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# taz.de -- ZDF-Doku über den Islam: Dschihad, Scharia und Demokratie
> Das ZDF räumt in einer zweiteiligen Doku (Di., 22.45 Uhr und Mi. 22.15
> Uhr) auf mit Halbwissen und Vorurteilen rund um den Islam. Die Macher
> haben mit den Menschen geredet.
Bild: Wohin treibt der Islam - fragt die ZDF-Doku. Scheich Yusuf al-Qaradawi, h…
Fatma Kilic ist Muslimin und Moscheeführerin in Berlin. Sie empfindet die
meisten Vorurteile gegen den Islam als unfair, deshalb sucht sie in ihren
Führungen den offenen Dialog. "Man spricht immer nur über uns", beklagt
sie, doch sie findet: "Man soll mit uns sprechen."
Genau das ist der Ansatz des zweiteiligen Dokumentarfilms "Wohin treibt der
Islam?". Die Autoren Daniel Gerlach und Friedrich Klütsch haben vorwiegend
Muslime begleitet, beobachtet und befragt, um einer Antwort auf die
titelgebende Frage näherzukommen. Als erzählerische Leitmotive dienen die
islamischen Begriffe "Dschihad" und "Scharia". Sie werden von den
muslimischen Protagonisten des Films kommentiert, eingeordnet und erklärt -
dabei zeigt sich, wie wenig man hierzulande eigentlich über die zweitgrößte
Religion der Welt weiß.
Zum Beispiel der Dschihad. Klar, der sogenannte heilige Krieg, das ist
bekannt. "Dschihad heißt, den Ungläubigen die Kehle durchzuschneiden",
bellt dann auch ein vermummter Terrorist in eine wacklige Videokamera
hinein. Der Begriff an sich allerdings bedeutet "Streben", erklärt ein
Koranübersetzer, es wird zwischen dem kleinen und dem großen Dschihad
unterschieden. Der Kampf zur Verteidigung der Religion ist der kleine, der
große (und im Koran weitaus öfter erwähnte) hingegen ein Bemühen um
Selbstverbesserung, die Aufforderung, rechtschaffen zu sein. Safwat Ali
Hassan, gläubiger Tierarzt in Hamburg, beschreibt seinen persönlichen
Dschihad so: "Immer auf dem geraden Weg bleiben, sodass sich Muslime und
Nichtmuslime helfen."
Der Gefahr, nur die gängigen Beispiele von gelungener Integration zu
zeigen, geht der Film aus dem Weg. "Natürlich gibt es hier gewisse Regeln",
sagt Abu Dujana von der islamischen Sekte Die wahre Religion, "aber ich als
Muslim gehorche niemandem außer Gott".
"Wohin treibt der Islam?" ist umfassend und international angelegt und
interessiert sich auch für die Theorie. Sind Islam und Demokratie denn nun
miteinander vereinbar oder nicht? Welche Rolle spielt die
Al-Azhar-Universität in Kairo für die Auslegung des Korans? Wie entwickelt
sich die Rolle der Frau?
Deutlich zeigt der Film den Konflikt, in dem der Islam steckt: Seine
Zukunft hängt davon ab, wer die Deutungshoheit über den Koran gewinnen
kann. Die indonesische Band "Good Night Electric" singt über Sex und hält
sich für genauso fromm wie der Ortsvorsteher aus Padang, der mit dem Stock
die Gesetze der Scharia vollstreckt. Wird der Koran in Zukunft also
traditionell-wörtlich ausgelegt, oder, wie es der im holländischen Exil
verstorbene Koranforscher Nasr Hamid Abu Zaid empfahl, mit Vernunft in die
heutige, moderne Zeit übertragen?
Natürlich kann der Film die Frage, die er stellt, nicht beantworten. Doch
er vermittelt essenzielles Grund- und detailliertes Hintergrundwissen und
zeigt den Islam abseits aller Klischees als dynamische, vielschichtige
Religion, die durchaus tolerant und sympathisch sein kann. Allein das ist
ein großes Verdienst. Dass das Filmteam dafür um die halbe Welt flog, ist
lobenswert. Die ständig eingeblendete, sich fortan zum nächsten Ort
weiterdrehende Weltkugel wirkt allerdings schon zu dick aufgetragen.
Warum das ZDF vier Jahre brauchte, um mit einem halbwegs geeigneten
Sendeplatz für den Zweiteiler herauszurücken, ist nicht zu verstehen.
Immerhin wird die Integrationsdebatte nicht erst seit gestern geführt. Auch
wenn das Filmteam beteuert, mit dem Platz zufrieden zu sein: "Wohin treibt
der Islam?" hätte angesichts jüngster Debatten, aktueller Umfrageergebnisse
(80 Prozent der Deutschen halten den Islam für fanatisch) und Spannungen in
der deutschen Gesellschaft zur Primetime laufen müssen. Denn selten wurde
"Bildungsauftrag" so wörtlich genommen wie bei diesem Film.
Sendetermine: Dienstag, 14. September, 22.45 Uhr und Mittwoch, 15.
September, 22.15 Uhr im ZDF
14 Sep 2010
## AUTOREN
Benjamin Weber
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