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# taz.de -- taz-Serie Soziale Stadt: Genossenschaften: Wo dein Platz, Genosse, …
> Die Genossenschaft Bremer Höhe bietet in Prenzlauer Berg seit 10 Jahren
> günstige Mieten. Sind Genossenschaften ein Mittel gegen Spekulation und
> Aufwertung?
Bild: Wohnungssuche im Prenzlauer Berg
Filz bei SPD und Howoge, kräftige Zuschläge bei Neuvermietung, Kündigungen
im ehemaligen sozialen Wohnungsbau. Auf dem Berliner Wohnungsmarkt geht es
drunter und drüber. Wie gut, dass Ulf Heitmann da eine gute Nachricht
vermelden kann. Wie ein Fels in der Brandung steht der Mann mit dem
Wuschelkopf im Begegnungsraum der Bremer Höhe und freut sich: "Als
Genossenschaft haben wir ein Mietniveau, das unter dem des Mietspiegels
liegt."
Genossenschaft, das klang lange nach verstaubter Arbeiterromantik, leeren
Konsumregalen und DDR-Schick. Nicht unbedingt attraktiv für den hippen,
aber auch prekären Prenzlauer Berg. Doch Heitmann und die Mitarbeiter der
Bremer Höhe haben den Genossenschaftsgedanken vor zehn Jahren entschlackt
und neu erfunden. Wenn auch nicht ganz freiwillig. 1999 stand das
Gebäudeensemble aus der Gründerzeit zwischen Schönhauser Allee und
Greifenhagener Straße zum Verkauf. Die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer
Berg (WIP), die die 21 Häuser mit ihren 521 Wohnungen nach der Wende
übernommen hatte, wollte mit der Privatisierung Schulden loswerden.
Das war der Moment für den inzwischen verstorbenen Stadtteilaktivisten und
PDS-Abgeordneten Bernd Holtfreter und Mieterberater Heitmann. Zwar war der
Vertrag mit einem Hamburger Investor bereits unterzeichnet, eine Klausel
aber ermöglichte die Rückabwicklung - wenn die Mieter selbst kaufen wollen.
Holtfreter und Heitmann organisierten den Widerstand und bastelten an einer
Alternativlösung: "Geholfen hat uns dabei, dass Genossenschaften seit 1999
auch mit Mitteln aus den Programmen zur Stadterneuerung gefördert werden
können", erinnert sich Heitmann.
Weil auch der Senat nicht an Unruhe in Prenzlauer Berg interessiert war,
kam es zur Gründung der Genossenschaft Bremer Höhe e. G., die am 20.April
2000 in einer Anwaltskanzlei am Kudamm notariell beglaubigt wurde. Der
Kaufpreis an die WIP betrug 17,2 Millionen Euro, die Sanierung sollte noch
einmal 24 Millionen Euro kosten.
Wenn es ums Geld geht, kann sich Ulf Heitmann noch heute echauffieren.
"Ja", sagt er, "wir haben öffentliche Mittel bekommen." Es sei aber ein
böses Gerücht, dass wegen der Bremer Höhe im Topf der öffentlichen
Altbausanierung kein müder Cent übrig gewesen sei. "Wir haben gerade einmal
8,6 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln bekommen", sagt Heitmann. "Dass
das Programm soziale Stadt kurze Zeit später eingestellt wurde, lag nicht
an uns. Es war eine politische Entscheidung."
Zehn Jahre später sind die Erinnerungen an die Mühen des Beginns verblasst,
es überwiegt die Freude über das Erreichte. "Wer bei uns wohnt, wohnt so
sicher wie in der eigenen Wohnung", sagt Genossenschaftsvorstand Barbara
König. Zwar gebe es in der Bremer Höhe kein Einzeleigentum, aber auch keine
Spekulation. "Bei uns bestimmt jeder mit, in welche Richtung wir gehen",
sagt König. Der größte Vorteil: Die Genossenschaft muss keinen Gewinn
machen, entsprechend niedrig sind die Mieten. "Selbst bei Neuvermietungen
bleiben wir unter dem Mietspiegel", freut sich König. Einziger
Wermutstropfen: Wer eine der begehrten Wohnungen will, muss erst mal 5.000
Euro Mitgliedsbeitrag berappen. Und die Warteschlange ist lang, vor allem
für Familien mit Kindern.
