Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Beate Eschment über Kirgisien: "Die Unruhen sind initiiert worden"
> Die Gefahr einer Spaltung Kirgisiens ist groß, sagt die
> Zentralasienexpertin Beate Eschment. Die Interimsregierung sei schwach.
Bild: Straßensperre in Suzak.
taz: Frau Eschment, die gewalttätigen Zusammenstöße zwischen Kirgisen und
Usbeken mit mittlerweile über 170 Toten werden in den Medien vielfach auf
einen ethnischen Konflikt reduziert. Stimmen Sie dem zu?
Beate Eschement: Wenn Usbeken und Kirgisen mit einer derartigen Brutalität
aufeinander losgehen, handelt es sich zweifellos um einen ethnischen
Konflikt. Dieser ist ein Ausdruck dafür, dass es bereits vorher große
Spannungen zwischen diesen beiden Bevölkerungsgruppen gab. Das war ja auch
schon einmal vor 20 Jahren der Fall. Dennoch: Öl brennt erst, wenn ein
Streichholz darauf geworfen wird. Und hier hat jemand ein Streichholz
geworfen, das heißt, die Unruhen sind initiiert worden.
Wer hat das Streichholz geworfen?
Durch die Schwächung des Bakijew-Klans tobt jetzt ein Machtkampf zwischen
verschiedenen Familiengruppen. Im Rahmen dieses Kampfes um Geld und
Pfründe, an dem sowohl kirgisische als auch usbekische Klans beteiligt
sind, haben verschiedene Akteure Interesse daran, dass Unruhe im Land
entsteht. Und das ist ja auch gelungen.
Was bedeuten die jüngsten Ereignisse für die Interimsregierung in Bischkek?
Die Regierung ist absolut gefährdet. Die Unruhen haben gezeigt, dass sie
nicht die Macht im Lande hat und im Süden über relativ wenig Einfluss
verfügt. Es gibt Berichte, wonach Polizeikräfte nicht die Staatsgewalt
vertreten haben, sondern sich an den Unruhen selbst aktiv beteiligt haben.
Könnte Kirgisien zerfallen?
Die Gefahr einer Spaltung des Landes halte ich für sehr groß. Die
Interimsregierung steht und fällt jedoch damit, ob sie es schafft, das für
Ende Juni geplante Referendum durchzuführen, das sie legitimieren soll.
Wie sind die Chancen dafür?
Solange der Ausnahmezustand herrscht, kann der Volksentscheid nicht
durchgeführt werden. Dennoch wird die Regierung alles daran setzen, das
Referendum abzuhalten. Denn wenn sie das nicht schafft, bedeutet es für sie
eine absolute Niederlage gegenüber denjenigen, die die Unruhen angefacht
haben.
Die Chefin der Interimsregierung, Rosa Otunbajewa, hat am Dienstag
angekündigt, die Unruhen im Süden ohne fremde Hilfe eindämmen zu wollen.
Ich traue der Übergangsregierung nicht mehr zu, dass sie die Ruhe im Lande
wiederherstellen kann. Wenn jedoch ausländische Truppen kommen müssen, wäre
es wichtig, dass das nicht Truppen eines einzelnen Landes sind, sprich
Russland. Die beste Option wäre es daher, Kontingente der Organisation des
Vertrages über die kollektive Sicherheit nach Kirgisien zu entsenden.
Wirkt sich dieser Konflikt auf die Region aus?
Dort geht jetzt die Angst um, bei den einfachen Leuten, aber auch vor allem
bei den Regierungen. Diese fürchten, dass die Revolution in ihr Land
schwappen könnte. Die Potentaten der zentralasiatischen Staaten werden
daher alles tun, um einen Zaun um Kirgisien zu errichten.
16 Jun 2010
## AUTOREN
Barbara Oertel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Reportage aus Kirgisien: Die Flüchtlinge von Osch
Mehrere tausend Menschen sind an die Grenze zu Usbekistan geflohen.
Humanitäre Hilfe ist bislang kaum zu ihnen durchgedrungen.Die Überlebenden
in Osch haben sich verschanzt. Dort herrscht vorerst Ruhe.
Krise in Kirgisien: Die Präsidentin fühlt sich sicher
Der Süden des Landes ist im Chaos versunken, doch Präsidentin Otunbajewa
gibt sich selbstbewusst. Auch auf eine internationale Friedenstruppe will
sie nun verzichten.
Krise in Kirgisien: Das russische Dilemma
Der Kreml zögert mit der Entsendung von Truppen. Die Voraussetzungen für
eine russische Friedensmission seien noch nicht gegeben.
Unruhen in Kirgisien: Die Menschen laufen um ihr Leben
Der Übergangsregierung in Kirgisien entgleitet der Süden des Landes.
Marodeure plündern. Die bedrängten Usbeken hoffen auf ein russisches
Eingreifen, viele von ihnen fliehen über die Grenze nach Usbekistan.
Gewalt in Kirgisien: "Usbeken haben um Hilfe gefleht"
Es gibt deutliche Hinweise, dass in der Stadt Osch gezielt Usbeken verfolgt
werden, sagt Menschenrechtlerin Andrea Berg. Sie fordert eine
internationale Schutztruppe unter Führung der UNO.
Unruhen in Kirgisien: Usbeken sprechen von 700 Toten
Allein in Dschalal-Abad sollen nach usbekischen Angaben hunderte Menschen
getötet worden sein. Es wird erwartet, dass Moskau Friedenssoldaten
schickt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.