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# taz.de -- Interview über Konflikte um Ressourcen: Mythos Rohstoffkrieg
> Nur selten ist der Zugang zu Rohstoffen alleinige Ursache für einen
> Konflikt, sagt die Politologin Stormy-Annika Mildner von der Stiftung
> Wissenschaft und Politik.
Bild: Wenn die Ressource Wasser knapp wird, geht es auch ums Überleben.
taz: Frau Mildner, der Satz: "Die nächsten Kriege werden um knappe
Rohstoffe geführt" ist fast schon eine Binsenweisheit. Stimmt er denn
überhaupt?
Stormy-Annika Mildner: Die Daten geben das nicht her. Das Heidelberger
Institut für Konfliktforschung hat herausgefunden, dass von 365 Konflikten
im Jahr 2009 nur in sieben Fällen Ressourcen die alleinige Ursache waren.
Oft sind andere Konfliktgegenstände beteiligt wie Territorien oder
Ideologien. Natürlich gibt es Ressourcenkonflikte, sowohl zwischen
Produzenten- und Verbrauchsländern, als auch innerhalb der produzierenden
Staaten. Aber Schlagzeilen wie "Neuer Kalter Krieg - Kampf um Rohstoffe"
lassen sich nicht abbilden.
Sie haben in der Stiftung Wissenschaft und Politik zwei Jahre in einem
Forschungsschwerpunkt Konflikte um knappe Ressourcen untersucht. Konnten
Sie herausfinden, wann Rohstoffe gefährlich werden?
Ressourcen entwickeln dann ein Konfliktpotenzial, wenn sie mit anderen
Ursachen verbunden werden und es zu einer Politisierung der ökonomischen
Konkurrenz kommt. Oft spielen Machtstreben und regionale Vorherrschaft eine
wesentliche Rolle. Territoriale Streitigkeiten, Kampf um nationale Macht
und ethnische Differenzen sorgten beispielsweise in Madagaskar für ein
explosives Gemisch. Ein weiteres Beispiel sind die Fischereikonflikte
zwischen Japan und Russland im Gebiet der Kurilen-Inseln im Pazifik, bei
denen die Ressource Fisch nur vordergründig im Mittelpunkt steht, es aber
eigentlich um konkurrierende Gebietsansprüche geht. Die Fische werden
instrumentalisiert.
Sind gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Fischern schon
Ressourcenkonflikte?
Natürlich. Allerdings muss man die Konflikte nach ihrer Intensität
unterscheiden in latente, manifeste Konflikte, Krise und Krieg. Die meisten
Ressourcenkonflikte zwischen Staaten sind bislang latente Konflikte, etwa
um metallische Ressourcen. Hier werden die Forderungen von den
Konfliktparteien zwar artikuliert, aber sie drohen noch nicht mit Gewalt
oder der Verhängung ökonomischer Zwangsmaßnahmen. Handelsstreitigkeiten,
beispielsweise über Exportbeschränkungen auf Metalle, können vor Gremien
wie der Welthandelsorganisation (WTO) oder durch bilaterale Handelsabkommen
geschlichtet werden. Es gibt auch manifeste und gewaltsam ausgetragene
Ressourcenkonflikte. Diese finden sich vor allem innerhalb von
Produzentenländern wie beispielsweise beim Coltanabbau in der
Demokratischen Republik Kongo. Nicht immer ist diese Konfliktabgrenzung
allerdings so scharf wie hier gerade dargestellt.
Warum ist die Abgrenzung zwischen echten Ressourcenkonflikten und der
Instrumentalisierung von Ressourcen für eigentlich anders motivierte
Konflikte dann wichtig?
Wir haben zwischen zwei Konfliktarten unterschieden: Bei
Ressourcenkonflikten im engeren Sinn geht es in erster Linie um den Zugang
zu einer Ressource. Häufig dienen Ressourcen aber auch der Finanzierung von
Konflikten und Krisen, denen andere Motive zugrunde liegen. Wir nennen dies
dann Konfliktressource. Eine Unterscheidung ist wichtig zur Konfliktlösung.
