Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geleakter UN-Untersuchungsbericht: Die Akte Kongo
> Ein noch unveröffentlichter UN-Untersuchungsbericht über in den Jahren
> 1993 - 2003 verübte Verbrechen im Kongo kursiert im Netz. Das hat eine
> diplomatische Krise ausgelöst.
Bild: Der geleakte Bericht listet "schwerste Menschenrechtsverletzungen" zwisch…
Die bisher umfangreichste Untersuchung von Kriegsverbrechen in der
Demokratischen Republik Kongo ist durch eine gezielte Indiskretion vorab
lanciert worden und hat eine diplomatische Krise ausgelöst. Der mehr als
500 Seiten dicke [1][Entwurf des noch unveröffentlichten Abschlussberichts]
(PDF) einer UN-Untersuchungskommission über "die schwersten Verletzungen
der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts auf dem Staatsgebiet
der Demokratischen Republik Kongo zwischen März 1993 und Juni 2003" listet
detaillert 617 "Vorfälle" auf, von der Entführung von Einzelpersonen bis zu
Massakern an Hunderten Zivilisten.
Der brisanteste Vorwurf: Ruandas Militär habe 1996-97 "systematische und
breitangelegte Angriffe" gegen ruandische Hutu-Flüchtlinge im Kongo verübt.
Diese Angriffe "offenbaren eine Anzahl inkriminierender Elemente, welche
als Völkermordverbrechen bezeichnet werden könnten, wenn sie vor einem
zuständigen Gericht bewiesen wären".
Diese vorsichtige Einschätzung geht jetzt um die Welt mit der Schlagzeile,
die UNO habe einen von Ruanda verübten Völkermord an Hutu-Flüchtlingen
aufgedeckt. Dies hat erzürnte Reaktionen in Ruanda hervorgerufen. Gegenüber
BBC sagte ein ruandisches Regierungsmitglied, die Anschuldigungen seien
Unsinn und Ruanda habe eine professionelle Armee.
Nach einem Bericht der französischen Zeitung Le Monde hat Ruandas Regierung
mit einem Rückzug ruandischer Kontingente aus UN-Mission gedroht, falls der
Bericht "veröffentlicht werden oder durchsickern sollte". Ruanda ist einer
der wichtigsten Truppensteller der UN-Blauhelmmission im sudanesischen
Darfur. Es wird spekuliert, der bereits im Juni fertiggestellte Bericht
werde noch zurückgehalten, um seine Sprache vor der geplanten
Veröffentlichung im September abzumildern und vor allem den
Völkermordvorwurf zu streichen, und die Vorabveröffentlichung solle genau
dies verhindern.
Der Entwurf rechtfertigt die Aufregung nicht. Zum einen ist das Vorgehen
der ruandischen Armee gegen Hutu-Flüchtlinge während des ersten
Kongokrieges 1996-97 nur eines von vielen Kapiteln der Untersuchung, die
mit den ersten ethnischen Pogromen im damaligen Zaire 1993 beginnt und bis
zum formellen Ende des zweiten Kongokrieges Mitte 2003 reicht. Das Kapitel
zum ersten Kongokrieg umfasst 238 der 617 "Vorfälle" des Berichtszeitraums
und umfasst auch andere Verbrechen dieser Zeit. Der zweite Kongokrieg
1998-2003 nimmt im Bericht ebenfalls breiten Raum ein, auch die ethnischen
Pogrome in Kivu und Katanga 1993 finden Erwähnung.
Die geschilderten Angriffe auf Hutu-Flüchtlinge 1996-97 allerdings haben es
in sich: Seitenweise wird ein brutales Massaker nach dem anderen
aufgelistet. "Zu Hunderten hingerichtet, oft mit Hieb- und Schlagwaffen",
waren die Opfer, so der Bericht, "mehrheitlich Kinder, Frauen, Alte und
Kranken, die keine Bedrohung darstellten." Insgesamt schätzt der Bericht,
"mehrere Zehntausende" ruandische und kongolesische Hutu seien während des
ersten Kongokrieges getötet worden. Ein Gericht könnte aus den
aufgelisteten Vorfällen eine "Intention, die Hutu-Ethnie im Kongo teilweise
zu zerstören" ableiten. Dies würde der Definition eines Völkermordes
entsprechen. Demgegenüber müsse allerdings festgehalten werden, dass
zahlreiche Hutu nach Ruanda repatriiert wurden.
