# taz.de -- Südafrikas Männer: Alle sechs Stunden ein Frauenmord | |
> Das WM-Land ist Weltspitze bei den Vergewaltigungs- und Mordraten. Und | |
> ihr Präsident Zuma ein ziemlich schlechtes Beispiel. Aber Südafrikas | |
> Männer beginnen umzudenken. | |
Bild: Präsident Jakob Zuma steht wegen Vergewaltigung vor Gericht. | |
Bafana Khumalos Herz sank in die Hose, als sich ein älterer Mann zu Wort | |
meldete. Es war am dritten Tag seines Workshops zu "Aids und Geschlecht" in | |
einer ländlichen Gemeinde in Südafrika. Workshopleiter Khumalo erwartete | |
eine Tirade darüber, dass die Gleichheit zwischen Frauen und Männern nicht | |
der afrikanischen Kultur entspreche. Und weil Alte hohen Respekt genießen, | |
rechnete er damit, dass der Mann seine ganze Veranstaltung platzen lassen | |
würde. | |
"Gestern, als ich heimkam", begann der Teilnehmer, "rief ich meine Söhne | |
zusammen, meine Frau, und ich erklärte ihnen, was wir in diesem Workshop | |
machen." Er sagte seinen Kindern, dass die Dinge sich von nun an ändern | |
müssten. Es gehe nicht an, dass die Mutter müde von der Arbeit heimkomme | |
und dann kochen, putzen und abwaschen müsse. Das sei unfair. Von jetzt an | |
müssten alle mithelfen. | |
In diesem Moment spürte Bafana Khumalo, dass seine Anstrengungen auf | |
fruchtbaren Boden gefallen waren. Der Pastor hatte 2006 das Sonke-Netzwerk | |
für Geschlechtergerechtigkeit mitgegründet, eine | |
Nichtregierungsorganisation, die Männer für einen anderen Umgang mit Frauen | |
und Sexualität zu gewinnen versucht. Sonke - ein Nguni-Wort für "alle von | |
uns" - gilt als eine der produktivsten NGOs für emanzipative Männerarbeit | |
weltweit. Rund 50 Beschäftigte organisieren Workshops und Kampagnen. | |
Die Resonanz ist überwältigend. Binnen zwei Jahren wuchs Sonke | |
explosionsartig und arbeitet nun zusammen mit Partnerorganisationen in | |
Mosambik, Namibia, Sambia, Kenia, Uganda, Burundi und Ruanda. Studien | |
bestätigen den Workshops Erfolge: Teilnehmer arbeiten danach signifikant | |
häufiger im Haushalt, sind weniger gewalttätig, benutzen öfter Kondome und | |
senken so die Aids-Ansteckungsrate. | |
Südafrikas Traditionen führten dazu, sagt Khumalo, dass Männlichkeit "mit | |
Dominanz und Aggression, sexueller Eroberung und Furchtlosigkeit" | |
verwechselt werde. Um das zu ändern, müssten alle Aspekte von | |
Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern angesprochen werden. Er glaubt, | |
dass es dazu eine hohe Bereitschaft in Südafrika gebe. Die extreme Gewalt | |
beunruhige auch viele Männer, sie hätten Angst um sich selbst, um ihre | |
Frauen und Töchter. | |
Die Zahlen sind in der Tat schockierend. Alle sechs Stunden wird in | |
Südafrika eine Frau von ihrem Intimpartner getötet, das ist die höchste | |
Rate, die jemals in der Welt ermittelt wurde. Das Land weist weltweit die | |
höchste Vergewaltigungsrate und gleichzeitig mit rund 6 Millionen | |
Infizierten die höchste HIV-Rate auf. Und beide Epidemien sind untrennbar | |
miteinander verknüpft. Bei Vergewaltigungen stecken sich Frauen oft mit dem | |
Aids-Virus an oder geben es weiter, sodass gewalttätige Männer doppelt so | |
