# taz.de -- 1. Mai in Berlin: Überall ist Techno | |
> Kleine Kinder singen "Nazis raus" neben ihren bebrillten Medieneltern, in | |
> Prenzlauer Berg gibts kein Bier und in Kreuzberg wummsen die Bässe: Der | |
> 1. Mai in Berlin. | |
Bild: Es fliegen Flaschen und Konfetti: An der Schönhauser Allee in Berlin. | |
BERLIN taz | München hat das Oktoberfest, Köln hat den Karneval, Berlin hat | |
den 1. Mai. Schlechtes Wetter ist angesagt, angeblich soll jemand sterben, | |
steht in einer Zeitung, und in diesem Jahr wollen dann auch noch Neonazis | |
durch Prenzlauer Berg laufen. "Da geht noch was" steht da auf einem | |
Transparent. Daneben ist der Genosse Marx mit Sonnenbrille abgedruckt. Aber | |
so viel geht gar nicht am Mittag des ersten Mai. Gruppen stehen in der | |
Sonne an Kreuzungen, laufen in Seitenstraßen, schauen auf Twittermeldungen | |
auf ihren Mobiltelefonen. Schwarze Klamotten, grüne Luftballons. Leere | |
Straßen, volle Balkons. | |
Nazis wollen ihr demokratisches Recht durchsetzen, aber es gibt | |
glücklicherweise noch eine Gewissheit: Kommen die, kommen noch viel mehr | |
von den Anderen. Raus aus den Clubs, rauf auf die Straße zu den | |
Sammelpunkten. Kleine Kinder singen "Nazis raus" neben ihren bebrillten | |
Medieneltern, die Linke spielt den absurdesten Popmusikmix an der | |
S-Bahn-Haltestelle, und in Prenzlauer Berg hat kein Spätkauf auf. Bedeutet: | |
kein Bier. Dann steht man da und weiß nicht, worauf man wartet, man weiß | |
nur, man ist in der Überzahl. Kleine Jungs in schwarzen Jacken und mit | |
großen Sonnenbrillen rennen umher, große Jungs in grünen Anzügen filmen die | |
"relevanten Personen", und der Sexshop hat Probleme mit der Leuchtschrift. | |
"Sex op" blinkt dort. | |
"Der hat sich gerade umgezogen", hat ein Beamter aus Süddeutschland | |
beobachtet. Tatbestand. Irgendwie alles blöd. Wohin denn nun? Hundert, | |
dreihundert, tausend. Laufen sie oder nicht? Informationen werden | |
getauscht. Ohne Gewähr. Von einem Sieg ist die Rede, dann fliegen Flaschen, | |
dann fliegt Konfetti. | |
Später fährt man in vollen Zügen nach Kreuzberg, wo das Fest nach | |
Modemagazin-Shooting aussieht und die Leute auf der Straße davon reden, | |
dass die Demo für eine bessere Welt ist. Whatever. Pappbecher suppen, | |
Verteilerstecker für die Plattenspieler fehlen, Bässe spielen Echo über | |
Bande. "Überall ist Techno", sagt jemand auf dem Weg in den Görlitzer Park. | |
Unter Gebüschen sind Pfützen, am Dönerladen ziehen drei Jungs weiße Linien | |
vom Tisch. Die Sonne geht unter, ein Freund hat eine Dachterrasse. Keine | |
Ahnung, worum es hier geht. "Nazis? Da gibt es doch was von Ratiopharm" hat | |
jemand mit Kreide auf die Kreuzung geschrieben. | |
3 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Laura Ewert | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Chaos Computer Club | |
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