# taz.de -- SPD-Politiker über Umgang mit Rechten: "Nicht immer mit Auschwitz … | |
> Der SPD-Fraktionsvize in Mecklenburg-Vorpommern, Mathias Brodkorb, kämpft | |
> mit Satire gegen Nazis - und stellt Blockaden als richtige Mittel gegen | |
> rechte Demos in Frage. | |
Bild: Sitzblockaden als ungewollt Anlässe, damit Nazis sich als Opfer fühlen? | |
taz: Herr Brodkorb, Sie sind Mitbegründer des satirischen Modelabels | |
"Storch Heinar" und stehen vor Gericht, weil das unter Rechten beliebte | |
Modelabel Thor Steinar Markenschädigung wittert. Finden Sie die Aufregung | |
eigentlich noch lustig? | |
Wieso sollte man über Rechtsextremisten nicht lachen dürfen? | |
Ihre Satire ist witzig, der Hintergrund aber ist ernst. | |
Ach, wir sollten aufhören, diese Debatte mit einem zu großen moralischen | |
Zeigefinger zu führen. Mit unserer Parodie lachen wir nicht über die Opfer, | |
sondern über die Täter. Wir fragen uns aber auch, ob es angemessen ist, | |
dass diese Aktion medial so stark rezipiert wird, während die Schwerpunkte | |
unserer alltäglichen Arbeit gegen Rechtsextremismus kaum wahrgenommen | |
werden. | |
Deshalb rufe ich an. In Mecklenburg-Vorpommern kommt es in letzter Zeit | |
verstärkt zu Angriffen von Rechsextremen auf Abgeordnete. | |
Das stimmt. Wir sind konfrontiert mit einer Zunahme der Gewalt. In diesem | |
Jahr gab es in Mecklenburg-Vorpommern schon über 20 Angriffe auf | |
Abgeordnetenbüros. Das schafft ein allgemeines Bedrohungsgefühl, das auch | |
die politische Arbeit lähmt. Die Kollegen wollen sich zwar nicht | |
einschüchtern lassen, fragen aber, wo das noch hinführen kann. | |
Was sehen Sie denn für Probleme im Kampf gegen rechts? | |
Das grundlegende Problem wird bereits durch die Bezeichnung | |
"Anti-Faschismus" deutlich. Wenn man wirklich für Demokratie aktiv werden | |
will, darf man sich nicht wie das Kaninchen vor die Schlange setzen und | |
sich von Rechtsextremisten die Agenda diktieren lassen. Diese reflexartige | |
Strategie lehne ich ab. Nur weil Herr Hitler mal "Guten Tag" gesagt hat, | |
dürfen wir nicht mehr "Guten Tag" sagen, oder was? Die spannende Frage sind | |
doch gar nicht die Nazis, sondern vielmehr unser Umgang mit ihnen. | |
Das müssen Sie erläutern. Es sind doch gerade Nazis, die in | |
Mecklenburg-Vorpommern die Abgeordneten bedrohen, und nicht diejenigen, die | |
dagegen kämpfen. | |
Aber wer glaubt, heutige Rechtsextremisten mit Auschwitz bekämpfen zu | |
können, wird erfolglos sein. Die NPD mobilisiert die Jugend nicht mit | |
Auschwitz, sondern mit Kultur, Freizeitbeschäftigung und sozialen Themen. | |
Wenn Sie diesen jungen Leuten mit Auschwitz kommen, argumentieren Sie an | |
ihrer Lebenswirklichkeit vorbei. Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt. | |
Und der wäre? | |
Durch undifferenzierte Argumente höhlen Sie auch das demokratisch zulässige | |
Spektrum aus. Wenn alles, was am demokratischen rechten Rand stattfindet, | |
in die rechtsextreme Ecke gestellt wird, dann ist das für die Demokratie | |
ein Armutszeugnis. Dass das der Linken nützlich ist, bezweifele ich. Eine | |
Zeitung wie die Junge Freiheit müssen Demokraten ertragen können. | |
Teufelsaustreibung war etwas fürs Mittelalter. | |
Was sind denn die Gründe für die Zunahme rechter Gewalt? | |
Zunächst einmal scheint es der NPD aufgrund der Stagnation der eigenen | |
Erfolge nicht mehr zu gelingen, gewaltbereite rechtsextreme Milieus zu | |
zivilisieren. Da kommen einigen Kreisen die erfolgreichen Blockaden von | |
Nazidemos gerade recht: Es ist signifikant, dass die Gewaltdebatte in der | |
rechtsextremen Szene gerade zu der Zeit anstieg, als Linke erfolgreich mit | |
Straßenblockaden deren Demonstrationsrecht einschränkten. | |
Moment mal: Wer Nazis blockiert, ist schuld an rechten Übergriffen? | |
Nein, natürlich nicht. Die Gewalt geht von Rechtsextremisten und niemand | |
anderem aus. Punkt. Aus. Feierabend. Aber man muss sich die Frage stellen, | |
ob man ungewollt Anlässe bietet, durch die sich Nazis unnötig als Opfer und | |
Märtyrer fühlen können. Den Konsequenzen aus dem eigenen Handeln müssen | |
sich auch Linke stellen. | |
23 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
## TAGS | |
Schwerpunkt AfD | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
SPD-Kultusminister über Heimat: „Sie huldigen dem Kapitalismus“ | |
Mathias Brodkorb ist Anti-Nazi-Aktivist und SPD-Kultusminister in | |
Mecklenburg-Vorpommern. Ist sein Heimatprogramm eine Anbiederung an die | |
AfD? | |
Kommentar Nazigewalt: Die Angst der Demokraten | |
Neonazis greifen immer öfter Politiker und Amtsträger an. Damit treffen sie | |
den demokratische Staat in Person. Schweigen, um Panik zu verhindern, hilft | |
hier nicht weiter. | |
Nazis gegen "Storch Heinar": Gericht sieht Satire im Vorteil | |
Die Nazi-Satire "Storch Heinar" des SPD-Politikers Matthias Brodkorb steht | |
vor Gericht. Die Richterin hat der Firma MediatEx empfohlen, ihre Klage | |
zurückzuziehen. Die will aber nicht. |