# taz.de -- taz-Serie Schillerkiez: Die Gospelsängerin: Tante Nana lobt den He… | |
> Nana Appia-Kubi arbeitet als Sekretärin einer afrikanischen Pfingst- und | |
> Gospelgemeinde. Sie ist Teil der regen Black Community im Viertel - und | |
> will doch irgendwann zurück nach Ghana. | |
Bild: Das Singen mit ihrer Gemeinde ist für Nana Appia-Kubi (links) der Höhep… | |
"Praise God" singen die 40 Frauen und Männer. Die Band groovt Gospel, | |
zwischen den Stuhlreihen wird getanzt und gejauchzt, Hände fliegen in die | |
Luft. "Praise da Lord", ruft auch der Prediger. "Hallelujah", antwortet die | |
Gemeinde, alle im Sonntagsanzug oder in bunten, traditionell afrikanischen | |
Gewändern. Dann wird gelacht, der Prediger erzählt Witze, die Kinder hinten | |
quatschen und eine "Sister" übersetzt das Geschehen atemlos auf Englisch, | |
Französisch oder ins ghanaische Ashanti-Twi. | |
Es ist Sonntagsgottesdienst der afrikanischen "Precious Blood of Jesus | |
Christ"-Gemeinde im Schillerkiez. Unten im Keller des evangelischen | |
Gemeindehauses, am Südende der Schillerpromenade. Es herrscht ein quirliges | |
Kommen und Gehen, und mittendrin läuft Nana Appia-Kubi durch die Reihen. | |
Die 31-Jährige mit den aufgetürmten Locken, den großen Ohrringen und den | |
blau geschminkten Augen wiegt lachend von links nach rechts, klatscht und | |
ruft ihr englisches "Amen", wenn ein Gemeindemitglied seine Fürbitte | |
beendet hat. | |
Drei Stunden dauert der Gottesdienst. Für Nana Appia-Kubi könnte sie noch | |
länger gehen. "Das ist der Höhepunkt meiner Woche", erzählt sie. Appia-Kubi | |
ist Sekretärin der Gemeinde, mit 80 Mitgliedern eine der größten | |
afrikanischen Kirchen der Stadt. Aus dem Wedding, aus Schöneberg, aus | |
Pankow kommen Gläubige in den Schillerkiez. "Tante Nana", wie sie die | |
Kinder nennen, organisiert die Gottesdienste, Feste und Bibelstunden. | |
Nichts sei wichtiger als der Glaube zu Gott, betont die beständig lächelnde | |
Frau. | |
Seit 15 Jahren wohnt Nana Appia-Kubi in Neukölln, seit sieben im | |
Schillerkiez. Direkt an der Schillerpromenade, nur ein paar Hausnummern vom | |
Gemeinderaum entfernt. Ihr Vater war es, der die damals Zehnjährige aus | |
Accra, Ghanas Hauptstadt, in den Wedding holte. "Für eine bessere Zukunft | |
für mich." Von Berlin hatte sie noch nichts gehört; von ihrem Vater, der | |
bereits kurz nach ihrer Geburt nach Deutschland gegangen war, auch nicht | |
viel mehr. Als der erste Schnee fiel, traute sie sich kaum aus dem Haus. | |
"Das war wie auf einem anderen Planeten." Die zehnjährige Nana sprach kein | |
Deutsch, sie kam in die dritte Klasse, büffelte sich durch bis zum | |
Realschulabschluss. Und zur erfolgreichen Ausbildung zur | |
Fremdsprachenkorrespondentin. Ein leichter Akzent ist Appia-Kubi bis heute | |
geblieben - ein berlinerischer. | |
Das Durchkämpfen machte sich Nana Appia-Kubi zu eigen. Sie weiß, ihre zarte | |
Stimme laut einzusetzen. Und ihre Sätze mit einem herzlichen Lachen zu | |
beenden. Es sei das Direkte und Offene, "das Afrikanische", das ihr das | |
Ankommen erleichtert habe, sagt sie. Und es sei "das Deutsche", die | |
Verbindlichkeit und Konsequenz, mit dem sie sich hier durchgesetzt habe. | |
Neben der Gemeinde absolviert sie derzeit eine Ausbildung in der | |
ghanaischen Botschaft. | |
Ihr Herz hänge noch an Accra, ihre Heimat aber sei Neukölln und der | |
Schillerkiez, sagt Nana Appia-Kubi. In ihrer Mentalität seien sich beide | |
Orte gar nicht so unähnlich. "Dieses Lebendige, das nie Ruhige und die | |
verschiedenen Menschen, die offene Art. Jeder darf so sein, wie er möchte." | |
Im Schillerkiez würde sie nicht schief angeschaut - anders als in anderen | |
Bezirken. Multikulti ist gescheitert, hat ihr Bezirksbürgermeister, der | |
SPD-Mann Heinz Buschkowsky, einmal gesagt. Aber das stimme nicht. Ihr | |
Freundeskreis sei multikulti: Araber, Asiaten, Deutsche, Türken. Selbst | |
ihre Gemeinde sei multikulti - die Mitglieder kämen schließlich aus allen | |
Ecken Afrikas. Selbst zehn "weiße Deutsche" gehörten dazu. | |
Schöner sei es in den vergangenen Jahren im Schillerkiez geworden, findet | |
Appia-Kubi. Grüner, lebendiger. Die Läden hätten länger offen. Und alles | |
sei vor Ort. "Meine Leute, meine Kirche, mein Afro-Shop - alles hier." | |
Nur mit der Schule sei es schwierig für ihren Sohn, den zehnjährigen Tony. | |
Zu viele Kinder könnten kein Deutsch, das Klima sei zu aggressiv. | |
Problematisch sei auch die Situation ihrer Gemeinde: der dunkle Kellerraum | |
- viel zu stickig. Mehr Zusammenarbeit mit der evangelischen | |
Genezareth-Kirche gegenüber wünsche sie sich. Denn mit Gottes Wort könne | |
man so vielen helfen, gerade in Neukölln. | |
Irgendwann, "wenn ich eine Oma bin", wolle sie auch wieder zurück. Nach | |
Accra. Zu ihrer Mutter und ihren sechs Brüdern. Zum Meer, zur Sonne. Auch | |
Ghana habe sich verändert, sei moderner geworden. Viele Ausgewanderte kämen | |
zurück, brächten ihre Erfahrungen aus ihren Gastländern mit. Multikulti - | |
auch in Accra. KONRAD LITSCHKO | |
5 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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