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# taz.de -- Verbot der Ganzkörperverschleierung: Burka wird europäisches Stre…
> Als erstes europäisches Land hat sich Belgien ein Burka-Verbot verordnet.
> Frankreich und Österreich werden wohl folgen. Zweifel an der
> Verfassungsmäßigkeit werden laut.
Bild: Verschleierte Gesichter soll es in Belgien demnächst nicht mehr geben.
PARIS taz | Belgien hat vorläufig keine Regierung mehr, dafür demnächst als
erstes europäisches Land ein Burka-Verbot. Das nennt sich politische
Prioritätensetzung! Noch vor Frankreich will Belgien das öffentliche Tragen
einer Ganzkörperverschleierung, angeblich aus Sicherheitsbedenken und zum
Schutz der Demokratie, unter Strafe stellen. Einer entsprechenden Vorlage
haben die Parlamentarier der Abgeordnetenkammer nahezu einstimmig ihre
Zustimmung gegeben.
"Wir können nicht zulassen, dass manche das Recht für sich in Anspruch
nehmen, andere anzuschauen, ohne selbst gesehen zu werden", begründete der
Abgeordnete Daniel Bacquelaine von den frankophonen Liberalen seine
Initiative. Ob dieses Gesetz auch die Hürde des Senats nehmen wird, ist
noch unklar.
Wie in der Debatte im benachbarten Frankreich werden Bedenken an der
Verfassungsmäßigkeit eines solchen generellen Verbots laut. Zudem ist
seitens der davon betroffenen Muslima, die sich auf ihre Glaubensfreiheit
berufen, mit Klagen vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichts zu rechnen.
Auch bezüglich der Dringlichkeit dieser Maßnahme bestehen Zweifel. Die
integrale Verschleierung soll ein völlig marginales Phänomen sein, das auch
von der überwiegenden Mehrheit der rund 500.000 Muslime in Belgien
abgelehnt werde.
Muslime stellen etwa drei Prozent der Bevölkerung in Belgien. Burka oder
Nikab sieht man nur äußerst selten. Laut der Zeitung Le Soir wurden in den
Kommunen, die bereits seit Jahren ein lokales Ganzverschleierungsverbot
hatten, insgesamt 29 Geldbussen verhängt. Nach Angaben der britischen BBC
gibt es in ganz Belgien kaum mehr als 30 Burka-Trägerinnen. In dem jetzt
verabschiedeten Gesetz sind bei Zuwiderhandlung gegen das Burka-Verbot in
der Öffentlichkeit als Sanktion 25 Euro Geldbuße oder sieben Tage Haft
vorgesehen.
Die Menschenrechts-Organisation Amnesty International hat den geplanten
Burka-Bann in Belgien scharf kritisiert. Die Entscheidung des belgischen
Parlaments sei ein "gefährlicher Präzedenzfall", teilte Amnesty in London
mit. Ein vollständiges Verbot, das Gesicht zu verhüllen, würde die
Grundrechte von Frauen verletzen, die Ganzkörperschleier als Ausdruck ihrer
Identität und ihres Glaubens tragen, sagte der Experte von Amnesty für
Diskriminierungsfragen, John Dalhuisen.
Auch Frankreich und Österreich planen ein Verbot der Burka in der
Öffentlichkeit. Weit härtere Strafen sieht der Gesetzesentwurf vor, der in
Paris derzeit von der französischen Regierung vorbereitet wird und noch vor
der Sommerpause im Eilverfahren zur Abstimmung kommen soll. Wie die Zeitung
Le Figaro in Erfahrung gebracht hat, dürfte hier eine Missachtung des
Schleierverbots 150 Euro kosten.
Vor allem möchte der französische Gesetzgeber aber Justitias Strenge
weniger gegen die vermummten Frauen richten, sondern gegen die Männer, die
ihre Gattinnen, Töchter, Schwestern oder Mitgläubige zu dieser extremen
Form der Verschleierung in irgendeiner Weise nötigen. Ihnen drohen bis zu
15.000 Euro Geldstrafe und bis zu einem Jahr Gefängnis! Damit soll dieses
Verbot nicht nur eine besonders abschreckende Wirkung haben, sondern auch
verdeutlicht werden, dass es vorab um die Erniedrigung von Frauen durch
Männer und nicht um irgendwelche Glaubensvorschriften gehe.
Ob in dem geplanten Gesetz auch vorgesehen ist, dass die Justiz ein Auge
zudrückt, wenn sich unter dem Tuch von Kopf bis Fuß eine Touristin aus
Saudiarabien verbirgt, ist nicht bekannt.
Die Burka-Debatte hat sich in Frankreich ausgehend von einem Einzelfall
bereits auf die (gesetzlich verbotene) Polygamie ausgeweitet. Der Gatte
einer Frau, die bei Nantes wegen ihres Niqabs am Steuer bei einer
Polizeikontrolle eine Geldbuße erhalten hatte, wurde von Innenminister
Brice Hortefeux beschuldigt, er lebe mit vier Frauen in Polygamie. Zudem
bestehe ein Verdacht auf Sozialversicherungsbetrug, da jede der vier Frauen
Beihilfe für alleinerziehende Mütter erhalte. Für den Angeprangerten war es
ein Leichtes, ziemlich zynisch zu kontern, in diesem Falle müssten alle
eingebürgerten Franzosen, die sich "Mätressen" hielten, um ihre
Nationalität fürchten.
Trotzdem bleibt der Mann im Visier der Justiz: Der Vater der bestraften
Gattin hat der Polizei gesagt, beim letzten Telefongespräch habe seine
Tochter unter Tränen geklagt, sie werde geschlagen. Heute habe er zu ihr
und zu seinen Enkeln keinen Zugang mehr.
Eine Ex-Freundin beschuldigte den Mann, L.H., auf ihrem Blog, seine
Lebensgefährtinnen wie in einer Sekte einzusperren. Sie äußert sogar den
Verdacht, dass er in einen Mädchenhandel mit den Emiraten verwickelt sein
könnte. Ob daran etwas wahr ist, muss aufgrund einer Verleumdungsklage von
L.H. bald die Justiz entscheiden. Auf jeden Fall passen solche Praktiken
extrem gut ins Klischee fremdenfeindlicher Kreise, die nun die Burka-Frage
zu einer Grundsatzdebatte über die Unvereinbarkeit von Islam und Scharia
mit der Republik und der abendländischen Zivilisation ausweiten wollen.
In Österreich haben rechte und konservative Kräfte das geplante belgische
Birka-Verbot begrüßt. In Deutschlands Nachbarland wird seit Wochen darüber
diskutiert, das Tragen von islamischen Ganzkörper-Schleiern zu untersagen.
Kirchen, die rechte FPÖ, die konservative ÖVP sind dafür. Auch der
sozialdemokratische Bundeskanzler Werner Faymann könnte sich ein
Burka-Verbot im Alpenland vorstellen.
30 Apr 2010
## AUTOREN
Rudolf Balmer
Rudolf Balmer
## TAGS
Österreich
Schleier
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