# taz.de -- Demo "Freiheit statt Angst": Freiheitskämpfern fehlen Feinde | |
> In den vergangenen Jahren wurde die "Freiheit statt Angst"-Demo zum | |
> Zentrum der neuen Bürgerrechtsbewegung. In diesem Jahr fehlen Themen und | |
> Gegner. | |
Bild: "Bitte lächeln": Teilnehmer der Demonstration "Freiheit statt Angst" am … | |
BERLIN taz | Die "Freiheit statt Angst"-Demo ist so etwas wie die | |
Jahreshauptversammlung der neuen digitalen Bürgerrechtsbewegung. Bis zu | |
25.000 Menschen zogen letztes Jahr durch Berlin, um gegen den | |
"Überwachungswahn" zu demonstrieren, darunter viele mit Fahnen der | |
Piratenpartei. Die freute sich über eine Mitgliederexplosion, kurz darauf | |
bekam sie bei der Bundestagswahl respektable 2 Prozent. | |
Ein Jahr später stagnieren die Piraten. Und auch die Organisatoren der | |
"Freiheit statt Angst"-Demo fragen sich, wie viele Menschen sie an diesem | |
Samstag auf die Straße bekommen. | |
Anders als zuvor fehlen der neuen Bürgerrechtsbewegung die klaren | |
Feindbilder. In der Vergangenheit war das Wolfgang Schäuble, dessen Bild | |
die Protestler mit dem Slogan "Stasi 2.0" versahen. Und Ursula von der | |
Leyen, die sich als Familienministerin für Internetsperren im Kampf gegen | |
Kinderpornos ausgesprochen hatte. Für die Netzaktivisten wurde sie zur | |
"Zensursula". Doch mit dem Wechsel ihrer Ministerien taugen die beiden | |
CDU-Politiker der Bewegung nicht mehr als Zielscheibe. | |
Das weiß auch Rena Tangens vom Bürgerrechtsverein Foebud, die eine der | |
Organisatorinnen der Demo ist. Schäubles Nachfolger als Innenminister, | |
Thomas de Maizière (CDU), sei eher "Typ Gummiwand", sagt sie. Aber auf | |
einfache Feindbilder könne sie ohnehin verzichten. | |
So leicht ist es wohl nicht. Die Politik hat ihre Lehren gezogen aus dem | |
Aufstieg der digitalen Bürgerrechtsbewegung und der Piratenpartei. | |
Innenminister de Maizière hat sich mehrmals mit Protagonisten der | |
Netzgemeinde getroffen. Der Bundestag hat eine Enquêtekommission "Internet | |
und digitale Gesellschaft" eingesetzt. Dazu kommen zahlreiche | |
Debattierzirkel, Strategierunden und Analysepapiere. Die Parteien versuchen | |
die neue Bewegung aufzusaugen. Die "Freiheit statt Angst"-Macher sehen die | |
Entwicklung nicht ohne Sorge. "Sie wollen uns einlullen", heißt in einem | |
Aufrufvideo zur Demo. "Darauf fallen wir nicht rein. Wir machen weiter." | |
Nur wie? Die Aufregerthemen, mit denen die Bewegung mobilisieren könnte, | |
fallen in diesem Jahr aus: Die Vorratsdatenspeicherung - in der jetzigen | |
Form vom Verfassungsgericht kassiert. Die Internetsperren - von der | |
schwarz-gelben Regierung erst mal ausgesetzt. Die Arbeitnehmerdatenbank | |
Elena - von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) infrage gestellt. | |
Dauerhaft ist zwar keines der Themen abgeräumt, aber für den Moment scheint | |
die Luft raus zu sein. "Es gab in den letzten Jahren große | |
Mobilisierungsthemen, die fehlen in diesem Jahr", sagt Blogger Markus | |
Beckedahl von Netzpolitik.org, auch er einer der Organisatoren von | |
"Freiheit statt Angst". Dennoch hofft Beckedahl wieder auf "viele tausend | |
Teilnehmer". Schließlich könne man auf der Demo viele Menschen offline | |
treffen, die man den Rest des Jahres nur online trifft. | |
Dem Aufruf zur Protestaktion haben sich mehr als 100 Organisationen | |
angeschlossen. Es ist ein bunter Haufen, vom Chaos Computer Club über Freie | |
Ärzteschaft und Gewerkschaft Ver.di bis zu Pro Asyl. | |
Merkwürdig, dass den Veranstaltern bei einer solch langen Unterstützerliste | |
noch Geld für die Demo fehlt. 10.000 bis 15.000 Euro bräuchte man noch, um | |
die Kosten für Technik, Toiletten oder die Bühne zu decken, sagt Rena | |
Tangens. Deshalb betteln die Bürgerrechtler nun online um Spenden. Kurz | |
wurde sogar über eine Absage der Demo diskutiert. Freiheit ist eben nicht | |
umsonst zu haben. | |
8 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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