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# taz.de -- Kongo stoppt Bergbau: Desaster für die Wirtschaft
> Vom Schürfen bis zum Export: Kongos Regierung hat den Bergbau im Osten
> des Landes "mit sofortiger Wirkung" verboten. Damit bricht die Wirtschaft
> der Region zusammen.
Bild: Ohne Minen kein Geld: ostkongolesische Provinzhauptstadt Goma.
GOMA taz | Der diesjährige 11. September dürfte den Kongolesen im
kriegsgeschüttelten Osten ihres Landes in besonders unguter Erinnerung
bleiben. An diesem Tag verkündete die Regierung der Demokratischen Republik
Kongo ein sofortiges Verbot sämtlicher Bergbauaktivitäten in den drei
Ostprovinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu und Maniema. Über Nacht kam damit der
wichtigste Wirtschaftszweig eines der schlimmsten Kriegsgebiete der Welt,
dessen Menschen fast alle in bitterer Armut leben und von denen rund ein
Zehntel Vertriebene sind, zum Stillstand.
Zur Begründung führte Kongos Bergbauministerium in der von Präsident Joseph
Kabila in Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma verkündeten Erklärung an, das
Ausmaß des Bergbaus im Ostkongo sei den Aktivitäten bewaffneter Gruppen
geschuldet, die dank den Profiten aus dem Mineralienhandel den Krieg am
Leben hielten. Deswegen sei der komplette Bergbau "mit sofortiger Wirkung
suspendiert", hieß es. Das Verbot betreffe Schürfer, Händler, Exporteure
und Inhaber von Abbaurechten. In einer weiteren Verfügung vom 20. September
wird präzisiert, keinerlei Bewegung von Mineralien sei mehr erlaubt.
Der ausschließlich per Hand von Schürfern geleistete Abbau von Zinnerz
(Kassiterit), Tantalerz (Coltan) und Gold in den Bergwäldern Ostkongos ist
allerdings nicht nur eine Finanzquelle für Kriegsparteien, sondern vor
allem der wichtigste Wirtschaftszweig einer Region, deren Landwirtschaft in
über 15 Jahren Krieg weitgehend zerstört worden ist. Ohne die Devisen aus
dem Mineralienexport können keinerlei Importprodukte des täglichen Bedarfs
mehr eingeführt werden.
Auch die Staatseinnahmen brechen ein. Nach Angaben des Unternehmerverbandes
von Nord-Kivu zahlen Schürfer, Händler und Exporteure monatlich rund eine
Million Dollar Steuern und Gebühren an staatliche Stellen - bei einem
Jahreshaushalt der Provinzgebühren in Höhe von rund 24 Millionen Dollar
eine Menge Geld. Mineralien im Wert einer ähnlichen Summe behalten Militär,
Polizei und lokale Behörden in Nord-Kivus größtem Zinnerzgebiet von Bisie
im Distrikt Walikale ein. Sie alle sitzen jetzt auf dem Trockenen, die
Bevölkerung der Bergbaugebiete ebenso.
Sämtliche legalen Mineralienexporteure Ostkongos haben vorläufig den
Betrieb eingestellt. Da keine Exportgenehmigungen mehr erteilt werden,
keine Steuern und Gebühren mehr kassiert werden dürfen und keine Mineralien
mehr legal transportiert werden können, sind inzwischen nach Angaben der
Provinzverwaltung Erze im Wert von rund 7 Millionen Dollar in den
Lagerstellen der Exporteure in Goma blockiert.
Insgesamt liegen an verschiedenen Stellen von Nord-Kivu Kassiterit und
Coltan im Wert von 15 Millionen Dollar, die bereits von Exportfirmen
gekauft und bezahlt sind, jetzt aber nicht mehr transportiert und
ausgeführt werden dürfen. Damit fehlen abrupt die täglichen
Devisenzuflüsse, mit denen der Großmarkt von Goma seine asiatischen,
arabischen und ostafrikanischen Importprodukte für die Region einkauft, von
Lebensmitteln bis zu Benzin.
In den Bergbaugebieten von Walikale, die in den vergangenen Monaten
zwischen regulären Armeeeinheiten, irregulären Soldaten, lokalen
kongolesischen Gruppen und ruandischen Hutu-Milizen heftig umkämpft waren,
sind nach amtlichen Angaben nur noch 200 von einst 5.000 Bergleuten übrig.
Manche dürften geflohen sein, andere heuern eventuell bei bewaffneten
Gruppen und Armeeeinheiten an, die die freiwerdenden Bergwerke übernehmen.
Offiziell will die Regierung nicht nur die Bergwerke schließen und räumen,
sondern auch sämtliche dort stationierten Soldaten abziehen, um der
Militarisierung des Mineralienhandels ein Ende zu setzen. Wer diesen Abzug
gewährleisten soll, bleibt unklar. Eher ist zu erwarten, dass mit dem
Verbot des legalen Bergbaus illegale bewaffnete Gruppen verstärkt in die
Minen ziehen und nur noch der illegale Abbau und Handel floriert. Unklar
ist damit auch, was aus den verschiedenen, teils weit fortgeschrittenen
internationalen Initiativen zur Sanierung des kongolesischen Bergbaus wird,
von Deutschlands Zertifizierungsinitiative bis zum jüngsten
Gesetzesbeschluss der USA, nur noch Mineralien aus friedlichen Gebieten
Kongos auf den Weltmarkt zu lassen.
27 Sep 2010
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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