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# taz.de -- Pro und Contra Rundfunkgebühr: Ist die neue Medien-Flatrate sinnvo…
> Ab 2013 müssen alle Haushalte eine pauschale Medien-Abgabe zahlen. Eine
> sinnvolle Entscheidung, meint Paul Wrusch. Gegen die neue Pauschal-Gebühr
> ist dagegen Jürn Kruse.
Bild: Auch die GEZ möchte nun gerne im iPhone-Zeitalter ankommen.
PRO
Vertrauensbildende Maßnahme
Die Medienpolitiker sind im 21. Jahrhundert angekommen: Die
Ministerpräsidenten der Länder haben die Finanzierung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks neu geregelt. Ab 2013 sollen alle
Haushalte eine pauschale Abgabe zahlen, die geräteabhängige Gebühr wird
abgeschafft. Egal ob Radio, Fernseher oder internetfähige Geräte wie
Smartphones oder iPad: In Zukunft sind vor der GEZ alle gleich. Eine
sinnvolle Entscheidung. Die Aufteilung der Empfangsgeräte war dem vorigen
Jahrhundert angemessen.
Die von Paul Kirchhoff erdachte Medien-Tax-Flat ist fairer als das
vorherige Modell. Künftig ist nicht mehr derjenige der Depp, der zahlt und
derjenige ein toller Hecht, der seit Jahren die „Gebührenbeauftragten“ –…
Volksmund auch GEZ-Schnüffler genannt – aus seinen vier Wänden fernhält.
Die angeberischen Geschichten am Kneipentisch, wie man sich seit Jahren vor
der Gebühr drückt, sind vorbei – zumindest, bis neue Mittel und Wege
gefunden wurden.
Auch für das Zusammenleben der Menschen fördert die Novelle.
Wohngemeinschaften können etwa neben gemeinsamer Bad- und Küchennutzung
bald ein noch stärkeres Gemeinschaftsgefühl entwickeln: Aller Voraussicht
nach muss pro WG nur noch einmal gezahlt werden, unabhängig davon, wie
viele Menschen und Geräte sich im Haushalt befinden. Und selbst das
Miteinander von Familien wird gestärkt: Erwachsene Kinder mit Einkommen,
die noch zu Hause leben, werden nicht mehr zusätzlich zur Zahlung
verpflichtet. Ebenso wenig Großmutter und Großvater, die im Erdgeschoss
wohnen.
In erster Linie wirkt die Novelle aber als vertrauensbildende Maßnahme. Der
öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland hat in der Bevölkerung bisher
ein geringes Ansehen. Das liegt nicht nur am Programm (Rosamunde Pilcher,
Florian Silbereisen, Alisa – Folge deinem Herzen), sondern vor allem am
schlechten Ruf der GEZ. Es hat sich zu einem Volkssport entwickelt, über
die Rundfunkgebühren und deren Vollstrecker zu schimpfen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird letztlich zum kulturellen Gemeingut
aufgewertet. Man zahlt unabhängig davon, ob man tatsächlich selbst Nutzer
ist. Ähnlich funktioniert das bei Museen oder Universitäten. In der Folge
heißt das für die Sender, dass sie jetzt noch mehr denn je in der Pflicht
sind, ihren öffentlichen Bildungsauftrag zu erfüllen – der Druck dafür ist
mit der Entscheidung jedenfalls gewachsen. PAUL WRUSCH
CONTRA
Kfz-Steuer für alle!
„Es zahlt jemand, weil er eine Leistung entgegennehmen darf, nicht weil er
sie entgegennimmt“, begründete Paul Kirchhof seine Haushaltsabgabe am 6.
Mai in Berlin, als er sein „Gutachten über die Finanzierung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ vorstellte. Wer sich bisher medienfrei
hielt und auf Internet, Fernsehen und Radio verzichtete, musste nicht
zahlen. Schließlich nahm er den angebotenen Dienst nicht in Anspruch. Das
soll ab 2013 vorbei sein. Jeder Haushalt zahlt dann – auch wenn er nur eine
Waschmaschine besitzt. Nicht nur, weil die zumindest das Programm liefert,
was man sich wünscht, sondern, so Kirchhof, weil jeder von den
öffentlich-rechtlichen Rundfunkangeboten profitiere. Auch wenn er sie
privat nicht nutze, würde er in Gesprächen mit Arbeitskollegen oder im Bus
Informationen von ARD, ZDF und Deutschlandradio aufschnappen. Wenn solche
homöopathischen Dosen des Nutznießens reichen, um eine Abgabe zu begründen,
müsste auch jeder Fahrradfahrer Kfz-Steuer zahlen. Schließlich sorgt die
dafür, dass Autos auf Autobahnen fahren können und nicht die Städte
verstopfen, so dass kein Platz mehr für das Fahrrad inklusive Korb wäre.
Dass die „Gebührenbeauftragten“ der Rundfunkanstalten zukünftig nicht mehr
Abgesandte an die Wohnungstür und in die privaten Gemächer ausschwärmen
lassen, ist nur ein kleiner Trost. Denn die GEZ wird nicht aufgelöst, der
vorhandene Datenberg weiter vor sich her geschoben – und in Zukunft
schlicht andere, also weitere Daten erhoben: Wer wohnt wo? Ist der
Zweitwohnsitz wirklich ein Zweitwohnsitz? Da bietet sich eine enge
Zusammenarbeit mit den Einwohnermeldeämtern doch an. Und, da in Zukunft
Unternehmen je nach Beschäftgigtenzahl ihre Abgabe zu leisten haben,
wieviele Mitarbeiter arbeiten eigentlich wirklich in diesem Betrieb? Und
sollten die vielen freien Mitarbeiter nicht hinzugezählt werden?
Auch bindet das neue Modell den Rundfunk noch mehr an den Staat. Waren
bisher die Arbeitslosengeld-II-Empfänger (und andere) von der Gebühr
befreit, soll von 2013 an die öffentliche Hand den Beitrag dieser Gruppe an
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abdrücken. Die Landesrundfunkanstalten,
gerade die klammen ostdeutschen, bekämen auf diesem Wege deutlich mehr
Geld, das direkt vom Staat an den Rundfunk wandert. Staatsferne sieht
anders aus. Dabei hatten die Querelen beim ZDF um den ehemaligen
Chefredakteur Nikolaus Brender genug Anlass gegeben, um die
Öffentlich-Rechtlichen endlich von ihren Ketten zu befreien.
Aber nicht mit ARD, ZDF und Deutschlandradio! Die haben schließlich das
Konzept von Paul Kirchhof selbst in Auftrag gegeben – und sich so ihre
eigene Finanzierungsgrundlage geschaffen. Denn die Ministerpräsidenten
haben das Konstrukt fast in Gänze durchgewinkt.
Nur der von Kirchhof vorgeschlagene generelle Werbeverzicht wurde von der
Rundfunkkommission nicht berücksichtigt. Solch Untreue dem Auftraggeber
gegenüber muss schließlich bestraft werden. In Mainz, Berlin und Stuttgart
(wo der SWR aktuell der ARD vorsitzt) wird man Tränen gelacht haben. So
strickt man sich seine Gesetze selbst. Reemtsma, Altria (früher Philip
Morris) und Co. haben vermutlich genau hingeschaut.
JÜRN KRUSE
10 Jun 2010
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Deutschlandradio
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