# taz.de -- Treffen der deutschen Gentechnik-Lobby: Kritiker müssen draußen b… | |
> Heißer Kaffee und warme Worte: In Üplingen bei Magdeburg feierte sich am | |
> Montag die deutsche Gentechniklobby. Die Gegner waren auch vor Ort - und | |
> protestierten lautstark. | |
Bild: Nicht zum ersten Mal Treffpunkt des Gentechnikverbands Innoplanta: die "B… | |
ÜPLINGEN taz | Die Gäste werden bereits erwartet. Als ein schwarzer Audi | |
sich dem Tor der "BioTechFarm" nähert, rufen einige Gentechgegner freudig: | |
"Hallo, herzlich willkommen!" Rund 20 von ihnen haben sich am Montagmorgen | |
gegen zehn Uhr auf der Straße versammelt. Sie lachen. Eine andere | |
Limousine, die in die Einfahrt will, wird sogar mit Gesang begrüßt. Ihre | |
eigentliche Botschaft vermitteln die Aktivisten dagegen schriftlich: "Keine | |
Sau will Genfraß" steht auf einer Flagge, "Gensaat braucht Polizeistaat" | |
auf einem Poster. | |
Rund 20 Polizisten bewachen das diesjährige "Innoplanta-Forum" in der | |
kleinen Ortschaft Üplingen in Sachsen-Anhalt, rund 50 Kilometer westlich | |
von Magdeburg. Immerhin prallen hier heute Gentechniklobbyisten und | |
-kritiker aufeinander: Der Gentech-Verband Innoplanta feiert auf der | |
"BioTechFarm" sein zehnjähriges Bestehen. | |
Nicht alle der laut Innoplanta-Vorsitzendem Uwe Schrader 150 geladenen | |
Gäste schaffen es bis in den Veranstaltungssaal. Hermann Onko Aeikens (CDU) | |
etwa, Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister, steckt noch in Verhandlungen | |
und muss sich vertreten lassen; der Präsident des Landesbauernverbands | |
Sachsen-Anhalt steht noch im Stall und hat ebenfalls abgesagt. Trotzdem | |
braucht Schrader mehrere Minuten, um die wichtigsten Gäste aus Regional- | |
und Landespolitik, Forschung und Wirtschaft zu begrüßen. | |
Aus der Bundespolitik ist vor allem das FDP-Lager gut vertreten. | |
Staatssekretär Jochen Homann etwa zeigte sich glücklich, Grüße von | |
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) überbringen zu dürfen: "Ich danke | |
Ihnen, dass Sie mich eingeladen haben." Es sei ein Anliegen der | |
Bundesregierung, die grüne Gentechnik voranzubringen, sagte Homann: "Denn | |
wir brauchen auch Innovationen in Anwendungen." Noch in diesem Jahr wolle | |
man das Gentechnikgesetz, das einst die rot-grüne Regierung verabschiedet | |
habe, ändern lassen - Genaueres könne er aber noch nicht verraten. | |
So wie der Staatssekretär machen auch die meisten anderen Redner den | |
Gentechfans Mut: Innoplanta-Mitgründer Thomas Leimbach, mittlerweile | |
Präsident des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt, etwa vergleicht die | |
Warnungen von Gentechnikgegnern mit einer irrationalen Angst vor den ersten | |
Eisenbahnzügen - "heute würde da überhaupt niemand mehr den Nutzen in Frage | |
stellen". Die Zuhörer applaudieren. | |
Ob Schrader oder Leimbach - sie alle betonen während der Tagung immer | |
wieder, man sei immer bereit, mit Skeptikern sachlich zu diskutieren. | |
Aktivisten, die sich die Reden ebenfalls anhören wollten, baten jedoch | |
vergebens um Einlass. Eine interessierte ältere Dame aus dem Nachbarort | |
wurde erst auf das Gelände gelassen, nachdem ihre Personalien festgestellt | |
worden waren; sie habe keine Einladung, sagte man ihr zur Begründung. Und | |
wer die Wege rund um die "BioTechFarm" betritt, macht Bekanntschaft mit | |
Polizei und Sicherheitskräften. | |
Kritiker wie der Anti-Gentech-Aktivist Jörg Bergstedt bemängeln nicht nur | |
diese offensichtliche Abschottung: "Es sind richtige Seilschaften, die hier | |
am Werk sind." Zusammen mit rund 40 anderen hat Bergstedt das ganze | |
Wochenende in Üplingen gezeltet, um gegen Verfilzungen zwischen Firmen, | |
Forschungseinrichtungen und öffentlicher Verwaltung zu protestieren. Ob sie | |
Gehör bei den Verantwortlichen finden, ist zweifelhaft. Zu übersehen waren | |
sie jedenfalls nicht. | |
7 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Thomas Schmid | |
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