| # taz.de -- Bürgerrechtler gegen Volkszählung: Klage auf den letzten Drücker | |
| > Bürgerrechtler klagen gegen die geplante Volkszählung im Jahr 2011 - | |
| > unterstützt von 13.000 Menschen. Sie befürchten, dass die sensiblen | |
| > Datensätze beim Staat nicht sicher aufgehoben sind. | |
| Bild: Die Bürgerrechtler befürchten, dass die erhobenen Daten der Volkszählu… | |
| KARLSRUHE taz | Das Bundesverfassungsgericht muss sich mit der für 2011 | |
| geplanten Volkszählung beschäftigen. Bürgerrechtler vom Arbeitskreis | |
| Vorratsdatenspeicherung haben am Freitag in Karlsruhe eine 40-seitige | |
| Klageschrift abgegeben. Wann das Gericht entscheidet, ist noch unklar. | |
| Die Kläger gerieten unter hohen Zeitdruck. Das Zensusgesetz war bereits | |
| Mitte Juli 2009 beschlossen worden, eine Verfassungsbeschwerde musste | |
| binnen eines Jahres eingereicht werden. Doch die Bremer Anwältin Eva | |
| Dworschak erhielt erst vor zwei Wochen den Auftrag, einen Klage zu | |
| verfassen. Parallel dazu sammelte der Bielefelder Datenschutzverein Foebud | |
| im Internet 13.000 Unterstützerunterschriften. Diese kennen aber weder die | |
| konkrete Klage, noch sind sie selbst Kläger. Konkrete Kläger sind nur vier | |
| Personen, deren Namen aus Datenschutzgründen nicht genannt werden. | |
| Bei der Volkszählung 2011 müssen nicht mehr alle Bürger über ihre | |
| Familien-, Wohn- und Arbeitsverhältnisse Auskunft geben. Vielmehr genügt | |
| diesmal eine Stichprobe bei 10 Prozent der Haushalte. Im Wesentlichen | |
| sollen die Daten aus öffentlichen Registern kommen, also von Meldebehörden, | |
| Arbeitsagentur und Vermessungsämtern. Außerdem werden alle 17,5 Millionen | |
| Immobilieneigentümer befragt. | |
| Im Mittelpunkt der Klage stehen vor allem zwei Punkte. Die Bürgerrechtler | |
| befürchten, dass die erhobenen Daten beim Staat nicht sicher sind. Hacker, | |
| externe Dienstleister oder unzuverlässige Beamte könnten Zugriff auf die | |
| gespeicherten "Personenprofile" nehmen und diese missbrauchen. Dabei | |
| verweisen sie auf das Karlsruher Urteil zur Vorratsdatenspeicherung, das | |
| ebenfalls vom AK Vorrat erstritten wurde. Die Richter forderten damals, | |
| dass gespeicherte Telefondaten nach den je besten verfügbaren Methoden | |
| gesichert werden müssen. Dieses Urteil aus dem März war bei Beschluss des | |
| Zensusgesetzes vor einem Jahr noch nicht bekannt. Allerdings sind die | |
| Daten, die bei der Volkszählung erhoben werden, nicht so sensibel wie die | |
| Liste der Telefon- und Mailkontakte. Außerdem erfolgt die Datenerhebung bei | |
| der Volkszählung anonym. | |
| Aber: Noch vier Jahre lang können die Daten mit Hilfe einer Ordnungsnummer | |
| wieder zusammengeführt werden. Erst dann sind die Erhebungsunterlagen zu | |
| vernichten. "Die Zuordnung der persönlichen Daten durch eine Ordnungsnummer | |
| hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil von 1983 | |
| ausdrücklich verboten", monieren die Kläger. | |
| Das allerdings ist ein Missverständnis. Verboten hatte das Karlsruher | |
| Gericht damals nicht den Einsatz von Ordnungsnummern innerhalb der | |
| Volkszählung, sondern die Zusammenführung der Zensusdaten und anderer bei | |
| Behörden gespeicherter Daten mittels einer Personenkennziffer. | |
| Der jetzt eingereichten Klage werden auch in Datenschützerkreisen keine | |
| großen Erfolgsaussichten eingeräumt. Dabei hatte das Verfassungsgericht | |
| noch 1983 die in Westdeutschland geplante Volkszählung gestoppt, weil sie | |
| mit einer Korrektur der Melderegister verbunden wurde. Der neue Anlauf 1987 | |
| wurde von Karlsruhe akzeptiert, weil der Staat auf den | |
| Melderegisterabgleich verzichtete. Auch 2011 ist es verboten, die | |
| Zensusdaten zur Verbesserung der Melderegister zu verwenden. | |
| Von bleibender Bedeutung ist das Volkszählungsurteil von 1983, weil | |
| Karlsruhe damals das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung | |
| erfand. In dieses Grundrecht darf seither nur noch aufgrund von Gesetzen | |
| eingegriffen werden, die auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wahren. | |
| 16 Jul 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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