häufig HIV-positiv sind wie nicht gewalttätige. Männer werden aber auch | |
selbst häufig Opfer sexualisierter Gewalt. Zehn Prozent der Befragten gaben | |
an, schon einmal zum Sex mit einem Mann gezwungen worden zu sein. | |
Trainer Khumalo stellt in seinen Workshops heraus, dass Gewalt für Frauen | |
und Männer gefährlich ist, dass in Südafrika siebenmal mehr Männer als | |
Frauen getötet werden - fast immer von ihren Geschlechtsgenossen. Für den | |
weißen Kodirektor von Sonke, Dean Peacock, ist das ebenfalls eine Form von | |
geschlechterbasierter Gewalt: "Wenn Männer verstehen, dass sie aufgrund | |
derselben Gewalt in großer Zahl sterben, dann suchen sie friedlichere Wege, | |
um ihre Männlichkeit auszudrücken." | |
Allerdings fürchtet Peacock, dass der neue Präsident Jacob Zuma ein extrem | |
schlechtes Vorbild für die südafrikanischen Männer ist. Zuma, bekennender | |
Polygamist, stand wegen Vergewaltigung vor Gericht und wurde | |
freigesprochen. Zahlreiche Männer sagten nun, "wenn Jacob Zuma viele Frauen | |
haben kann, dann kann ich viele Freundinnen haben", beobachtet Peacock. | |
"Diese hypermaskuline Rhetorik gefährdet unsere Arbeit." Umso wichtiger ist | |
für Sonke die Kampagne "One Man Can", die inzwischen in vielen Ländern des | |
südlichen Afrika läuft - in Form von Musik, Plakaten, T-Shirts, Videos, | |
Fußballturnieren und Kulturveranstaltungen. Die Botschaft: "Männer können | |
lieben - leidenschaftlich, respektvoll und sensibel." | |
Väter werden aufgefordert, "ein positives Rollenmodell" für ihre Söhne zu | |
sein, ihnen zuzuhören, ihnen beizubringen, wie man Ärger ausdrückt, ohne | |
Gewalt anzuwenden. Religiöse Führer werden gebeten, Gruppen zu bilden, in | |
denen Männer sich aussprechen und Frauen einander beistehen können. | |
Jugendliche werden animiert, männliche Stärke zu zeigen, indem sie gegen | |
Gewalt an Frauen kämpfen. | |
"Man bringt uns bei, dass Männer sich nicht kontrollieren können, wenn sie | |
ärgerlich oder wütend sind", heißt es in einem Text der Kampagne. "Das ist | |
eine Beleidigung für Männer. Wir sind keine Tiere. Wir sind menschliche | |
Wesen mit der Fähigkeit, zu entscheiden, wie wir reagieren." | |
Sonke ist nur eines von unzähligen Projekten für emanzipative Männerarbeit, | |
die vor allem in Afrika eine Blüte erleben. Inzwischen sind die "engaged | |
men" weltweit vernetzt. Im Frühjahr 2009 trafen sich in Rio de Janeiro rund | |
450 Engagierte aus 80 Ländern. Am Ende der Tagung verabschiedeten sie die | |
"Deklaration von Rio". Diese zählt "die hohen Kosten" auf, die Männer und | |
Jungen durch die rigide gesellschaftliche Definition von Männlichkeit zu | |
zahlen hätten: Jungen lernten, "ihre Humanität zu verleugnen", wenn sie | |
nach "gepanzerter Männlichkeit" suchten. Die Mächtigen opferten junge | |
Männer in Kriegen als Kanonenfutter. Und viele Männer fügten sich selbst | |
immense Verletzungen zu, weil sie ihre physischen und psychischen | |
Bedürfnisse verleugneten. Aber nun wachse eine weltweite Bewegung heran, | |
die Millionen Männer erreiche | |
8 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Ute Scheub | |
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