Für eine gründliche Klärung der Vorwürfe fehlte der Untersuchungskommission
die Zeit. 2007 ins Leben gerufen und dem UN-Menschenrechtskommissar
unterstellt, arbeitete sie lediglich von Juli 2008 bis Mai 2009, und die
Vor-Ort-Recherchen begannen erst im Oktober 2008. Es wurden in diesem
kurzen Zeitraum über 1500 Dokumente und Berichte ausgewertet, über 200
Organisationen interviewt und über 1000 Zeugen befragt. Unter solchen
Umständen ist keine Verifizierung und vor allem keine gerichtsfeste
Beweisaufnahme möglich, wie die Kommission selbst betont. Sie erklärt zwar,
jeder aufgelistete Vorfall werde von mindestens zwei Zeugenaussagen
unabhängig voneinander bestätigt, aber der Status dieser Zeugen sowie der
Beweislage überhaupt bleibt offen.
Dem Mandat der Kommission entsprechend widmet sich der Bericht in seinen
Schlussfolgerungen vor allem die Frage einer wirksamen
Vergangenheitsbewältigung im Kongo. Empfohlen wird eine
Wahrheitskommission, die "mit einer klaren Verpflichtung der Regierung,
einem wirklichen nationalen Dialog und entschiedener Untestützung seitens
der internationalen Gemeinschaft" zu Frieden und Versöhnung beitragen
könnte. Sie müsse das ganze Land vertreten. Tiefgreifende Reformen des
Justizwesens und des Sicherheitssektors im Kongo seien für ihren Erfolg
notwendig. "Das kongolesische Volk hat ein Recht auf die Wahrheit über alle
schweren Menschenrechtsverletzungen, die auf seinem Boden begangen wurden."
Der gesamte Entwurf des noch unveröffentlichten Abschlussberichts lässt
sich [2][hier als pdf] herunterladen.
27 Aug 2010
## LINKS
[1] /taz/pdf/DRC_RAPPORT_FINAL_ENG_18062010-2.pdf
[2] /taz/pdf/DRC_RAPPORT_FINAL_ENG_18062010-2.pdf
## AUTOREN
Dominic Johnson
## ARTIKEL ZUM THEMA
Darfurs Rebellen setzen auf Südsudan: "Der Norden ist schon gescheitert"
Der Krieg in Darfur flammt neu auf. Darfurs Rebellen wittern Morgenluft –
und Südsudans zukünftige Regierung sieht sich in einer starken Position.
Unabhängigkeitsreferendum im Sudan: Wer ist aus dem Süden, und wer nicht?
Die Wählerregistrierung für Südsudans Unabhängigkeitsreferendum im Januar
2011 hat begonnen. Doch Norden und Süden streiten darüber, wer abstimmen
darf.
Erfolg für Strafgerichtshof: Ruandischer Hutu-Milizenchef verhaftet
Callixte Mbarushimana führte politisch die im Kongo kämpfende ruandische
Hutu-Miliz FDLR, seit deren Präsident Ignace Murwanashyaka in Deutschland
im Gefängnis sitzt.
Kriegsverbrechen im Kongo: Scharfe Kritik auf Samtpfötchen
Die UN-Menschenrechtskommission veröffentlicht eine umstrittene
Untersuchung von Kriegsverbrechen im Kongo - die angeprangerten Staaten
beziehen darin Stellung.
Kongo stoppt Bergbau: Desaster für die Wirtschaft
Vom Schürfen bis zum Export: Kongos Regierung hat den Bergbau im Osten des
Landes "mit sofortiger Wirkung" verboten. Damit bricht die Wirtschaft der
Region zusammen.
Massenvergewaltigungen im Kongo: Uno räumt Mitverantwortung ein
Die Vereinten Nationen haben Fehler ihrer Blauhelme bei den jüngsten
Massenvergewaltigungen im Kongo zugegeben. Diese hätten einschreiten
müssen, sagte ein Sprecher am Dienstag.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.