# taz.de -- Präsidentschaftswahl am Sonntag: Ärger für Kolumbiens Rechte | |
> In den letzten Tagen vor der kolumbianischen Präsidentschaftswahl am | |
> Sonntag bestimmen Menschenrechtsthemen die Agenda. Die politische Rechte | |
> gerät unter Druck. | |
Bild: Juan Manuel Santos wird für einen TV-Auftritt hübsch gemacht. | |
Um das Thema Menschenrechte kommt Juan Manuel Santos nicht mehr herum. | |
Wochenlang hat der rechte Kronprinz für die Nachfolge von Álvaro Uribe als | |
kolumbianischer Staatschef Arbeitsplätze und Wohlstand versprochen. Nun, | |
vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am Sonntag, hat den | |
58-jährigen Spross der Bogotaner Oligarchie seine Vergangenheit als Uribes | |
Kriegsminister eingeholt. | |
Ausgerechnet der - im Übrigen chancenlose - rechtsliberale Kandidat Germán | |
Vargas Lleras hielt Santos bei der TV-Debatte am Donnerstag den neuen | |
UNO-Bericht zum Thema "außergerichtliche Hinrichtungen" vor, wonach 98 | |
Prozent aller Fälle straflos blieben. So wurden in den letzten Jahren weit | |
über tausend junge Zivilisten unter falschen Versprechungen aus städtischen | |
Armenvierteln in Kriegsgebiete gelockt, wo sie von Soldaten ermordet und | |
anschließend als Guerilleros ausgegeben wurden. Die Methode ist unter der | |
Bezeichnung "falsos positivos", falsche Gefallene, zum Skandal avanciert. | |
"Es war offizielle Politik, das ist erschreckend", sagte Vargas Lleras. | |
Uribe und Santos trügen dafür die politische Verantwortung, hatte der Grüne | |
Antanas Mockus bereits zuvor erklärt. "Das Leben ist heilig" lautet das | |
zentrale Wahlkampfmotto des früheren Bürgermeisters. Um rasche Erfolge im | |
Kampf gegen die Farc-Guerilla zu erreichen, hätten Regierung, | |
Großgrundbesitzer und Unternehmer immer wieder auf die rechtsextremen | |
Paramilitärs gesetzt. Solche "Abkürzungen" dürfe es künftig nicht mehr | |
geben, sagt Mockus, der nach den letzten Umfragen gleichauf mit Santos von | |
Uribes "U-Partei" liegt. | |
Auch Uribe war in den letzten Tagen in der Defensive. So häufen sich die | |
Hinweise darauf, dass die jahrelange Bespitzelung von | |
Oppositionspolitikern, Journalisten und hohen Richtern durch den | |
Geheimdienst DAS direkt aus dem Präsidentenpalast angeordnet wurde. | |
Abhöraktionen widersprächen seinem "Temperament", beteuerte Uribe, "ich bin | |
nicht Teil dieser Heuchelei." Auch die Medien habe er nie gegen den | |
Obersten Gerichtshof in Stellung gebracht. | |
[1][Einem Bericht] der Washington Post zufolge soll Uribes Bruder Santiago | |
in den Neunzigerjahren eine Todesschwadron angeführt haben - Uribe war | |
damals in der fraglichen Provinz Antioquia Gouverneur. Minister witterten | |
hinter den detaillierten Aussagen eines früheren Militärs, denen der | |
Artikel zugrunde liegt, eine venezolanische Verschwörung. Die | |
kolumbianische Botschaft in Washington protestierte gegen den "achtlosen | |
Journalismus" der Washington Post. | |
Und schließlich, als letzter Schlag für die Rechte, reichte Freddy Padilla | |
de León überraschend seinen Rücktritt als Chef der Streitkräfte ein. Der | |
General und Santos-Vertraute steht ebenfalls wegen des Skandals der | |
"falschen Gefallenen" im Zwielicht. Wie sich all diese Hiobsbotschaften für | |
Santos auf das Wahlverhalten auswirken? "Das wird abprallen, die Rechten | |
stört das nicht", meint ein Buchhändler in Bogotá, "solche Nachrichten gibt | |
es doch jeden Tag." | |
Ähnliches gilt für die verheerende Sozialbilanz nach acht Jahren Uribe. Die | |
Arbeitslosenquote von gut 12 Prozent, die höchste in ganz Lateinamerika, | |
belege das "Scheitern des neoliberalen Modells", sagt der Gewerkschaftschef | |
Fabio Arias. Knapp die Hälfte der 44 Millionen Kolumbianer gelten als arm, | |
über 7 Millionen Menschen leben im absoluten Elend. | |
Doch gerade diese Armen sind für die Manipulation durch den | |
Regierungsapparat besonders anfällig: 3 Millionen Haushalte bekommen jeden | |
Monat einen kleinen Zuschuss im Rahmen des Programms "Familien in Aktion", | |
nun sollen sie sich mit der Stimme für Santos revanchieren. | |
29 May 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2010/05/23/AR201005230… | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
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