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# taz.de -- Bundestagabgeordneter Kindler: Links, grün, jung sucht ...
> Sven-Christian Kindler ist nicht nur jüngster Grüner im Bundestag. Der
> 25-Jährige steht auch für den linker werdenden Parteinachwuchs, der sich
> nach Rot-Rot-Grün sehnt.
Bild: Sven-Christian Kindler.
Es ist sein Auftritt. Der junge, blasse Mann räuspert sich, dann blickt er
forschend in die nur spärlich gefüllten Sitzreihen des Plenums vor ihm.
Sein Thema ist der "Deal" der Bundesregierung mit den Betreibern der
Atomkraftwerke. Was er sagt, mag nicht so recht passen zu seinem
jungenhaften Aussehen und dem dunklen Anzug: "Das, was wir gerade erleben,
das ist eine Konterrevolution. Eine Konterrevolution für das Atomkapital
und gegen die erneuerbaren Energien."
Applaus von links, Aufjaulen von rechts. Sven-Christian Kindler hat
gesprochen. Der 25-Jährige hat bereits Routine darin, und doch ist es erst
der Anfang. Insgesamt achtmal hat der Hannoveraner Grüne in seinen elf
Monaten als Abgeordneter bereits vor dem Bundestag geredet - weit öfter als
der Durchschnittsparlamentarier.
Scheinbar ohne lange Eingewöhnungsphase hat Kindler seinen Platz in Berlin
gefunden: als Mitglied im wichtigen Haushaltsausschuss. Und als Vertreter
einer jungen Garde von Grünen-Abgeordneten, die ihre Partei wieder weiter
nach links rücken möchten. Kindler gehört zur Führungsreserve seiner
Partei. Ein Blick auf ihn ist ein Blick auf die Zukunft der Grünen.
Deren Fraktion im Bundestag ist linker geworden. Das liegt auch am
Rekordwahlergebnis ihrer Partei im September 2009. Viele Junge mit
Erfahrungen bei der Grünen Jugend sind dabei über hintere Listenplätze ins
Parlament eingezogen. Beim Parteinachwuchs gibt es große Sympathien für
rot-rot-grüne Bündnisse. Die hegt auch Kindler.
"Mir ist es wichtig, dass es 2013 eine klare Machtalternative zu
Schwarz-Gelb gibt", sagt Kindler. Hinter ihm, an der Wand seines kargen
Abgeordnetenbüros, hängt ein Fotodruck: Freunde und Familie feiern auf der
heimischen Straße in Hannover seinen Einzug ins Parlament. Über ihren
Köpfen prangt ein Transparent, auf dem steht: "Die Verhältnisse zum Tanzen
bringen." Das könnte auch Kindlers Motto sein.
Der einstige Pfadfinder aus linksalternativem Elternhaus vereint, was bei
den Grünen lange Gegensätze waren. Einerseits war Kindler Sprecher der
Grünen Jugend Niedersachsen, er ernährt sich seit drei Jahren vegan und
lebt in einer WG. Andererseits hat er BWL studiert, als Controller
gearbeitet, und er weiß sich mit markigen Statements Medienaufmerksamkeit
zu verschaffen.
Um Rot-Rot-Grün näher zu kommen, engagiert sich Kindler bei der
Oslo-Gruppe, einem Verbund von 26 jüngeren Abgeordneten und Funktionären
von SPD, Linkspartei und Grünen. Noch steckt ihre Zusammenarbeit in den
Anfängen. Zudem ist Kindler Gründungsmitglied des Instituts Solidarische
Moderne, einer Art Thinktank um die SPD-Politiker Andrea Ypsilanti und
Hermann Scheer. Auch das Institut will linke Parteienbündnisse vorbereiten.
Reicht dafür die Zeit bis zur Bundestagswahl in drei Jahren? "Ob das
klappen kann, muss man jetzt ausloten", sagt Sven-Christian Kindler.
"Insbesondere die Debatte über UN-Auslandseinsätze der Bundeswehr wird
kontrovers werden."
Doch die politische Entwicklung kommt linken Grünen wie Kindler gelegen.
Die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke hat all jene ernüchtert, die
auf Schwarz-Grün im Bund setzten. Nun wachsen die Hoffnungen auf
Rot-Rot-Grün.
Linke Ziele, das sind für den gelernten Betriebswirt Kindler in den
kommenden Jahren vor allem: eine stärkere Kontrolle der internationalen
Finanzmärkte, eine Stärkung der Binnenkonjunktur, auch durch einen
gesetzlichen Mindestlohn, sowie eine stärkere Besteuerung von Vermögen und
eine Anhebung der Ökosteuer.
Zur Oslo-Gruppe zählt auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte. Der
33-Jährige schätzt Kindler und lobt, dass er "nachfragt und offen
widerspricht, aber immer verbindlich bleibt". Ihm wünscht Korte, nicht ganz
uneigennützig, eine steile politische Karriere: "Ich fände es gut, wenn er
künftig eine führende Rolle spielen würde. Denn das ließe mich hoffen, dass
die Grünen linker werden."
16 Sep 2010
## AUTOREN
Matthias Lohre
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