Er hatte es schon ins Flugzeug geschafft und seiner Freundin per Handy
zugejubelt: "Bin drin!" Doch die Freude währte nur kurz. Fünf Minuten
später rief er wieder an: "Sie haben mich aus der Maschine geholt, wir sind
auf dem Weg zur Polizeistation." So scheiterte am Montag der Versuch des
chinesischen Schriftstellers Liao Yiwu, aus Chengdu in der Provinz Sichuan
über Peking nach Deutschland zu fliegen. Er wollte einer Einladung des
Kölner Literaturfestivals "lit.Cologne 2010" nachkommen.
Dort sollte er am 19. März in der Kölner Kulturkirche über sein Werk
"Fräulein Hallo und der Bauernkaiser" und sein Leben in China sprechen. Das
Buch mit Interviews unter anderem mit Bettlern, Prostituierten und
Kriminellen gehört zu den wichtigen Zeugnissen des Alltags in der heutigen
Volksrepublik.
Obwohl Liao gültige Reisepapiere besaß, darunter ein Visum für die
Bundesrepublik, hielten Polizisten den 51-jährigen Autor drei Stunden auf
der Wache fest, bevor sie ihn gegen 15:30 Uhr heimgehen ließen: "Sie
verboten mir nicht nur die Ausreise nach Deutschland", sagte er der taz,
"sondern sie erklärten auch, dass ich Chengdu nicht verlassen darf." Zudem
müsse er fortan die Behörden informieren, wenn er auf die Straße gehen
wolle.
Die Beamten seien "relativ höflich" gewesen und hätten ihn nicht physisch
bedroht, sagte Liao. Sie hätten ihn über das Literaturfestival in Köln
ausgefragt und angedeutet, die Entscheidung über das Ausreiseverbot sei
"von oben" gekommen. Details nannten die Polizisten nicht.
Liao wird nicht zum ersten Mal daran gehindert, nach Deutschland zu
fliegen. Schon an der Frankfurter Buchmesse im vorigen Oktober hatte er
nicht teilnehmen dürfen, obwohl er eine offizielle Einladung und einen
gültigen Pass besaß. Auch in den Jahren zuvor hatte er mehrfach vergeblich
versucht, zu Literaturtreffen in Australien und in andere Länder zu reisen.
Warum gerade Liao immer wieder daran gehindert wird, China zu verlassen,
andere kritische Autoren aber frei reisen dürfen, ist nicht bekannt.
Womöglich hängt dies mit seiner Heimat Sichuan zusammen, deren Behörden
offenbar besonders scharf gegen Querdenker vorgehen. Vor wenigen Wochen war
der oppositionelle Künstler Ai Weiwei, der in Peking bislang unbehelligt
leben kann, in Chengdu von Beamten so heftig verprügelt worden, dass er in
München operiert werden musste. Ai Weiwei wird beim Kölner Literaturfest
mit der Nobelpreisträgerin Herta Müller debattieren.
Der Bürgerrechtler Tan Zuoren wurde inzwischen in Chengdu zu fünf Jahren
Gefängnis verurteilt. Er hatte mit Ai Weiwei und anderen gemeinsam nach den
Namen der Kinder geforscht, die beim Erdbeben im Mai 2008 in ihren - zum
Teil besonders schlecht gebauten - Schulen verschüttet worden waren. Das
harte Urteil gegen Tan begründeten die Richter damit, dass er über die
Demokratiebewegung vom Tiananmen 1989 geschrieben habe. Seine Freunde sind
aber sicher, dass seine Aktivitäten nach dem Erdbeben bestraft werden
sollten.
Autor Liao hatte mit Problemen gerechnet, nachdem ihm Polizisten Anfang des
Jahres wieder einmal erklärten, er müsse "noch etwas warten" und solle
"kein Aufsehen erregen", dann würde er irgendwann sicher ins Ausland reisen
dürfen. Nur jetzt noch nicht. Im Februar schrieb Liao daher einen [1][Brief
an Bundeskanzlerin Angela Merkel], in dem er um ihre Unterstützung bei der
Ausreise nach Köln bat. Daraufhin setzten sich, wie Berliner Diplomaten
berichten, Vertreter der deutschen Regierung wiederholt bei der
chinesischen Botschaft in Deutschland und direkt in Peking für ihn ein. Das
Auswärtige Amt drückte gestern sein Bedauern über das Reiseverbot aus.
Der Schriftsteller hatte nach 1989 vier Jahre im Gefängnis gesessen. Sein
Gedicht über das Tiananmen-Massaker hatte ihn unter chinesischen
Oppositionellen bekannt gemacht. Seit vielen Jahren dürfen seine Werke
nicht mehr in China veröffentlicht werden. Sein Buch "Das Zeugnis", in dem
er seine Jahre in Haft beschreibt, soll demnächst in deutscher Sprache
veröffentlicht werden. Die lit.Cologne hat bereits angekündigt, seine
Veranstaltung am 19. März auch ohne ihn durchzuführen - aus Solidarität.
"Ich bin das alles so leid", sagte Liao gestern der taz, als er von der
Polizeiwache wieder nach Hause gekommen war. "Jetzt habe ich wirklich die
Hoffnung verloren."
2 Mar 2010
## LINKS
[1] /1/politik/asien/artikel/1/sie-hoffen-dass-ich-verstumme/
## AUTOREN
Jutta Lietsch
## TAGS
Pu Zhiqiang
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