# taz.de -- Schwule flüchten ins WM-Land: "Nicht auf Rosen gebettet" | |
> Südafrika gilt als liberaler Vorreiter der sexuellen Toleranz. Verfolgte | |
> Homosexuelle flüchten in das Gastgeberland der Fußball-WM. Aber auch dort | |
> wird das Klima rauer. | |
Bild: Mitglieder der Good Hope Metropolitan Community Church bei der jährliche… | |
JOHANNESBURG taz | "Als schwuler Mann in Südafrika lebe ich lieber, wie es | |
die Gesellschaft vorschreibt und nicht nach der Verfassung." Brendan | |
Petersens gepflegte Rasta-Zöpfe wippen auf seinem gestärkten Hemdkragen, | |
als er den Kopf schüttelt und fortfährt: "Du wirst nie jemanden in der | |
Geschäftswelt finden, der sich geoutet hat. Wer sich zum Schwulsein bekannt | |
hat, wird belächelt und als Clown verachtet." | |
Für den 39-jährigen schwarzen Finanzdirektor des Nahverkehrsamtes von | |
Johannesburg gibt es eine klare Trennung zwischen Berufs- und Privatleben. | |
Denn obwohl Südafrika in seiner modernen Nach-Apartheid-Verfassung Schwule | |
und Lesben anerkennt, ihre Diskriminierung verbietet und damit zum | |
Vorreiter in Afrika geworden ist, steht der Alltag nicht im Einklang mit | |
dem geschriebenen Wort. "Südafrika hat eine sehr liberale Verfassung", | |
stimmt Brendan Petersen zu. "Aber das ist auch alles." Er hat nur seine | |
Familie und die engsten Freunde in "sein Geheimnis" eingeweiht. Outing am | |
Arbeitsplatz? "Ich würde bei Beförderungen übersehen werden und dem | |
Büroklatsch zum Opfer fallen", sagt Petersen. | |
Während "same sex marriage" soeben in Malawi mit 14 Jahren Zwangsarbeit | |
bestraft wurde und auch im Rest Afrikas verpönt ist, ist sie in Südafrika | |
seit 2006 sogar legal. Sie ist sogar ein Trend in Südafrika geworden, meint | |
Fikile Vilakazi, Direktorin des Sekretariats der Koalition für Afrikanische | |
Lesben (CAL), der einzigen Organisation dieser Art in Afrika und seit 2003 | |
in Johannesburg ansässig. "Aber das sind nur einige Individuen." Wie zum | |
Beispiel der weiße Richter Edwin Cameron, der sich schon vor mehr als zehn | |
Jahren öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt. Dazu hatte er noch | |
erklärt, er habe sich mit dem Aidsvirus angesteckt - die einzige Figur in | |
Südafrikas öffentlichem Leben, die sich bisher in dieser Weise aussprach | |
und zur Leitfigur wurde. Er sitzt immer noch im Amt: als | |
Verfassungssrichter. | |
"Die südafrikanische Führung ist extrem konservativ", findet Vilakazi | |
trotzdem. "Wir bewegen uns rückwärts, denn Politiker sind nicht überzeugt | |
von dem, was die Verfassung für Schwule und Lesben garantiert." Die | |
Verfassung sei in einem besonderen Moment der Wende gekommen, aber die | |
Euphorie sei verflogen, der Ton habe sich geändert, sagt Vilakazi. | |
Allerdings nicht so wie in anderen afrikanischen Ländern, in denen Schwule | |
mit Schweinen verglichen werden, auf Homosexualität als "unnatürlicher" | |
oder "unafrikanischer" Angriff gegen "die Natur" die Todesstrafe steht und | |
Hassreden selbst von Präsidenten geschürt werden. Auch Südafrikas Präsident | |
Jacob Zuma hat noch 2006, als ANC-Vizepräsident, gleichgeschlechtliche Ehen | |
als Schande im Angesicht Gottes bezeichnet und betont, in jungen Jahren | |
hätte er keinen homosexuellen Mann ihm gegenüber geduldet: "Ich hätte ihn | |
verprügelt." Er entschuldigte sich später für die Äußerungen. | |
In Nigeria und auch anderen Ländern, in denen die islamische | |
Scharia-Gesetzgebung angewandt wird, sind Frauen und Männer wegen | |
Homosexualität zu Tode gesteinigt worden. Die Polizei in Uganda etwa | |
verhaftet Menschen, die im Verdacht stehen, schwul oder lesbisch zu sein. | |
Ein Gesetzentwurf, der auf Homosexualität die Todesstrafe vorsah und | |
Nichtdenunziation schwuler Praktiken mit Gefängnis belegen wollte, ist | |
aufgrund öffentlicher Proteste zunächst auf Eis gelegt worden. Aber die | |
Debatte darüber geht weiter. | |
Eunice Namugwe floh vor fünf Jahren aus Uganda. Sie lebt seither in | |
Johannesburg und arbeitet jetzt beim Lesbennetzwerk CAL. In ihrer Heimat, | |
erzählt sie, hatte sie Angst, entdeckt und verraten zu werden. "Die | |
Nachbarn waren auf Jagd gegen Lesben oder Schwule, die als kriminell | |
eingestuft werden, und Vermieter haben das Recht, uns zu vertreiben." Alles | |
ließ sie hinter sich, in der Hoffnung, in Südafrika nicht verfolgt zu | |
werden. | |
"Ich habe zwar mehr Frieden und Freiheit hier, aber das Stigma ist | |
vorhanden und ich muss in der Öffentlichkeit aufpassen", sagt die | |
Uganderin. So hält sie sich eben dabei zurück, ihre Freundin auf der Straße | |
zu küssen. "Auch Südafrika ist kein Rosenbett." | |
21 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
## TAGS | |
Südafrika | |
Malawi | |
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