# taz.de -- Was Bildung eigentlich heißen muss: "Fröhliches Lernen ist wichti… | |
> Lernen soll Freude machen - das finden sowohl Ex-Schulsenatorin Sybille | |
> Volkholz als auch Historiker Jürgen Overhoff. Trotzdem gibts | |
> Meinungsverschiedenheiten. | |
Bild: Referent Overhoff erzählt "Vom Glück, lernen zu dürfen". | |
Punkt 9:15 schaut Sybille Volkholz in den bereits zur Hälfte gefüllten | |
Raum. "Hätte ich gar nicht gedacht, dass das hier so reibungslos abläuft", | |
sagt die ehemalige Berliner Schulsenatorin mit gutmütigem Spott, "ich | |
dachte, wenn die taz schreibt, wir fangen um neun an, dann kommen die | |
Studis erst um elf." | |
"Vom Nutzen des Unnützen - Was Bildung eigentlich heißen muss" ist die | |
Diskussion zwischen Volkholz und Jürgen Overhoff überschrieben, und | |
offensichtlich findet das Thema großen Anklang, auch wenn nicht alle ganz | |
pünktlich sind. | |
Jürgen Overhoff lehrt Historische Pädagogik und Neuere Geschichte an der | |
Universität Hamburg. In seinem Buch "Vom Glück, lernen zu dürfen", das im | |
März 2009 erschienen ist, wendet er sich gegen den Anspruch, Bildung müsse | |
einen ökonomischen Zweck erfüllen. Er argumentiert mit Philosophen der | |
Aufklärung von John Locke bis Immanuel Kant, die er als "wichtiges | |
historisches Korrektiv" für die derzeitige Bildungsdebatte bezeichnet. | |
Schon Locke habe hervorgehoben, wie wichtig die Freude am Lernen sei, damit | |
Kinder sich freiwillig Wissen aneignen. Das "fröhliche Lernen", wie | |
Overhoff es nennt, ist ihm viel wichtiger als die Frage, ob der | |
Wirtschaftsstandort Deutschland eine bessere Bildung braucht, um im | |
internationalen Wettbewerb bestehen zu können. | |
Bildung als Wert an sich | |
Sybille Volkholz, die in den Siebziger Jahren an einer Hauptschule | |
unterrichtet hat, entgegnet: "Freude am Lernen und wirtschaftlicher Nutzen | |
müssen sich nicht widersprechen. Außerdem wollen Schüler in jeder | |
Schulstunde wissen, warum sie den jeweiligen Stoff lernen müssen und wazu | |
sie ihn einmal brauchen werden. Der Wunsch nach zweckfreier Bildung ist der | |
Wunsch einer ganz bestimmten, nämlich der bildungsbürgerlichen Schicht, die | |
sich durch ihre Bildung abheben will von denen, die nicht gebildet sind." | |
Aber da missversteht sie Overhoff offenbar. Ihm geht es nicht um Bildung | |
als Zeitvertreib oder als gesellschaftliches Dekor einer reichen | |
Oberschicht, sondern darum, dass Bildung keinen Zweck braucht, weil sie ein | |
Wert an sich ist. "Ich glaube, dass alle Kinder Freude am Lernen haben | |
können. Man muss sie ihnen nur vermitteln. Die Aufklärer haben Bildung | |
verstanden als Verheißung für jeden einzelnen Menschen, seine | |
intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten zu entwickeln. Bildung als | |
Abgrenzungsmerkmal einer bestimmten Schicht, diese Sichtweise ist erst im | |
19. Jahrhundert aufgekommen." | |
Auch Volkholz versucht, Kindern die Freude am Lernen begreiflich zu machen. | |
Das "Bürgernetzwerk Bildung" des Vereins Berliner Kaufleute und | |
Industrieller vermittelt unter ihrer Leitung ehrenamtliche Lesepaten an | |
Schulen, deren Schüler vornehmlich aus bildungsfernen Schichten stammen. | |
Jürgen Overhoff: Vom Glück, lernen zu dürfen. Für eine zweckfreie Bildung, | |
Klett-Cotta, 2009. 271 S. 22,90 Euro. | |
24 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Kristina Rath | |
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