# taz.de -- Kolumbianische Machenschaften: Geheimdienst gegen Menschenrechtler | |
> Statt die Menschenrechtssituation im Land zu verbessern, ging Kolumbiens | |
> Geheimpolizei gegen Organisationen vor, die sie anprangern – auch in | |
> Europa. | |
Bild: Im Visier kolumbianischer Geheimdienste: das Europäische Parlament in St… | |
MEXICO-STADT taz | Die kolumbianische Geheimpolizei DAS hat versucht, mit | |
Sabotageaktionen und Verleumdungen Einfluss auf internationale | |
Menschenrechtsinstitutionen zu nehmen. Das geht aus internen Dokumenten der | |
Behörde hervor, die vergangene Woche in Kolumbien an die Öffentlichkeit | |
geraten sind. Demnach machte die Spezialeinheit G-3 der DAS in den letzten | |
Jahren nicht nur mit illegalen Mitteln Jagd auf Oppositionelle im eigenen | |
Land. Sie wollte auch durch gezielte Denunziationen den Einsatz von | |
Politikern und Nichtregierungsorganisationen im Menschenrechtsausschuss des | |
Europäischen Parlaments und im UN-Hochkommissariat für Menschenrechte | |
beeinflussen. | |
Ebenso im Visier war der für lateinamerikanische Aktivisten besonders | |
wichtige Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof. Mit Sabotageakten | |
und in Kooperation mit Geheimdiensten anderer Staaten sollte für einen | |
"Prestigeverlust" des Gerichts gesorgt werden. Das Ziel: Man wollte den | |
Einfluss von Oppositionellen, die auf internationaler Ebene die prekäre | |
Menschenrechtssituation in Kolumbien anklagen, "neutralisieren". | |
Die veröffentlichten Dokumente sorgen nun für neuen Zündstoff gegen den | |
Präsidenten Álvaro Uribe. Der rechte Staatschef will zwar von den illegalen | |
Machenschaften der Einheit nichts gewusst haben, doch Kritiker sind | |
skeptisch. Die zentrale Figur der G-3 sei auf Anweisung Uribes eingesetzt | |
worden, erinnert der Journalist Hollman Morris und verweist auf die Nähe | |
der Behörde zu paramilitärischen Gruppen. | |
"Vier der fünf Personen, die während Uribes Regierungszeit die DAS geleitet | |
haben, mussten diese nach großen Skandalen im Zusammenhang mit dem | |
Paramilitarismus, politischer Verfolgung und illegaler Spionage verlassen", | |
erklärt Morris, der selbst zum Opfer der DAS geworden war. Er wurde durch | |
ein gefälschtes Video als Mitglied der Guerilla denunziert - genauso, wie | |
es in den Dokumenten unter Nennung seines Namens empfohlen war. | |
Die geheimen Unterlagen waren von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und | |
nun der kolumbianischen Wochenzeitung La Semana zugespielt worden. Es | |
handelt sich um interne Vorgaben, um politische Gegner zu diffamieren. | |
Im Rahmen der "Operation Amazonas" wurden demnach schon im Jahr 2006 | |
Politiker durch gezielte Falschmeldungen der Zusammenarbeit mit Kolumbiens | |
Guerillaorganisationen bezichtigt. Die Arbeit eines Anwaltskollektivs | |
sollte durch gefälschte Mails beeinträchtigt, die "destabilisierenden | |
Aktionen von Nichtregierungsorganisationen in Kolumbien und in der Welt" | |
durch "Sabotage und Druck" verhindert werden. | |
Auch mit der "Operation Europa" wollte man offenbar dafür sorgen, dass in | |
Gremien wie dem Menschenrechtsausschuss des Europäischen Parlaments nicht | |
über die Ermordung von Gewerkschaftern, Folter oder die Zusammenarbeit von | |
Politikern und Paramilitärs im Land gesprochen wird. Nach Informationen der | |
Semana hat die DAS ein Büro in Europa eröffnet, um dortige Aktivitäten von | |
"Regierungsfeinden" zu beobachten und entsprechende Informationen samt | |
Fotoaufnahmen und Videos nach Bogotá weiterzuleiten. | |
Der renommierte Radiosender RCN berichtet von einem Ordner mit dem Namen | |
"Europäisches Parlament". Dort seien die Namen von Abgeordneten | |
aufgelistet, die sich für bzw. gegen die kolumbianische Regierung | |
ausgesprochen hätten. | |
Für Präsident Uribe kommt die Veröffentlichung der Dokumente zu einem | |
denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Nicht nur, weil am 30. Mai | |
Präsidentschaftswahlen anstehen und der Rechtspolitiker auf einen Sieg | |
seines Parteifreundes Juan Manuel Santos hofft. Am 18. Mai wollen die | |
Europäer auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel in Madrid mit Kolumbien und Peru | |
einen Freihandelsvertrag unterzeichnen. Einige Abgeordnete aus dem | |
Menschenrechtsausschuss haben dagegen protestiert. | |
27 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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