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# taz.de -- Bundesparteitag der SPD: Gabriels erster Test
> Lange Diskussionen zur Integration, vage Forderungen nach Mehreinnahmen:
> Der ersten SPD-Bundesparteitag nach der Bundestagswahl brachte kaum
> handfeste Ergebnisse.
Bild: "Die soziale Frage darf nie wieder mit einer genetischen verbunden werden…
BERLIN taz | Bis spät in den Abend, munkelte man auf dem Parteiabend, hatte
Sigmar Gabriel an seiner Rede geschrieben. Der Parteivorsitzende nimmt die
wirklich wichtigen Dinge gern selbst in die Hand, so auch diese 26 Seiten.
Und so zeigte er sich auf der Party erst nach getaner Arbeit um kurz vor
elf - vor der Bühne standen nur noch die Trinkfesteren unter den
Parteimitgliedern.
Am Sonntag war dann wieder alles in Ordnung vor der Bühne, mit Spannung
erwarteten die über 500 Delegierten die Worte des Chefs. Es hatte sich
einiges aufgestaut in den vergangenen Wochen. Eine Debatte um die Erhöhung
des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49 Prozent, der Höhenflug der Grünen,
die Rentendebatte. Und auch wenn es das vielleicht unangenehmste Thema war:
Über allem hing die Integrationspolitik, ausgelöst durch das
Parteiausschlussverfahren gegen den ehemaligen Berliner Finanzsenator Thilo
Sarrazin und seine Thesen zur Vererblichkeit von Intelligenz.
Gabriel widmete der Diskussion einen beträchtlichen Teil seiner Redezeit.
Und er hatte noch einmal in den Geschichtsbüchern gewühlt. "In Schweden
wurden 60.000 Menschen Anfang des Jahrhunderts sterilisiert, weil sie als
asozial galten und ihre Fortpflanzung nicht erwünscht war", dozierte
Gabriel, und nach den Erfahrungen aus der Nazizeit dürfe "nie wieder die
soziale Frage mit einer genetischen" verbunden werden.
Doch wie steht es mit der Integrationspolitik? Vor einer Woche hatte
Gabriel noch gesagt, wer auf Dauer alle Integrationsangebote ablehne, könne
nicht in Deutschland bleiben. Es waren die Worte eines Hardliners. Auf dem
Parteitag relativierte der Parteichef dies wieder: Nun forderte er nur noch
ein "klares Bekenntnis zu der einzigen Leitkultur, die Deutschland braucht:
zu den ersten 20 Artikeln des Grundgesetzes".
Den Anfang der Integrationsdebatte hatte eine Runde vor dem Parteitag
gemacht, um 10 Uhr diskutierte Parteivize Olaf Scholz unter anderem mit dem
Neuköllner Oberbürgermeister Heinz Buschkowsky. Buschkowsky war lange am
Rand der SPD, die Partei wollte nichts mit ihm zu tun haben. "Wir werden in
Deutschland um eine Kindergartenpflicht nicht herumkommen", sagte er, "das
heißt natürlich nicht, dass wir die Mäuse acht Stunden pädagogisieren
wollen." Jubel und tosender Applaus. Buschkowsky war der heimliche Star des
Parteitags.
Eine andere Diskussion konnte Parteichef Gabriel mit Mühe zu seinen Gunsten
drehen: die um die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Vor dem Parteitag
hatte die SPD debattiert, ob die Erhöhung des Satzes von 42 Prozent auf 49
Prozent Mehreinnahmen bringen soll oder Gutverdiener gleichzeitig entlastet
werden sollen. Ursprünglich sollte dies 5 Milliarden Euro Mehreinnahmen
bringen - das wurde gestrichen. Besonders die Jusos forderten eine
Festlegung. "Die Eckpunkte müssen so konkret sein, dass jeder weiß, wohin
die Reise geht", sagte Juso-Chef Sascha Vogt - und erntete Applaus.
Doch Gabriel wendete das Blatt, er ging auch nach fast zwei Stunden Rede
noch einmal ans Pult. Es sei eine Frage des Vertrauens, sagte der
Parteichef, "dass Debatten mit diesem Parteitag nicht am Ende sind". Die
Delegierten mögen dem Antrag bitte nicht folgen: "Wir müssen die Dinge
offen lassen." Mit Erfolg: Außer der vagen Formulierung nach Mehreinnahmen
ließ sich die SPD nicht auf eine klarere Formulierung festlegen. Es sollte
ein Arbeitsparteitag sein, die SPD-Spitze hatte es im Vorfeld nicht oft
genug sagen können. Eines haben sie tatsächlich erreicht, ganz im Sinne des
Parteichefs: Es sind noch viele Fragen offen.
26 Sep 2010
## AUTOREN
Gordon Repinski
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