# taz.de -- VERKEHRSPLANUNG: Bremen total autofrei | |
> Wie kann der zunehmende Verkehr in eine lebenswerte Stadt integriert | |
> werden? Zu den Bausünden der Vergangenheit führt die Radtour am | |
> autofreien Sonntag. | |
Bild: Am Sonntag gehören Bremens verkehrliche Monster-Bauten den Radfahrern: A… | |
Am Sonntag gehören Bremens verkehrliche Monster-Bauten den Radfahrern: | |
Autofreie Innenstadt ist angesagt, am Osterdeich, der das Weserufer von der | |
Stadt abtrennt, soll um 11 Uhr großes Treffen sein, über den Breitenweg - | |
dieses "Brett vorm Kopf der Innenstadt", wie der Ortsamtsleiter Robert | |
Bücking es mal genannt hat - geht es, über den Nordwest-Knoten bis auf die | |
A 281-Seilbrücke am Flughafen. Eine symbolische Aktion, die fast den | |
Eindruck erwecken könnte, als würde da vor allem Machtlosigkeit | |
demonstriert. | |
Die Stadt sähe aber völlig anders aus, hätten verkehrspolitische | |
Bürgerinitiativen nicht immer wieder auch Erfolge erzielt. Der Fly-over am | |
Bahnhof vorbei war Anfang der 60-er Jahre nur der erste Schritt einer | |
Stadtautobahn, die nach den Vorstellungen der Planer Bremen in eine Zukunft | |
mit 800.000 Einwohnern führen sollte. Der Rembertikreisel ist ein Relikt | |
dieser Planung - dann stockte das Gesamtkunstwerk. Vierspurig sollte es | |
dort weitergehen, wo die heute verkehrsberuhigte Mozartstraße liegt, mit | |
einer großen Brücke über Osterdeich, Weser, Werder-Insel und Kleine Weser | |
und dann durch die Neustadt bis an den Neuenlander Ring. Die Häuser im | |
Ostertor vergammelten, sie sollten Hochhäusern Platz machen. Sprecher der | |
Protestbewegung war jener Olaf Dinné, der auch heute bei kaum einer | |
wichtigen Protest-Aktion gegen Straßenplanungen fehlt. | |
Der Ring, zu dem die Mozarttrasse gehören sollte, war nicht der einzige, | |
den die Straßenplaner in den vergangenen Jahrzehnten in ihren Akten hatten. | |
Ein äußerer Ring sollte von der Erdbeerbrücke über die Georg-Bitter-Trasse, | |
die vor wenigen Jahren gegen heftigen Widerstand zweispurig gebaut wurde, | |
und dann durch die Kirchbachstraße, den Schwachhauser Ring und quer durch | |
den Bürgerpark führen. Am Schwachhauser Ring und in der Kirchbachstraße ist | |
aus diesem Grund ein breiter Grünstreifen frei geblieben. | |
Der Fly-over, der die Straße "Am Wall" kreuzungsfrei über die | |
Bürgermeister-Smid-Straße führt, ist auch ein Rest eines engeren Ringes. | |
Gebraucht wird er nicht - abgerissen wird er nicht, weil das viel zu teuer | |
wäre. | |
Weil es viel zu teuer ist, sind bisher auch alle Planungen, den riesigen | |
Rembertikreisel für die Stadt zurückzugewinnen, reine Papiertiger | |
geblieben. Nun stört der Platz die Menschen auch nicht wirklich, und als | |
dort noch die Natur frei wuchern durfte, wurde er von dem weltbekannten | |
Philosophen Ivan Illich für die Idee einer "Freien Universität Remberti" in | |
Beschlag genommen. | |
Und die Hochstraße am Bahnhof? Es sei "klares Ziel", da zu einem Rückbau zu | |
kommen, sagt Bausenator Reinhard Loske (Grüne) - wenn der Autobahnring mit | |
der A 281 geschlossen ist. Das betrifft auch die Neuenlander Straße und die | |
Richard-Boljahn-Allee. Insbesondere der hätte es verdient, Richard Boljahn | |
war einer der großen Bremer Beton-Köpfe, der die Politik der SPD in den | |
60er Jahren prägte. Bei der Hochstraße am Bahnhof stellt sich die schlichte | |
Frage, was man mit den rund 20.000 Autos macht, die dort täglich fahren und | |
die jede innerstädtische Kreuzung unten vollständig verstopfen würden. Für | |
einen Abriss und seine Folgekosten wäre auf absehbare Zeit sowieso kein | |
Geld da. | |
Die Radtour endet auf der A 281 in der Nähe des Flughafens - also dort, wo | |
derzeit darum gerungen wird, ob eine neue "Monsterknoten"-Kreuzung gebaut | |
wird. Gegen die "Autobahn auf Stelzen" gab es keinen Protest, weil dort | |
sowieso niemand wohnt und nun auch in den nächsten 100 Jahren niemand | |
wohnen wird. Da, wo dieser rücksichtslose Trassen-Baustiel an Wohngebieten | |
vorbei fortgesetzt werden sollte, regte sich Widerstand - und es ist kein | |
Zufall, dass von den Anwohnern der schlichte Gedanke kam, den Verkehr in | |
einem Tunnel auf dem kürzesten Weg zur A 1 zu führen. Um "autofrei" geht es | |
der Bürgerinitiativen nicht, aber um "menschengerechte" Verkehrsplanung. | |
www.autofrei-bremen.de | |
3 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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