# taz.de -- Nach dem 1. Mai: Heftige Kritik an "Blockierse"-Thierse | |
> Wegen seiner Sitzblockade gegen Neonazis in Berlin fordert die | |
> Polizeigewerkschaft den Rücktritt von Bundestagsvize Thierse. Die | |
> Staatsanwaltschaft prüft, ob sein Handeln strafbar sein könnte. | |
Bild: Thierse - blockier 'se: So heißt mittlerweile sogar eine Gruppe bei Face… | |
BERLIN taz | Wegen seiner Sitzblockade gegen eine genehmigte Neonazidemo am | |
1. Mai in Berlin hagelt es heftige Kritik gegen den | |
Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD). Der Chef der | |
Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte ihn zum Rücktritt auf. Die | |
Staatsanwaltschaft prüft den Anfangsverdacht eines strafbaren Verhaltens. | |
Und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wirft dem SPD-Politiker | |
"Arroganz gegenüber dem Staat" vor. Thierse hält sein Vorgehen für legitim. | |
"Wir haben auf friedliche Weise deutlich gemacht, was wir von den Neonazis | |
halten", sagte er der taz. | |
"Herr Thierse hat Einsatzkräfte der Polizei behindert", sagte | |
Polizeigewerkschaftschef Wendt. Das sei Nötigung. "Aber viel schlimmer ist, | |
dass jemand, der ein so hohes Staatsamt bekleidet, öffentlich Rechtsbruch | |
zelebriert." Thierse hatte zusammen mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten | |
Wolfgang Wieland, dem Bezirksbürgermeister von Berlin-Pankow und dem | |
Berliner Integrationsbeauftragten am Samstag rund 600 Rechtsextremisten im | |
Stadtteil Prenzlauer Berg aufgehalten. "Thierse, blockier se", rief die | |
Menge. Nach einer knappen Viertelstunde löste die Polizei die Sitzblockade | |
auf. | |
Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft nun, ob das Vorgehen von Thierse und | |
seinen Mitstreitern strafbar sein könnte. In Betracht kämen Verstöße gegen | |
das Versammlungsgesetz und Nötigung, sagte ein Sprecher. Die Bewertung sei | |
schwierig. Erst wenn sich der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung | |
bestätige, käme ein Ermittlungsverfahren in Frage. Zuvor müsste dann aber | |
Thierses Immunität aufgehoben werden. Thierse selbst ist verwundert über | |
die öffentliche Aufregung. "Zumal die Aufregung sich nicht gegen Hunderte | |
Neonazis richtet, sondern gegen vier Personen, die gewaltfrei und spontan | |
gegen sie demonstrierten", sagte er. Mit Gewalt oder Nötigung habe ihre | |
Aktion nichts zu tun. "Spontane Gegenkundgebungen sind erlaubt, wir haben | |
ja keinen physischen Widerstand geleistet", sagte er. | |
"Eine Straftat war das nicht", sagte Thierses Mitblockierer, der | |
Grünen-Abgeordnete und frühere Berliner Justizsenator Wieland. "Das war ein | |
friedlicher Akt zivilen Ungehorsams." Ob die Aktion aber ein Verstoß gegen | |
die Straßenverkehrsordnung oder eine andere Ordnungswidrigkeit gewesen sei, | |
das müssten andere entscheiden, so Wieland weiter. | |
4 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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