Sind die Genossenschaften also die besseren Eigentümer und Vermieter? König
ist nur bedingt optimistisch. "Nicht nur die Förderung ist weggefallen,
auch die zinsverbilligten Kredite vom Land gibt es 2002 nicht mehr", sagt
sie. Auch mit der Abschaffung der Eigenheimzulage haben die
Genossenschaften zu kämpfen. Die Zeiten, in denen es für den Kauf der
Bremer Höhe noch Kredite von der landeseigenen Investitionsbank Berlin gab,
sind vorbei. Wie jeder andere Eigentümer müssen sich auch Genossenschaften
ihr Geld vom Kapitalmarkt holen.
Hinzu kommt die Finanzkrise. Von der weiß Peter Weber ein Lied zu singen.
Er ist Geschäftsführer der Genossenschaft "Selbstbau", die nach der Wende
mit zwei Häusern in der Rykestraße gestartet war. Weil alles gut klappte,
kamen weitere Häuser dazu. Finanziert wurden die Käufe von der Landesbank
Schleswig-Holstein. "Wir haben Kredite in Höhe von über zehn Millionen Euro
aufgenommen, womit wir neun Objekte kaufen und sanieren konnten", sagt
Weber.
Das Problem: Die Landesbank gibt es nicht mehr. Sie fusionierte im Zuge der
Finanzkrise zunächst mit der Hamburgischen Landesbank, später wurde daraus
die HSH Nordbank. Die aber wollte plötzlich deutlich mehr Zinsen, erinnert
sich Weber. "Begründet wurde dies mit dem schlechten Rating unserer
Genossenschaft, da wir so niedrige Mieten haben." Mit anderen Worten: Wer
die Preise nach oben treibt und mit Wohnraum spekuliert, bekommt Geld. Wer
mieterfreundlich handelt, muss draufzahlen. Selbst ein persönliches
Gespräch half da nicht mehr weiter. Seit die HSH Nordbank Kreditgeber ist,
entscheiden nicht mehr individuelle Ansprechpartner, sondern die Computer.
Die nötige Kreditverlängerung hat Weber schließlich bei einer Privatbank
bekommen.
Auch die Bremer Höhe ist inzwischen gewachsen. Zum Ensemble in Prenzlauer
Berg kamen die Liebigstraße 15 in Friedrichshain, die Katzlerstraße 13 in
Schöneberg sowie eine Wohnanlage an der Ruschestraße in Lichtenberg. Die
Genossenschaft hat sogar ein ganzes Dorf übernommen, freut sich
Vorstandsmitglied Barbara König: "Anfang des Jahres haben wir von der
Gesobau das Gut Hobrechtsfelde erworben." Damit zählt die Bremer Höhe
insgesamt 1.130 Bewohner.
Ohne politische Weichenstellungen aber sind dem weiteren Wachstum der
Genossenschaften enge Grenzen gesetzt, meint Klaus Mindrup,
SPD-Bezirksverordneter in Pankow und selbst Mitglied der Bremer Höhe.
"Anders als die Baugruppen bringen die Gründer einer Genossenschaft kaum
Eigenkapital mit", sagt er. Vor allem bei der Anschubfinanzierung müssten
die Genossenschaften deshalb unterstützt werden, etwa durch die Vergabe von
Grundstücken in Erbpacht durch den Liegenschaftsfonds, der landeseigene
Areale vermarktet.
Eines aber stellt Mindrup klar: "Neubau ist für Genossenschaften zu teuer.
Wir sind darauf angewiesen, bereits bestehende Grundstücke zu übernehmen
und zu sanieren." Immerhin: In seinem Portfolio für Baugruppen hat der
Liegenschaftsfonds erstmals ein Bestandsgebäude. Zurzeit befindet sich
darin noch der Dienstsitz von Ephraim Gothe (SPD), dem Baustadtrat des
Bezirks Mitte.
13 Mar 2010
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
DDR
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