# taz.de -- Regierungsbildung in NRW: Rückzug auf Raten | |
> Jürgen Rüttgers will nun doch nicht wieder Regierungschef von NRW werden. | |
> Auf ein Comeback hofft er trotzdem und kündigt die Fundamentalopposition | |
> an. | |
Bild: Er will den Job nicht mehr machen: Noch-Ministerpräsident von NRW Jürge… | |
Der Abschied von der Macht fällt schwer. Nur auf Raten verabschiedet sich | |
Nordrhein-Westfalens derzeit noch geschäftsführender Ministerpräsident | |
Jürgen Rüttgers von seinen Ämtern. Zwar will der Christdemokrat bei der | |
Mitte Juli vorgesehenen Wahl der Regierungschefin nicht gegen die bisherige | |
SPD-Oppositionsführerin Hannelore Kraft antreten. Auch den Vorsitz der | |
CDU-Landtagsfraktion will er nicht übernehmen. Die Hoffnung auf ein | |
Comeback aber hat der selbsternannte Arbeiterführer noch immer nicht völlig | |
begraben: Als Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen | |
Christdemokraten will Rüttgers offenbar mindestens bis zum kommenden | |
Frühjahr weiter amtieren. Auch seinen Sitz im Düsseldorfer Landtag gibt er | |
nicht auf. | |
Mit Verlusten von über 10 Prozentpunkten hatte der Ministerpräsident bei | |
den Landtagswahlen vom 9. Mai eine krachende Niederlage für seine CDU | |
eingefahren. Deshalb versuchte er bis zuletzt, SPD-Chefin Hannelore Kraft | |
zum Einstieg in eine große Koalition zu überzeugen. Zwar beanspruchte | |
Rüttgers den Posten des Regierungschefs nie für sich persönlich, wohl aber | |
für seine Partei: Trotz des Absturzes lagen die Christdemokraten im mit 18 | |
Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesland mit etwa 5.000 | |
Stimmen äußerst knapp vor der SPD. "Ich habe für die große Koalition | |
gekämpft, das wäre nämlich die Alternative, die es ja gibt zur | |
rot-rot-grünen Instabilität", sagte Rüttgers am Samstag zur Begründung | |
seiner Entscheidung, sich SPD-Chefin Kraft bei der Wahl zur | |
Ministerpräsidentin nicht entgegenzustellen. | |
Nach Krafts Entscheidung für eine rot-grüne Minderheitsregierung stürzt | |
Rüttgers Festhalten an der Macht die Christdemokraten in eine | |
Führungskrise: Der bisherige, nur kommissarisch amtierende 68-jährige | |
Fraktionschef Christian Weisbrich war schon bei seiner Wahl nur als | |
Übergangslösung vorgesehen. Für seine Nachfolge sind der bisherige | |
Integrationsminister Armin Laschet, Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und | |
CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid im Rennen. Allerdings ist Laschet | |
als Sympathisant der schwarz-grünen "Pizza-Connection" bei konservativen | |
CDU-Abgeordneten umstritten. Laumann dagegen gilt nicht nur als wenig | |
telegen, sondern auch als schlechter Redner. Und General Krautscheid wird | |
dringend in der schon vor dem Machtverlust demoralisiert und zerstritten | |
wirkenden CDU-Parteizentrale an der Düsseldorfer Wasserstraße gebraucht. | |
Die grüne Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann sieht die CDU deshalb | |
bereits in einem internen Machtkampf: "Den Christdemokraten wird erst jetzt | |
klar, welchen Preis sie für Rüttgers Klammern an der Macht zahlen müssen" - | |
schließlich sei eine große Koalition durchaus denkbar gewesen, hätte der | |
geschäftsführende Ministerpräsident nur persönlich verzichtet. | |
Rüttgers selbst will die CDU deshalb auf eine Fundamentalopposition | |
gegenüber der von SPD und Grünen angekündigten Minderheitsregierung | |
einschwören. Beide Parteien, denen im 181 Sitze zählenden Landtag eine | |
Stimme zur absoluten Mehrheit fehlt, machten sich zum "Spielball der | |
Linkspartei", warnt er bereits. Das gemeinsame Feindbild eines | |
rot-rot-grünen Lagers soll nicht nur Rüttgers eigene Schwäche überdecken, | |
sondern offenbar hofft er, dass SPD und Grüne bei der Aufstellung eines | |
Haushalts scheitern und dann doch Neuwahlen nötig werden - Rüttgers stünde | |
bereit. Dabei kann sich der Christdemokrat auf seinen bisherigen | |
Koalitionspartner FDP verlassen: Für eine rot-grüne Minderheitsregierung, | |
die "von der Linken toleriert" werde, gebe es keine Unterstützung, warnt | |
Parteichef Andreas Pinkwart bereits. | |
SPD und Grüne wollen am Dienstag Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer | |
Minderheitsregierung aufnehmen. Der SPD-Parteirat billigte die Linie Krafts | |
einstimmig. Beim Grünen-Landesparteitag in Neuss stimmten bei 3 | |
Enthaltungen nur 2 Delegierte gegen diesen Kurs. Zuvor hatte besonders die | |
designierte Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann um Unterstützung von | |
Abgeordneten von CDU und FDP geworben und Distanz zur Linkspartei | |
aufgebaut. Rot-Grün plane eine Minderheitsregierung mit wechselnden | |
Mehrheiten und keine auch im Wahlkampf ausgeschlossene Tolerierung durch | |
die Linkspartei. | |
Die Grünen in NRW ticken strukturell noch immer links. Bei der Wahl der | |
Landesvorsitzenden kam die mit einem Landtagsmandat ausgestattete Reala | |
Monika Düker auf lediglich 61 Prozent der Stimmen - der Parteilinke Sven | |
Lehmann wurde dagegen mit 88 Prozent gefeiert. | |
21 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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