# taz.de -- Obama und die Ölpest: Zur Kooperation verdammt | |
> US-Präsident Obama nimmt die Öl-Katastrophe zum Anlass, die ins Stocken | |
> geratene Energiewende voranzutreiben. Doch er muss mit | |
> Katastrophenverursacher BP zusammenarbeiten. | |
Bild: Präsident Obama ist seit der Explosion viermal am Golf gewesen - doch Me… | |
WASHINGTON taz | Auf den Tag genau acht Wochen nach der Explosion der | |
Ölbohrplattform "Deepwater Horizon", die die größte Umweltkatastrophe der | |
Geschichte des Landes ausgelöst hat, geht der Präsident der USA ins | |
Fernsehen. Es ist die erste Ansprache von Barack Obama aus dem Oval Office | |
im Weißen Haus. Sie wird live von den meisten Fernsehsendern übertragen. | |
Der Präsident spricht 18 Minuten lang. Benutzt Worte wie "Krieg", "Angriff" | |
und "Epidemie", verspricht eine bevorstehende Reduzierung des in den Golf | |
von Mexiko ausströmenden Öls "um 90 Prozent", kritisiert die | |
jahrzehntelange amerikanische "Sucht nach fossilen Brennstoffen" und | |
spricht von der Notwendigkeit, alternative Energiequellen zu entwickeln - | |
freilich ohne das Wort "Klimawandel" in den Mund zu nehmen. Und ohne | |
Inhalte und Termin für das längst überfällige Klimagesetz zu fixieren. | |
Es ist eine ehrliche Ansprache, in der Obama Verständnis für die Sorgen der | |
Opfer der Katastrophe im Golf von Mexiko zeigt. Und es ist eine | |
nachdenkliche, in der er Wege in eine andere Energiezukunft andeutet. Aber | |
ist es das, was seine Landsleute von ihm erwarten? US-Präsidenten sprechen | |
zur Nation, wenn eine schwere Krise da ist. Obamas Amtsvorgänger taten es | |
unter anderem, als die "Challenger" explodierte, die eheliche Untreue eines | |
Präsidenten herauskam oder als das Land seinen "Krieg gegen den Terror" | |
eröffnete. | |
Im konkreten Fall erwartet das Land ein Ende der anhaltenden Ölkatastrophe. | |
Dass das verdammte Loch eineinhalb Kilometer unter der Wasseroberfläche | |
gestopft wird. Dass die schier unendliche Flut von immer neuem Gift, die | |
sich in den Golf ergießt, endlich versiegt. Und dass sich die Arbeiten auf | |
Rettung, Säuberung und Zukunft konzentrieren können - sowohl im Golf von | |
Mexiko als auch gegenüber den Mineralölkonzernen. | |
Seit acht Wochen paralysieren Horrorzahlen aus dem Mineralölkonzern BP die | |
US-Öffentlichkeit. In den ersten Stunden nach der Explosion ist von 1.000 | |
Barrel Öl die Rede. Dann werden es 5.000, dann 10.000, kurz vor der | |
Ansprache von Obama sind es 60.000 Barrel Öl, die jeden Tag in den Golf | |
strömen. Jedes Mal machen sich die US-Behörden die Unternehmenszahlen zu | |
eigen. | |
Zu diesen Zahlen kommen andere Hiobsbotschaften hinzu - die ihrerseits | |
durch den Filter von BP sickern und oft länger als nötig bis zur | |
Öffentlichkeit brauchen. Die elf "Roughnecks", die bei der Explosion der | |
Plattform ums Leben kamen, waren der Anfang. Seither sind ungezählte Tiere | |
im Meer umgekommen, verschwinden täglich neue Arbeitsplätze und Hoffnungen | |
an Land. Zuletzt häufen sich Berichte über erkrankte RettungsarbeiterInnen: | |
Sie bekommen Kopfschmerzen, Hautausschlag und Atmungsprobleme, während BP | |
sich weigert, Atemschutzmasken auszugeben. Am Tag der Oval-Office-Ansprache | |
gibt der Chef von ExxonMobil, einem der mächtigsten Mineralölkonzerne der | |
Welt, auch noch zu, dass BP keineswegs allein dasteht mit der Unfähigkeit, | |
eine Ölkatastrophe zu bewältigen. "Wenn diese Dinge passieren, sind wir | |
nicht dafür ausgerüstet", sagt Rex Tillerson vor dem Kongress. | |
Im Land wächst der Eindruck, dass die Rettungsarbeiten mit falschen | |
Methoden, zu langsam und schlecht koordiniert vonstattengehen. Und dass der | |
Verursacher kein Gegenüber hat, das mächtig genug wäre, ihn zu korrigieren. | |
Mehr als 52 Prozent der US-AmerikanerInnen meinen, dass ihr Präsident | |
"nicht genug" tue. Das sind Zahlen, die so schlecht sind wie jene von 2005, | |
als Obamas Amtsvorgänger George W. Bush nach dem Hurrikan "Katrina" in | |
Louisiana, dem auch jetzt hauptbetroffenen Bundesstaat, versagte. Hinzu | |
kommt das lauter werdende Murren jener, die nicht einsehen wollen, dass ein | |
sechsmonatiges Moratorium für neue Offshore-Bohrungen nötig sein soll. Die | |
Obama-Verwaltung, die wenige Tage vor der Katastrophe noch neue | |
Offshore-Lizenzen bewilligt hatte, legte diese Frist fest, um die Ursachen | |
der Katastrophe herauszufinden. | |
Präsident Obama ist seit der Explosion viermal am Golf gewesen. Zuletzt am | |
Tag seiner Ansprache. Er hat 40.000 Leute zu den Reinigungsarbeiten an den | |
Golf geschickt. Und er kündigt im Fernsehen an, dass er einen neuen Mann, | |
Michael Bromwich, zum neuen Chef der korrupten Aufsichtsbehörde MMS macht. | |
Er wird "kein Partner", verspricht der Präsident. | |
Doch im Golf, wo das Öl strömt, muss Obama bei den Rettungsarbeiten mit dem | |
Konzern zusammenarbeiten, der das alles verbockt hat. Und in Washington ist | |
der Präsident, der alternative Energiequellen stärken und die | |
Ölabhängigkeit seines Landes reduzieren will, auf die Zustimmung der | |
Opposition angewiesen. Ihm - und den DemokratInnen - fehlt die Mehrheit, um | |
ein neues Klimagesetz durchzubringen. | |
17 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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USA | |
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