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# taz.de -- Linksradikale Broschüre prisma: Mit Pattex zum Nobelkarossentod
> Bei den Sicherheitsbehörden sorgt eine 80 Seiten lange militante
> Broschüre für Aufregung. Dort werden Basteltipps für Brandsätze gegeben �…
> und Ratschläge, wie man davon kommt. Wer sind die Autoren?
Bild: In "Prisma" werden verschiedene Varianten des Autoanzündens aufgelistet:…
Berlin taz | Eine Autonomen-Broschüre sorgt für Wirbel. Auf knapp 80 Seiten
listen anonyme Autoren in einer Szenezeitschrift namens "prisma" auf, wie
Brandsätze gebastelt, Autos angezündet, Straßen blockiert, Bahnstrecken
sabotiert und Strommasten gefällt werden können und das, ohne Spuren zu
hinterlassen. "Wir hoffen, dass die eine oder der andere beim Durchblättern
auf eine Idee stößt, auf die sie oder er noch nicht gekommen ist, oder wozu
bisher die konkrete Beschreibung fehlte", heißt es dort.
In Sicherheitskreisen ist man ob der Broschüre, die vor allem in Berlin,
Hamburg und Niedersachsen verbreitet worden sein soll, aufgeschreckt. "Es
ist ein reines Handlungsanweisungsheft", sagte der Chef des Hamburger
Verfassungsschutzes, Heino Vahldieck, der taz. "Das trägt nicht gerade zur
Beruhigung bei."
Im vergangenen Jahr ist [1][die Zahl der Gewalttaten von links um mehr als
50 Prozent] auf 1.822 gestiegen. Die Verfassungsschützer zählen inzwischen
bundesweit 6.600 gewaltbereite Aktivisten in der linken Szene. 2005 waren
es noch 5.500.
In Berlin wurde die "prisma"-Broschüre bereits vor dem 1. Mai in
Szenebuchläden und bei Antifa-Versandhändlern beschlagnahmt, zusammen mit
Ausgaben der autonomen Zeitschrift "Interim". Die Berliner
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Aufforderung zu Straftaten. Im Internet
ist die "prisma"-Ausgabe aber nach wie vor zu finden.
Dort werden verschiedene Varianten des Autoanzündens aufgelistet, unter
anderem mit Pattex, Benzinbeuteln oder Kohleanzündern. Die Kapitel tragen
die Überschriften: "Wagensportliga", "Nobelkarossentod", "Nobelkarossentod
2.0" und "Feuerlegen mit elektronischen Zeitzündern". Dazu kommen
Basteltipps für Hakenkrallen und Ketten, mit denen Zug-Oberleitungen
sabotiert werden können.
"Prisma" steht für "prima radikales info sammelsurium militanter aktionen".
Gezeichnet ist die Broschüre mit "lunatics for system change" - Verrückte
für den Systemwandel. Als Begründung für die Veröffentlichung wird genannt:
„Veränderung von Gesellschaft bedeutet immer auch ein Überschreiten
geltender Regeln.“ Für die anonymen Autoren bedeute „linksradikale
militante Praxis“ zum Beispiel „direkte Aktionen gegen staatliche
Institutionen, rechte Strukturen, Verantwortliche für gesellschaftlichen
Rassismus, Sexismus oder kapitalistische Ausbeutung“.
Vieles von dem, was in der „prisma“-Broschüre steht, ist in ähnlicher Form
schon in anderen linksradikalen Zeitschriften wie „Interim“ und „radikal�…
erschienen. „Die Dinge sind nicht ganz neu, sondern in Teilen schon
erschienen“, räumt auch der Hamburger Verfassungsschutzchef Vahldieck ein.
In der linksradikalen Szene ist man gewarnt, was die Verbreitung der
Broschüre aber nicht verhindern dürfte. "Legt die prisma unter den
Ladentisch, Bullen suchen die bestimmt", heißt es im Szeneforum indymedia.
Für die Sicherheitsbehörden hingegen dürfte die Zeitschrift als weitere
Rechtfertigung für einen [2][härteren Kurs gegen Linksextremismus] dienen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte Ende Mai an,
[3]["Gewalttäterstrukturen" und Internetseiten der linken Szene genauer in
den Blick zu nehmen]. Zudem wollen die Innenminister der Länder einen
besseren Austausch von Daten über "linksextremistische Gefährder und
relevante Personen" organisieren - bei bestimmten Anlässen, etwa
internationalen Gipfeln, auch europaweit.
Derzeit arbeitet außerdem eine Bund-Länder-Gruppe unter Federführung des
Bundeskriminalamts (BKA) an einem "umfassenden Maßnahmenkatalog" gegen
linke Gewalt. Und Familienministerin Kristina Schröder (CDU) startet
demnächst [4][erste Präventionsprojekte gegen Linksextremismus]. Zwei
Millionen Euro sind dafür in diesem Jahr vorgesehen, fünf Millionen sollen
es im nächsten Jahr sein. Wie solche Programme funktionieren sollen, weiß
freilich noch keiner. "Soll dann jemand in die Schulen gehen und den
Kindern sagen: ,Steine werfen ist doof?'", lästert ein ranghoher
Sicherheitsbeamter.
7 Jun 2010
## LINKS
[1] /1/politik/deutschland/artikel/1/linke-schlagen-rechte/
[2] /1/archiv/digitaz/artikel/
[3] /1/politik/deutschland/artikel/1/knallhart-gegen-gewalt/
[4] /1/politik/deutschland/artikel/1/schwarz-gelb-macht-mobil/
## AUTOREN
Wolf Schmidt
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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