# taz.de -- FDP-Agrarexpertin: "Gentechnik ist Teil unseres Lebens" | |
> Kritiker seien nur aus Unwissen gegen die Pflanzen aus dem Labor, sagt | |
> FDP-Politikerin Christel Happach-Kasan. Ein Großteil der Produkte würde | |
> bereits jetzt Gentechnik enthalten. | |
Bild: Sieht lecker aus, wird aber von einem Großteil der Bundesbürger kritisc… | |
taz: Frau Happach-Kasan, heute wird in Mecklenburg erstmals nach der | |
EU-Zulassung die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora geerntet. Sie | |
freuen sich, aber Umfragen zeigen: Die Mehrheit der Bevölkerung will keine | |
Gentechpflanzen. Warum widersetzen Sie sich dem? | |
Christel Happach-Kasan: Fragen Sie mal die Leute, ob wir Dihydrogenmonoxid | |
verbieten sollen. Dann sagen exakt die 70 Prozent, die gegen Gentechnik | |
sind: Wir müssen Dihydrogenmonoxid verbieten. Warum? Weil kein Mensch weiß, | |
dass Dihydrogenmonoxid Wasser ist. Das bedeutet: Wir brauchen mehr | |
Aufklärung über die Gentechnik in der Landwirtschaft. | |
Wie wollen Sie das erreichen? | |
Unsere christlich-liberale Koalition will eine klare Kennzeichnung von | |
Lebensmitteln. Überall, wo Gentechnik drin ist, soll auch beispielsweise | |
"Gen" draufstehen. Dann sieht man, dass mit Ausnahme des Mineralwassers | |
praktisch überall Gentechnik drin ist. Die steckt nämlich schon jetzt auch | |
im Futter der Kühe oder in Enzymen für die Käseherstellung. Und dann werden | |
die Leute sehen: Gentechnik ist Teil unseres Lebens. | |
Muss man bei der Kennzeichnung nicht unterscheiden zwischen Lebensmitteln, | |
deren Hauptbestandteil eine Gentechpflanze ist, und Produkten, bei deren | |
Herstellung nur ein Gentech-Hilfsstoff verwendet wurde? | |
Entweder ist die Gesellschaft der Meinung, dass jetzt Sodom und Gomorrha | |
kommen, weil wir die Gentechnik zulassen oder eben nicht. | |
Viele Menschen misstrauen dem Zulassungsverfahren für Gentechpflanzen, weil | |
dafür die Hersteller selbst die Pflanzen testen. Können Sie das nicht | |
verstehen? | |
Wir bauen gentechnisch veränderte Pflanzen seit 14 Jahren auf mittlerweile | |
134 Millionen Hektar weltweit an. Bisher ist niemand daran zu Schaden | |
gekommen. Also scheinen die Sicherheitsanforderungen der Behörden richtig | |
zu sein. Wichtig ist, was in den Gutachten über die Pflanzen steht, nicht, | |
wer sie geschrieben hat. Man kann wissenschaftliche Daten auch dann | |
einbeziehen, wenn sie nicht von einem öffentlichen Auftraggeber stammen. | |
Sollten die Behörden anders als bisher Fütterungsversuche von mehr als 90 | |
Tagen Dauer verlangen? | |
Das ist nicht notwendig. Bei der Zulassung konventioneller Pflanzensorten | |
verlangen wir überhaupt keine Fütterungsversuche. Ein Unternehmen | |
investiert in hohem Maße und hat doch von sich aus ein Interesse, eine | |
gesunde Sorte zu produzieren. Alles andere kann nur Misserfolg geben. | |
Macht es Ihnen keine Sorge, dass Chemiemultis wie Monsanto mithilfe der | |
Patente auf Gentechpflanzen ihre Macht über die Ernährung ausweiten? | |
Wenn man Angst vor Großkonzernen hat, muss man den mittelständischen | |
Unternehmen mehr Entwicklungschancen geben. Monsanto hat nicht wegen der | |
Patente eine Oligopolstellung auf dem Markt für gentechnisch veränderte | |
Pflanzen, sondern wegen des Gentechnikmoratoriums, das wir fünf Jahre lang | |
in Europa hatten. Wir machen ja immer kompliziertere Verfahren, die die | |
Zulassung solcher Organismen erschweren. So grenzen wir unsere | |
mittelständischen Züchtungsunternehmen von gentechnischen | |
Züchtungsverfahren aus. | |
In der EU nicht zugelassene Gentechpflanzen verschmutzen immer wieder | |
Futtermittelimporte etwa aus den USA. Ist das nicht ein Beleg dafür, dass | |
die Wahlfreiheit der Verbraucher verloren geht, wenn mehr Gentechpflanzen | |
angebaut werden? | |
Die Koexistenz beider Pflanzenarten funktioniert. Es wird immer Spuren von | |
nicht zugelassenen Sorten in Importen geben, auch weil die | |
Zulassungsverfahren international nicht synchron ablaufen. Aber sie lassen | |
sich sehr gering halten. Unsere derzeitige Nulltoleranzregel ist unsinnig | |
und wird sich nicht halten lassen. Die kostet unsere Unternehmen Millionen | |
Euro, und unsere Verbraucher haben davon keinen Vorteil. Deshalb brauchen | |
wir wie in der gentechnikfeindlichen Schweiz einen Schwellenwert von 0,9 | |
Prozent des Produkts für Futtermittel und 0,5 Prozent für Lebensmittel. | |
30 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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