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# taz.de -- Kommentar Missbrauchsdebatte: Hinterfragt die Säulenheiligen
> Die Missbrauchsdebatte, so scheint es, schützt offenbar vor keiner
> Blödheit. Es ist Zeit, nach ersten personellen Konsequenzen auch
> strukturelle Fragen zu stellen.
Die Leiterin der Odenwaldschule bricht in Tränen aus, als sie vom
Missbrauch einer Zehnjährigen berichtet. Papst Benedikt XVI. zeigte sich
gestern bestürzt und tief besorgt. Und der Guru der Pädagogik, Hartmut von
Hentig, flüchtet sich in Sophistereien darüber, wer im Odenwald eigentlich
wen verführt habe. Die Missbrauchsdebatte, so scheint es, schützt offenbar
vor keiner Blödheit. Es ist Zeit, nach ersten personellen Konsequenzen auch
strukturelle Fragen zu stellen. Dabei darf auf keinen der vermeintlichen
Säulenheiligen Rücksicht genommen werden.
Das Gros der Missbrauchsfälle scheint 30 Jahre zurückzuliegen. Es gibt auch
deutliche Anhaltspunkte dafür, dass etwa die Situation an der
Odenwaldschule inzwischen eine ganz andere ist als damals. Aber wer Kinder
schützen und das zerstörte Vertrauen in die Internate zurückgewinnen will,
der kann gar nicht anders, als deren wichtigste Träger zu untersuchen: die
Katholiken, die die meisten Internate betreiben, und gleich danach die
Landerziehungsheime, die etwa 6.000 Schüler betreuen.
Diese Einrichtungen können gar nicht anders, als zu zeigen, dass sie sich
nachhaltig verändert haben - und der verschmockte Name
"Land-Erziehungs-Heim" ihres Gründers Hermann Lietz so gut wie nichts mehr
mit der pädagogischen Realität zu tun hat, die dort heute herrscht.
Es steht zu erwarten, dass nach den Offenbarungen aus der Odenwaldschule
die Alternativpädagogik als Ganzes auf den Prüfstand kommt. Immerhin ist
die Schule so etwas wie das reformpädagogische Gedächtnis. Diese Prüfung
wird, wie einst bei den Tiraden gegen Joschka Fischer und seine militante
Vergangenheit, wohl eher ein Spießrutenlauf werden. Aber da muss der kleine
freche Nachfahre der deutschen Erziehungstradition jetzt durch. Das ist
unbequem - und zugleich eine Gelegenheit, sich von rechtslastigen bis
antisemitischen Elementen dieser Pädagogik endlich zu befreien. Die
Deutschen werden in diesem Diskurs einmal mehr verstehen, wo sie herkommen.
Und dann besser entscheiden können, wo sie eigentlich hinwollen.
13 Mar 2010
## AUTOREN
Christian Füller
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