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# taz.de -- Die Bloggerkonferenz Republica in Berlin: Wo Blogger übers Bloggen…
> Die Republica ist Deutschlands größte Bloggerkonferenz. Das Treffen der
> Internetautoren ist längst keine Nischenveranstaltung mehr, aber immer
> noch selbstreferentiell. Ein Rundgang.
Bild: Vollgebloggt: Der Friedrichstadtpalast in Berlin
Dann fragt der Internetguru [1][Jeff Jarvis]: "Wer von euch hat einen
Blog?". Und alle Hände gehen hoch im gut gefüllten Saal des
Friedrichstadtpalastes. Da müssen selbst die vielleicht tausend Blogger
lachen. Jemand ruft: "Jeder zweite Blogger ist heute hier!"
Im Berliner Friedrichstadtpalast finden normalerweise große Revueschauen
statt. Im Februar gastierte dort die Berlinale, auch die Modemesse Fashion
Week nutze schon den großen Saal. Seit Mittwoch läuft hier die
[2][Republica], Deutschlands größte Bloggerkonferenz. Früher diskutierten
die Blogger Nischenprobleme. Heute sind es die einer ganzen Gesellschaft.
Sie sind raus aus den Fabriketagen und Kellern.
Drei Tage lang treffen sich hier alle, deren Berufsfeld grob mit
Was-mit-Medien überschrieben wird. Mehr Männer als Frauen sitzen auf den
Theaterrängen. Das Publikum ist größtenteils jung - ein niederländischer
Teilnehmer bezeichnet in einer Diskussionsrunde alle über 35-Jährigen als
alt.
Viele haben ein Notebook vor sich, andere halten ein iPhone in der Hand,
einzelne tragen sichtbar ein iPad. Die Insignien der Blogger sind deutlich:
ohne Status-Symbol von Apple geht es nicht. Der Kleidungsstil ist modisch
mal leger, die Berufsblogger tragen Sakko und Turnschuhe.
Informatikerklischees? Fehlanzeige. Allein die Hornbrillendichte fällt auf,
doch die sind modisches Accessoire.
Nachdem US-Blogger Jarvis seinen Vortrag beendet hat, sind bereits die
ersten Kommentare online. Der New Yorker Professor ist so etwas wie ein
Internetpromi. In seinem Vortrag hat er für totale Transparenz im Web
plädiert - auch für Privatpersonen. Nach der Veranstaltung zückt der
schmale Jarvis immer wieder sein iPhone, um die Kontroverse online zu
verfolgen.
Das ist die Spannweite der Republica: Zum einen die große
Gesellschaftsdiskussion, zum anderen die Fachmesse. Blogger bloggen übers
Bloggen - selbstreferentieller geht es nicht. Nach Angaben der Veranstalter
sind dieses Jahr über 2.500 Blogger zur Konferenz gekommen. Insgesamt soll
es über 160 Vortäge und Workshops mit 265 Referenten in drei Tagen geben.
Es wird das Internet der Zukunft diskutiert. Welche Daten dürfen Facebook
und Google speichern, wie sieht die neue Arbeitswelt aus und kann
Kinderpornographie im Netz verboten werden.
Johnny Häusler, Anzug, Hut, randlose Brille und in orangenen Socken
navigiert sich mit seinem iPhone von Termin zu Termin. Gemeinsam mit Markus
Beckedahl vom Blog "Netzpolitik" veranstaltet Häusler die Republica. Sie
bilden eine Clique von Berliner Bloggern, die in der Szene als Stars
gehandelt werden. Sie operieren von Mitte, Prenzlauer Berg und Kreuzberg
aus. Ihre Blogs gehören zu den meistgelesenen in der Republik.
Häusler war Rundfunkjournalist und hat mal in der Berliner Rockband Plan B
gespielt, und schreibt nun unter [3][spreeblick.com], Beckedahl enthüllt
auf [4][Netzpolitik.org] regelmäßig Datenskandale. Wenn Medienleute zeigen
möchten, das Bloggen politisch Einfluss hat, dann zeigen sie diese beiden.
Auf der Republica sind sie im Dauerinterview - von Morgenmagazin bis zur
Kreisstadtzeitung.
Ein neues Selbstbewusstsein ist unter den Bloggern entstanden: Immer öfter
werden ihre Themen aufgegriffen. Zuletzt sorgte die Internetplattform
Wikileaks für Aufsehen, jemand hatte ein Video online gestellt, das zeigte
wie amerikanische Soldaten Iraker und zwei Reuters-Journalisten erschossen
und dies zynisch kommentierten. In Deutschland wurde die Sponsoring-Affäre
von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in Blogs aufgedeckt.
"Wer sich nur ein bisschen für Politik interessiert, der muss sich damit
beschäftigen", sagt Tim Schoof, 20 Jahre. Er schreibt am liebsten über
Politik, Kaffee und sein iPhone. Viele Blogger kennen sich seit Jahren, auf
der Republica treffen sie sich das erste Mal in der Wirklichkeit. "Ich hab
da gerade Multitasking auf deinem iPhone gesehen, ist da OS 4.0 drauf?"
"Ja, aber das ist noch ziemlich beta." "Ich kannte bisher nur deinen
Twitter-Avatar, ich bin der Marcus."
Die weite Welt des Internets schrumpft im Friedrichstadtpalast auf
Dorfgröße zusammen. Für [5][Bastian Greshake] ist die Konferenz immer wie
eine "Familienzusammenführung". Er hat sein rot gefärbtes Haar zum Zopf
gebunden. Er schreibt an einer Arbeit für die Uni, nebenher läuft der
Kurzmitteilungsdienst Twitter auf seinem Bildschirm. Außerdem ist er gerade
im Wahlkampf. Greshake ist [6][Gedankenstuecke:Landtagskandidat für die
Piratenpartei] in NRW. Eigentlich habe er keine Zeit für die Republica
gehabt, andererseits arbeiten könne er überall, sagt Greshake und tippt
weiter.
Nicht weit von ihm steht Simon, er ist wegen der Vorträge gekommen: "Ich
habe bereits soviel Input bekommen, das reicht noch für Wochen." Einen
eigenen Blog betreibt er nicht. "Aber ich bin Vollzeittwitterer", sagt er.
Gerade warnt er per Twitter die anderen Republica-Besucher: Das vegane
Essen auf der Republica sei nicht vegan.
Die Abendveranstaltungen auf der Republica sind der Unterhaltung gewidmet.
Einige Besucher sind bereits 10 Stunden auf der Konferenz, es gibt eine
Twitterlesung. Dort werden die pointierten 140-Zeichen-Mitteilungen
vorgelesen. Auch Internetguru Jeff Jarvis sitzt inmitten der Blogger. Sein
Deutsch sei schlecht, sagt er, aber den unterhaltsamen Teil des Abends will
er dennoch nicht verpassen. Die ersten Twitter-Nachrichten drehen sich um
das Thema Twitter. Einige fahren ihre Notebooks herunter, andere lachen.
Ein bisschen ist es so als lachen sie über sich selbst.
16 Apr 2010
## LINKS
[1] http://www.buzzmachine.com/
[2] http://re-publica.de/10/
[3] http://spreeblick.com
[4] http://Netzpolitik.org
[5] http://www.gedankenstuecke.de/
[6] http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer
## AUTOREN
Laurence Thio
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