Denn wenn andere Motive eine Rolle spielen, kann die Konfliktlösung nicht
allein beim Rohstoff ansetzen.
Wie lassen sich Ressourcenkonflikte vermeiden?
Da bieten wir drei Ansätze an: Ressourcenmanagement, Ressourcengovernance
und Konfliktregulierung. Für Deutschland heißt Ressourcenmanagement zum
Beispiel Rückwärtsintegration, die Rohstoffproduktion sollte also wieder in
die Wertschöpfungskette aufgenommen werden, damit die hiesige Industrie
nicht abhängig von den Bedingungen in anderen Ländern ist. Außerdem müssen
knappe Rohstoffe effizienter eingesetzt, recycelt, und wo es geht, ersetzt
werden. Ressourcengovernance bedeutet, auf nationaler und internationaler
Ebene Strukturen zu finden, die soziale, ökologische und ökonomische
Risiken einhegen oder beseitigen können. Das können multilaterale
Institutionen wie die WTO, bilaterale Handelsabkommen oder regionale
Institutionen wie die Nile Basin Initative sein, mit der die Nilanrainer
die Nutzung des Flusses regeln.
Kann die Knappheit von Ressourcen auch zur Vermeidung oder Beendigung von
Konflikten beitragen?
Konflikte können durchaus katalysierend wirken. Wasser ist ein gutes
Beispiel: Es ist ein essenzielles Gut, das wir nicht substituieren können.
Die Kosten für einen Konflikt sind unglaublich hoch. Deswegen sind die
Streitparteien bereiter, den Konflikt beizulegen.
Hat sich diese These in Ihren Fallstudien über Konflikte in Zentralasien um
die Flüsse Amu- und Sirdarja und in Ostafrika um den Nil bestätigt?
Wir können zeigen, dass das Konfliktlösungspotenzial deutlich größer ist,
wenn wechselseitige, wirtschaftliche und politische Abhängigkeiten zwischen
den Ländern bestehen wie dies beim Nil der Fall ist, als wenn eine
Staatengruppe deutlich abhängiger ist, die Abhängigkeiten also einseitig
sind, wie im Fall des Amu- und Sirdarja. Denn mit der Abhängigkeit wachsen
die Bedrohungswahrnehmung und damit auch das Risiko, dass der Konflikt
eskaliert. Dies lässt sich auch auf andere Ressourcen übertragen.
Was können multilaterale Regelungen, was lokale Akteure zur
Konfliktvermeidung leisten?
Das hängt ganz von der Ressource und der Konfliktsituation ab. Wenn sich
der Konflikt wie beispielsweise bei Wasser auf eine Region bezieht, dann
muss auch die Lösung regional sein. Bei Konflikten um international
gehandelte Rohstoffe wie Metalle muss hingegen auch die Lösung multilateral
sein, da reichen bilaterale oder regionale Abkommen nicht mehr. Im
Streitfall über Exportbeschränkungen auf Metalle ist die Lösung über
bilaterale Handelsverträge auch gar keine Option. Denn mit dem Hauptnutzer
von Exportzöllen und -quoten, China, haben Importländer wie Deutschland
keine Handelsabkommen. Es bleibt nur der Weg über die WTO.
Sehen Sie denn Ansätze für eine internationale Rohstoffgovernance?
Es gibt einzelne Ansätze, der große Wurf steht jedoch noch aus. Zahlreiche
internationale Organisationen wie der IWF und die WTO haben sich zwar dem
Thema in den vergangenen zwei Jahren intensiver gewidmet. Nun müssen die
dort gewonnen Erkenntnisse jedoch auch umgesetzt werden. Dabei geht es auch
darum, bereits bestehende Regelwerke besser durchzusetzen und Institutionen
besser zu nutzen. Vom Weltressourcenrat der UN, dem International Panel for
Sustainable Resource Management, beispielsweise hört man im Gegensatz zum
Weltklimarat leider bislang nicht allzu viel.
17 Sep 2010
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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